PROGRESS

Für bessere Methoden der Genom-Editierung

23.10.2025 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Gersten-Pflänzchen in In-vitro-Kultur in einem Experiment zur Genom-Editierung. (Bildquelle: © Robert Hoffie)

Gersten-Pflänzchen in In-vitro-Kultur in einem Experiment zur Genom-Editierung. (Bildquelle: © Robert Hoffie)

Die Genschere CRISPR/Cas ermöglicht es, Gene zielgerichtet zu verändern. Im Projekt PROGRESS soll der Werkzeugkasten der Genom-Editierung nun erweitert und speziell auf Pflanzen abgestimmt werden. Ziel ist es, präzisere und effizientere Verfahren zu entwickeln – auch unabhängig von bestehenden Patenten auf Cas9-Systeme.

Gene gezielt auszuschalten und damit die Eigenschaften eines Organismus zu verändern – genau das ist seit 2012 möglich. Damals entdeckten die Forscherinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier die Genschere im bakteriellen CRISPR/Cas9-System, die präzise Veränderungen am Genom erlaubt. Aus molekularbiologischen Laboren weltweit ist dieses Werkzeug seither nicht mehr wegzudenken.

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Robert Hoffie vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) Gatersleben erforscht neue Werkzeuge der Genom-Editierung, um genetische Veränderungen in Pflanzen noch präziser und effizienter zu gestalten.

Robert Hoffie vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) Gatersleben erforscht neue Werkzeuge der Genom-Editierung, um genetische Veränderungen in Pflanzen noch präziser und effizienter zu gestalten.

Bildquelle: © IPK

Auch Robert Hoffie, der am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben forscht, nutzt Genscheren für seine Arbeit. In einem seiner früheren Forschungsprojekte ging es darum, die Virusresistenz von Gerste zu verbessern. In alten Landrassen aus Ostasien waren Allele des Gens PDIL5-1 gefunden worden, die eine bessere Resistenz gegen das Gelbmosaikvirus vermitteln. Diese Allele mit herkömmlichen Methoden in Hochleistungssorten einzukreuzen, ohne gleichzeitig andere unerwünschte Eigenschaften zu übertragen, hätte mindestens zehn Jahre gedauert.

Dank CRISPR/Cas konnte Hoffie das betreffende Gen einfach ausschalten – und damit die Pflanzen resistent gegen das Gelbmosaikvirus machen. Doch mit einem zweiten Gen namens EIF4E klappte der klassische Knock-out nicht so gut. „Die Pflanzen waren zwar resistent, bildeten jedoch sehr viel weniger Körner aus“, erzählt Robert Hoffie. Dieser unerwünschte Nebeneffekt machte deutlich, dass das Abschalten von Genen mithilfe der Genschere nicht in allen Fällen zum Ziel führt.

Also probierte er aus, ob das sogenannte Base Editing bessere Ergebnisse liefert. Diese Technik ist eine Weiterentwicklung der Genom-Editierung. Dabei wird von dem DNA-Doppelstrang nur eine Seite durchtrennt. Weil das mit einer Kerbe im Strang vergleichbar ist, werden die dazugehörigen Cas-Enzyme Nickasen (engl. nick = Kerbe) genannt.

Da die Nickase mit einem weiteren Enzym gekoppelt ist, das Amingruppen von Basen abspaltet, können zwei spezielle Änderungen am genetischen Code vorgenommen werden: ein Austausch der Base C zu T oder von A zu G. „Die Technologie ist gut, um neue Variationen zu erzeugen, aber exakt die Mutation, von der wir bereits wussten, dass sie eine Resistenz vermittelt, haben wir nicht in allen Fällen erreicht“, erinnert sich der Molekularbiologe.

Das übergeordnete Ziel

„Diese Experimente haben mir gezeigt, dass wir mit der Genom-Editierung in Pflanzen noch nicht so weit sind, dass sich wirklich an beliebigen Stellen Änderungen am Code vornehmen lassen“, so Hoffie. Im Projekt PROGRESS möchte er daher die Werkzeuge der Genom-Editierung optimieren und speziell auf Pflanzen anpassen.

Das experimentelle Vorgehen

Rekrutierung eines neuen Reparaturmechanismus

Eine Möglichkeit, gezielte Änderungen ins Genom einzubauen, ist die homologe Rekombination, auch Homology-directed repair (HDR) genannt. Dabei schneiden Nukleasen den DNA-Strang an einer definierten Stelle, die zelleigenen Reparaturmechanismen bauen dann einen Teil der Enden ab, sodass an beiden Seiten des DNA-Bruchs einzelsträngige Überhänge entstehen. Bei der anschließenden Reparatur kann fremde, in die Zelle eingeschleuste DNA mit komplementären, einzelsträngigen Enden ins Erbgut eingebaut werden. „Bei Pflanzen ist dieser Mechanismus jedoch zurzeit sehr ineffizient“, sagt Hoffie.

Er setzt stattdessen auf einen anderen Reparaturmechanismus der Pflanzenzellen, genannt Microhomology-mediated End Joining (MMEJ). Anders als beim HDR werden hier nur kurze homologe Sequenzen von 2 bis 25 Basenpaaren Länge verwendet, um DNA-Brüche zu reparieren. Dieser Mechanismus ist in Pflanzenzellen bei der Reparatur von DNA-Brüchen deutlich aktiver, wird aber bisher für die Genom-Editierung nicht genutzt. „Wir wollen diesen Mechanismus nutzen, um kleine Fragmente in Genen auszutauschen – bis hin zu einer einzelnen Base –, um so das kodierte Protein in seiner Funktion zu verändern“, erklärt er.

Neue gRNAs für Pflanzen

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Die neuen Entwicklungen im PROGRESS-Projekt werden zunächst in Protoplasten, Pflanzenzellen ohne Zellwand, getestet. Erst danach werden die vielversprechendsten Ansätze auch auf Pflanzenebene etabliert. Die erfolgreiche Transformation der Protoplasten wird mit einem GFP-Signal (green fluorescent protein) überprüft.

Die neuen Entwicklungen im PROGRESS-Projekt werden zunächst in Protoplasten, Pflanzenzellen ohne Zellwand, getestet. Erst danach werden die vielversprechendsten Ansätze auch auf Pflanzenebene etabliert. Die erfolgreiche Transformation der Protoplasten wird mit einem GFP-Signal (green fluorescent protein) überprüft.

Bildquelle: © Jolina Spieß

Die gRNAs, auch guide RNAs genannt, sind das Navigationssystem der Cas-Nukleasen, das sie an die richtige Stelle in der DNA führt. Diese einzelsträngigen RNAs besitzen verschiedene Domänen:
Eine längere Domäne von etwa 100 bis 120 Basen bildet eine Sekundärstruktur aus und interagiert mit dem Cas9-Protein. Dieser Teil wird auch als Rückgrat (Scaffold) bezeichnet. Eine kürzere Domäne von rund 20 Basen bindet an die Zielsequenz in der DNA.

Standardmäßig existiert heute nur ein Scaffold, das für die Nuklease Cas9 optimiert ist – genau das, welches Doudna und Charpentier bereits 2012 publiziert haben.  „Diese zweite, wichtige Komponente hat bisher zu wenig Aufmerksamkeit erhalten. Dabei ist die gRNA für eine effiziente Genom-Editierung von großer Bedeutung“, fasst Hoffie zusammen.

Das Problem: Die 20 Basen des sequenzspezifischen Teils einer gRNA können über die Basenpaarung innerhalb des RNA-Moleküls die typische Sekundärstruktur derart stören, dass die Interaktion zwischen der gRNA und dem Cas-Enzym gehemmt wird. Finden beide Komponenten in der Zelle nicht zusammen, ist auch die Editierung ineffizient. Bei klassischen Ansätzen kann man das Zielmotiv in einem Gen danach auswählen, dass eine gute gRNA-Struktur entsteht. Doch bei Ansätzen wie dem Base Editing hat man diese Flexibilität oft nicht. Deshalb wollen Hoffie und sein Team neue gRNA-Scaffolds entwickeln, die weniger anfällig für solche problematischen Interaktionen sind.

„Wir schauen uns dabei auch Arbeiten aus der Mikrobiologie an, wo bereits ein paar Modifikationen des gRNA-Scaffolds beschrieben worden. Daraus geht zum Beispiel hervor, welche Basen innerhalb des Scaffolds nicht verändert werden dürfen, weil sie für die Interaktion mit Cas9 entscheidend sind“, erläutert Hoffie das Vorgehen im Projekt.

Direkt auf Pflanzen lassen sich Erkenntnisse aus Bakterien oder tierischen System aber oft nicht übertragen. „Pflanzen haben deutlich größere Genome und wachsen auch bei einem anderen Temperaturoptimum. Darum stehen wir hier oft vor zusätzlichen Herausforderungen bei der Weiterentwicklung der Genom-Editierung“, so Hoffie.

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Der Hauptteil der Arbeit im Rahmen des Projektes findet im molekularbiologischen Labor statt. Hier werden neue gRNA-Scaffolds und Ansätze für die MMEJ-vermittelte präzise Editierung entwickelt.

Der Hauptteil der Arbeit im Rahmen des Projektes findet im molekularbiologischen Labor statt. Hier werden neue gRNA-Scaffolds und Ansätze für die MMEJ-vermittelte präzise Editierung entwickelt.

Bildquelle: © Robert Hoffie

Neuer Basenaustausch für bessere Stickstoffnutzungseffizienz

PROGRESS arbeitet eng mit dem Projekt PREBreed zusammen. Im Rahmen von PREBreed wird an einem Gen gearbeitet, das die Stickstoffeffizienz der Gerste beeinflusst. Die Forschenden um den PREBreed-Projektpartner Nicolaus von Wirén haben ein Allel identifiziert, das eine geringe Stickstoffeffizienz bedingt, und ein anderes, das die Stickstoffaufnahme und -verwertung verbessert.

Das positive Allel unterscheidet sich nur durch eine einzige Base vom negativen. Doch wie eingangs erwähnt, ist mit Base Editing bisher nur der Austausch von C zu T oder von A zu G möglich. In diesem Fall müsste jedoch C durch G ersetzt werden. „Wir sehen diesen konkreten Anwendungsfall als eine gute Möglichkeit, unsere neu entwickelten Techniken zu erproben“, sagt Hoffie.

Alternativen zu Cas9

Wer heute die Endonuklease Cas9 für wirtschaftliche Zwecke nutzen möchte, benötigt eine Lizenz – und die ist für die Pflanzenzüchtung praktisch unmöglich zu erhalten. Gerade kleine und mittelständische Züchtungsunternehmen sind deshalb daran interessiert, alternative Endonukleasen zu finden. Robert Hoffie möchte deshalb seine im Projekt etablierten Ansätze anschließend auch mit Endnukleasen der Firma Akribion und der OpenCRISPR-Nuklease erproben.

Ausblick

Noch steht das Projekt ganz am Anfang. Doch wenn alles gut läuft, sollen am Ende ein neues Verfahren zur präzisen Genom-Editierung und unterschiedliche guideRNA-Scaffolds entwickelt worden sein, mit deren Hilfe man effizient und zielgerichtet Gene in Pflanzen editieren kann.