Projekt Epibrass
Klimaanpassung der Blühregulation von Winterraps
Der erste Kältereiz im November initiiert bei Winterraps die Blütenbildung. Fertige Blüten jedoch entwickeln sich erst nach eine mehrmonatigen Ruhephase Ende April. Was wäre aber, wenn durch immer mildere Winter der notwendige Kältereiz ausbliebe? Könnte dann noch Winterraps bei uns angebaut werden? Forscher:innen wollen deshalb verstehen, welche epigenetischen Faktoren die Dormanz der Blütenknospe steuern.
Wäre es doch so einfach wie beim Sommerraps: Die Pflanze bildet Knospen, die Knospen entwickeln sich direkt weiter zu Blüten und letztlich zur Frucht. Winterraps hingegen gönnt sich mittendrin ein notwendiges Päuschen: Er wird im Frühherbst gesät und die Pflanze entwickelt bis zum Jahresende schon eine Blattrosette – umso früher kann dann der Raps im Folgejahr geerntet werden. Aber der Winter droht mit Kälte, die eine Blüte nicht überleben würde. Blütenknospen werden zwar noch im November nach einem Kältereiz gebildet, aber die weitere Entwicklung bis zur fertigen Blüte setzt erst im kommenden Frühjahr ein. Doch wie dieser pflanzliche „Winterschlaf“ der Blütenknospe – Fachleute sprechen von Dormanz - reguliert ist, das ist bislang unklar. Ist es allein die Temperatur, die die Blütenentwicklung steuert? Oder liegen dem Prozess auch epigenetische Faktoren zugrunde, die verhindern, dass Raps (Brassica napus) blüht, wenn die Temperaturen noch unwirtlich sind?
Gefährdet die Klimaerwärmung den Ertrag von Winterraps?
„Wir wollen verstehen, wodurch es zu dieser Knospenruhe kommt“, erzählt Siegbert Melzer von der Universität Kiel. Gemeinsam mit George Coupland vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung hat er dazu das Projekt Epibrass initiiert. Dabei ist das Interesse der beiden Forscher nicht nur akademischer Natur. „Was passiert, wenn die Klimaerwärmung zu wärmeren Wintern führt?“, fragt Melzer. „Wird der Raps dann noch vernalisiert, also die Blütenentwicklung ausgelöst? Bringt er noch den gleichen Ertrag, wenn der Kältereiz ausbleibt?“
Weil die Blühregulation für die Landwirtschaft von enormer Bedeutung ist, hat die Forschung sie zumindest für die Modellpflanze Arabidopsis thaliana schon früher genau unter die Lupe genommen. Dort gibt es das FLC-Gen (Flowering Locus C). Es gehört zu den sogenannten MADS-Box-Genen, die wegen eines bestimmten Sequenzmotivs so heißen und wichtige Entwicklungsprozesse in Eukaryoten steuern. Bei FLC handelt es sich um einen Blührepressor. Erst wenn dieses Gen herunterreguliert wird und das entsprechende Protein in den Zellen nicht mehr vorhanden ist, kann die Pflanze die Blütenbildung einleiten. Bei A. thaliana passiert das, indem das Repressorgen nach der Kälteperiode epigenetisch durch eine Methylierung am Histon 3 dauerhaft stillgelegt wird. Erst durch die Meiose und damit mit der Entwicklung der nächsten Generation wird diese Modifizierung wieder entfernt.
Die Projektpartner:
Prof. Dr. George Coupland, Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung
Dr. Siegbert Melzer, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Neun FLC-Gene machen die Arbeit kompliziert
„Wir haben deshalb vermutet, dass auch in Raps die Dormanz der Blütenknospen epigenetisch reguliert wird“, berichtet Melzer. Doch das ist nicht so einfach zu überprüfen. „Raps ist komplizierter als Arabidopsis“, weiß der Forscher zu berichten. Denn diese Kulturpflanze ist eine amphidiploide Pflanze. Das bedeutet, sie ist aus einer Kreuzung von Gemüsekohl (Brassica oleracea) und Rübsen (Brassica rapa) hervorgegangen, bei der beide Genome der Eltern erhalten geblieben sind. Zudem gab es in der Evolution der Brassiceae eine Genomverdreifachung. Das hat Folgen: „Wo es in Arabidopsis nur ein Gen gibt, hat Raps gleich neun FLC-Gene“, erklärt Melzer. Jedes von ihnen könnte an der Dormanz beteiligt sein – oder auch nicht.
Ist es bei der Ackerschmalwand dank der Genomeditierung mit CRISPR/Cas heute also relativ einfach, ein einzelnes Gen auszuschalten, ist das bei Raps eine größere Herausforderung, alle neun Gene stillzulegen. „Wenn wir in Arabidopsis ein Allel mutieren, können wir schon in der nächsten Generation eine homozygote Pflanze haben, in der das Gen ausgeschaltet ist“, erläutert Melzer. „In Raps mit seinen neun FLC-Genen benötigen wir für eine homozygote Pflanze eine Population von mehr als einer Million Pflanzen, wenn in der Ausgangspflanze jeweils nur ein Allel pro Gen mutiert.“
Ganz neues Transformationsprotokoll entwickelt
Hinzu kommt noch: Ursprünglich arbeitete das Team mit einer Rapslinie, die man bis dahin gar nicht transformieren konnte. Nicht ohne Stolz berichtet der Forscher daher von seiner Doktorandin Kea Ille, die ein neues, sehr effizientes Transformationssystem ebenso etabliert hat wie ein sehr effizientes Editierungssystem. „Dadurch konnte Sarah Duveneck, ebenfalls Doktorandin, bereits in den Primärtransformanten alle neun Gene mit 18 Allelen gleichzeitig ausschalten und musste statt einer Million nur eine Pflanze untersuchen.“
Ein Problem bleibt natürlich: Schaltet man alle neun Gene gleichzeitig aus, weiß man immer noch nicht, welchen Anteil die einzelnen Gene am Phänotyp haben. „Wir haben dazu weitere Primärtransformanten mit weniger Mutationen gemacht“, erläutert Melzer. Die Analysen davon laufen derzeit. Offen ist auch noch der Vergleich mit Sommerraps: Wieso benötigt Winterraps einen Kältereiz, um die FLC-Gene herunterzuregulieren, Sommerraps jedoch nicht? Werden die FLC-Gene beim Sommerraps auch epigenetisch stillgelegt?
Expressions- und Methylierungsanalysen
Neben den Experimenten mit den FLC-Genen durchsucht das Team auch das restliche Genom der Rapspflanze. Schließlich könnten noch andere Gene an der Vernalisation der Knospen beteiligt sein. Dazu führen die Fachleute genomweite Expressionsanalysen mit RNASeq durch und analysieren am Histon 3 die Methylierungsmuster mittels ChIP-Seq. Nicht zuletzt wollen die Forscher:innen die Regulation bei Raps mit jener der Alpen-Gänsekresse (Arabis alpina) vergleichen, einer entfernten diploiden Verwandten aus der Familie der Kreuzblüter, die mehrjährig wächst. Auch die Alpen-Gänsekresse bildet vor dem Schneefall im Herbst Knospen, die den Winter über ruhen.
„Wir haben im Projekt bereits einige Anfangserfolge erzielt“, freut sich Melzer. Details kann er jedoch noch nicht verraten, denn die Publikation der Ergebnisse in einem Fachjournal steht noch aus. Außerdem läuft das Projekt noch bis Juni 2025. Bis dahin hofft der Forscher, dass die Projektbeteiligten alle Gene gefunden haben, die für eine Anpassung des Winterraps an die Klimaerwärmung wichtig sind. Dann wäre die Pflanzenzüchtung am Zug: Sie muss Strategien entwickeln, die einerseits das Vernalisationsbedürfnis von Raps erniedrigen, andererseits aber nicht dazu führen, dass der Raps im Winter blüht und die Blüten erfrieren.
Publikationen:
Kea Ille and Siegbert Melzer: Efficient and Versatile Rapeseed Transformation for New Breeding Technologies (eingereicht).
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Die Stunde Null - Wissenschaftler beobachten früheste Vorgänge der Samenkeimung
- Die Komplexität der Pflanzen fasziniert mich - Interview mit Hanna Schilbert
- Raps trifft auf Künstliche Intelligenz - Das Projekt „DeepIntegrate“
- Virtuelle Rapswelten - Das Projekt „AVATARS“
Titelbild: Winterraps beginnt Ende April zu blühen. Die Blütenbildung beginnt nach einer Kälteperiode aber bereits im November, wird aber zum Schutz der Blüten bis zum Frühjahr unterbrochen. (Bildquelle: © unbekannt270, eigenes Werk / Wikipedia, CC BY-SA 3.0)