PRIMER-Zellen
Neue Zelltypen des Immunsystems entdeckt

Genexpression visualisiert in einem Abschnitt eines mit einem Pathogen infizierten Pflanzenblattes. (Bildquelle: © Salk Institute)
Eine aktuelle Forschungsarbeit zeigt, wie Pflanzenzellen beim Kontakt mit Krankheitserregern in einen anderen Zustand wechseln: Sie werden zu „Ersthelfern“, oder PRIMER-Zellen, die die Immunantwort einleiten. Bystander-Zellen übertragen dann die Immunreaktion in die gesamte Pflanze. Diese Erkenntnisse könnten dabei helfen, Pflanzen generell resistenter gegen Pathogene zu machen.
Im Körper von Säugetieren sind die Rollen klar verteilt. Dringen Krankheitserreger in den Organismus ein, tritt das Immunsystem auf den Plan. Die Aufgabe bestimmter im Blut zirkulierenden Zellen ist es, die Pathogene schnell zu finden und auszuschalten. Bei Pflanzen sieht die Lage anders aus. Sie haben weder einen Blutkreislauf noch spezielle Immunzellen. Stattdessen ist jede Pflanzenzelle erst einmal für ihre eigene Immunität verantwortlich – so die bisherige Annahme.

Pflanzen müssen sich ständig gegen Krankheitserreger zur Wehr setzen, wie diese erkrankte Paprikapflanze.
Bildquelle: UF/IFAS Pest Alert Website/Pamela Roberts / Wikimedia, CC BY 2.5
So beschreibt es auch Professor Joseph Ecker, Hauptautor der neuen Studie und Forscher am Howard Hughes Medical Institute: „In der Natur werden Pflanzen ständig angegriffen und benötigen ein gut funktionierendes Immunsystem. Aber Pflanzen haben keine mobilen, spezialisierten Immunzellen wie wir – sie müssen ein völlig anderes System entwickeln, in dem jede Zelle auf Immunangriffe reagieren kann, ohne ihre anderen Aufgaben zu vernachlässigen. Bis jetzt waren wir uns nicht ganz sicher, wie Pflanzen das schaffen.“
Datenanalyse mit höchster Präzision
Das Team um den Professor hat sich genau dieser Frage angenommen. Sie inokulierten die Blätter der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) mit drei bakteriellen Pathogenen. Die Dosis war bewusst so niedrig gewählt, dass nur einige Pflanzenzellen infiziert wurden. Anschließend untersuchten sie die Blätter vier, sechs, neun und 24 Stunden nach der Infektion mit modernsten Methoden.
Sie analysierten die RNA (Transkriptomanalyse), um herauszufinden, welche Gene gerade aktiv waren. Außerdem nutzten sie Einzel-Nukleotid ATAC (snATAC), um die Zugänglichkeit des Chromatins zu erfassen. Schließlich kam auch die Technik namens MERFISH zum Einsatz, mit deren Hilfe die Anzahl und die räumliche Verteilung der Transkriptome in einer Zelle erfasst werden kann. Die Kombination dieser Techniken ermöglichte es, die pflanzliche Immunantwort in jeder Zelle in einer bisher nie dagewesenen räumlich-zeitlichen Auflösung zu erfassen. Insgesamt wurden die Daten von 65.061 Zellen ausgewertet.
PRIMER- und Bystander-Zellen haben eigene Aufgaben

Eine der wichtigsten Erkenntnisse dieser Studie war die Entdeckung der seltenen PRIMER-Zellpopulation, die in immunaktiven Hotspots entsteht und als Auslöser der Pflanzenabwehr fungieren könnte. Diese Zellen exprimieren einen zuvor unbekannten Transkriptionsfaktor, GT-3a, der nachweislich die Pflanzenimmunität reguliert.
Bildquelle: © Hsuan Pai / The Salk Laboratory (TSL)
Die Forschenden fanden dabei zwei neue Zellpopulationen. Am Ort der Infektion befinden sich sogenannte PRIMER-Zellen, kurz für Primary Immune Responder. Sie sind die „Ersthelfer“, die unmittelbar auf eine Infektion reagieren und enthalten den bisher unbekannten Transkriptionsfaktor GT-3A. Er ist vermutlich an Signalkaskaden beteiligt, mit denen andere Zellen auf die bedrohliche Situation aufmerksam gemacht werden. Um die PRIMER-Zellen herum gibt es noch Bystander-Zellen, frei übersetzt etwa Zuschauer-Zellen. Sie exprimieren Gene, die eine Kommunikation über große Entfernungen hinweg ermöglichen und Zellen in anderen Teilen der Pflanze warnen.
„Die Entdeckung dieser seltenen PRIMER-Zellen und der sie umgebenden Bystander-Zellen gibt uns enorme Einblicke in die Art und Weise, wie Pflanzenzellen kommunizieren, um die vielen äußeren Bedrohungen zu überleben, denen sie täglich ausgesetzt sind“, sagt Erstautor Tatsuya Nobori, ein ehemaliger Postdoktorand in Eckers Labor und aktueller Gruppenleiter am Sainsbury Laboratory im Vereinigten Königreich.
Frei verfügbare Datenbank erleichtert Forschung
Die in dem Experiment gewonnenen Daten sind für jedermann frei zugänglich in einer Datenbank abrufbar. Zukünftige Untersuchungen sollen zeigen, wie PRIMER- und Bystander-Zellen bei der Abwehr von Infektionskrankheiten zusammenarbeiten. Die Erkenntnisse könnten dabei helfen, Pflanzen mit einer erhöhten Krankheitsresistenz zu züchten.
„Unser Zellatlas könnte viele neue Erkenntnisse darüber ermöglichen, wie einzelne Pflanzenzellen auf Umweltstressoren reagieren, was für die Züchtung klimaresistenterer Nutzpflanzen von entscheidender Bedeutung sein wird“, sagt Joseph Ecker.
Quelle:
Nobori, T., Monell, A., Lee, T.A. et al. A rare PRIMER cell state in plant immunity. Nature 638, 197–205 (2025). doi.org/10.1038/s41586-024-08383-z
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Titelbild: Genexpression visualisiert in einem Abschnitt eines mit einem Pathogen infizierten Pflanzenblattes. (Bildquelle: © Salk Institute)