Projekt MS-EpiPlant
Wie funktioniert die epigenetische Regulation im Pflanzenreich?
Epigenetische Modifikationen verändern die Aktivität von Genen. Bisher ist bei agronomisch wichtigen Kulturpflanzen jedoch nur wenig über diese Mechanismen bekannt. Das Projekt MS-EpiPlant will das ändern und erstellt einen Katalog von potentiellen regulatorischen Proteinen, die an epigenetischen Modifikationen von DNA, mRNA und Histonen binden. Untersucht werden eine Vielzahl unterschiedlicher Pflanzenarten – von Algen, Blumen und Kulturpflanzen bis hin zu Bäumen. So soll sich auch zeigen, welche epigenetischen Schalter bei allen Organismen vorkommen oder spezifisch sind für bestimmte Arten.
Jedes Lebewesen hat in allen Zellen die gleiche Erbsubstanz. Damit sich trotzdem unterschiedliche Gewebe wie Blätter und Blüten ausbilden können, muss die Aktivität der Gene in jedem Gewebetyp anders reguliert werden. Das passiert auch mit Hilfe von epigenetischen Modifikationen. Besonders häufig sind Methylierungen, also das Anhängen von Methylgruppen an DNA, mRNA oder Histonproteine. Diese Modifikationen werden von Regulatorproteinen erkannt und gebunden. Auf diese Weise verändern sich die Genaktivitäten.
In tierischen Organismen sind epigenetische Modifikationen schon relativ gut erforscht. „Pflanzen wurden bisher etwas stiefmütterlich behandelt“, erzählt Dr. Falk Butter, der am Friedrich-Loeffler-Institut in Greifswald arbeitet. Gerade bei agronomisch wichtigen Kulturpflanzen sind nur wenige Informationen darüber vorhanden, wie die epigenetischen Mechanismen zur Genregulation beitragen und welche Proteine daran beteiligt sind.
Aus Experimenten mit der Modellpflanze Arabidopsis thaliana weiß man bereits, dass bei Pflanzen im Vergleich mit Tieren andere epigenetische Modifikationsmuster vorkommen und die daran bindenden Proteine nicht zwangsläufig über alle Organismengruppen konserviert sind. Oder anders ausgedrückt: Im Laufe der Evolution sind verschiedene Proteine entstanden, die an der epigenetischen Regulation beteiligt sind.
Das übergeordnete Ziel
„In unserer Arbeit wollen wir die unterschiedlichen epigenetischen Schalter in Pflanzen finden und mehr darüber lernen, wie sie funktionieren und so die Aktivität von Genen gezielt beeinflussen“, erklärt Falk Butter.
Durch epigenetische Mechanismen können sich Pflanzen z.B. an neue Umweltbedingungen anpassen. Im Fokus des Projekts stehen daher keine Modellorganismen wie Arabidopsis (Ackerschmalwand) oder Tabak, sondern vor allem landwirtschaftlich relevante Pflanzen. Ein besseres Verständnis der epigenetischen Mechanismen dieser Arten könnte sehr hilfreich sein, Kulturpflanzen besser für den Klimawandel zu wappnen.
Das Vorgehen
Falk Butter ist Biochemiker und Experte für Proteinanalysen. Für seine Projekte werden vor allem teure Massenspektrometer, mit deren Hilfe man Proteine analysieren und identifizieren kann, verwendet. Gewächshäuser oder Klimakammern für die Aufzucht von Versuchspflanzen fehlen jedoch. Aber das konnte den Forscherdrang von ihm und seinem Doktoranden Lars Teschke nicht aufhalten. Sie kauften das benötigte Pflanzenmaterial kurzerhand im Supermarkt oder sammelten es im Garten ein.
Einheimische Äpfel und Kartoffeln standen genauso wie exotische Mangos und Kokosnüssen auf der Einkaufsliste. Von Linsen, Weizen, Kichererbsen oder Sonnenblumenkernen zogen sie frische Keimlinge heran, die dann ebenfalls Ausgangsmaterial für die Untersuchungen waren. „Man muss nur ein bisschen kreativ sein, dann gehen manche Sachen mit den einfachsten Mitteln“, erklärt Teschke lachend.
Aus dem Pflanzengewebe extrahierten sie zunächst alle Proteine. Diese Gesamtfraktion aller Proteine einer Pflanze bzw. eines Gewebetyps – Proteom genannt – umfasst mehrere tausend unterschiedliche Proteine.
Dann synthetisierten sie DNA-Fragmente, mRNA-Motive und Histonproteine, die evolutionär konservierte Bereiche enthalten, an denen epigenetische Modifikationen stattfinden können. Bei der RNA gibt es beispielsweise ein Motiv von fünf Basen, welches in Pflanzen und sogar Tieren und Menschen konserviert ist.
Diese Sequenzen gaben sie in verschiedenen Versionen zu der Proteinlösung: Mit epigenetischen Modifikationen in Form von Methylgruppen (Bedingung 1) oder ohne epigenetische Markierungen (Bedingung 2). Nach einer Inkubationszeit wurden alle Proteine abgewaschen, die nicht spezifisch an DNA, mRNA oder Histone gebunden hatten.
Die gebundenen Proteine identifizierten die beiden Forscher anschließend mit Hilfe von Massenspektrometrie. „Wir konnten nun sehen, welche Proteine an den Zielsubstanzen entweder bei Anwesenheit oder Abwesenheit von epigenetischen Modifikationen binden“, erklärt der Biochemiker.
Ausblick
Insgesamt hat er bereits Gewebe aus 21 verschiedenen Pflanzen analysiert. Zahlreiche Proteine, die nur bei epigenetischen Modifikationen an ihre Zielsubstanzen binden, sind bereits beschrieben worden und lassen sich in frei zugänglichen Datenbanken finden. Eines davon ist zum Beispiel das YTH-Protein, welches bei allen untersuchten Spezies an ein hochkonserviertes mRNA-Motiv gebunden hat und zum Beispiel die Trockenheitsresistenz der Pflanzen beeinflusst. Noch spannender sind natürlich die Proteine, die noch nicht im Zusammenhang mit epigenetischen Modifikationen beschrieben worden sind.
Bei etwa einem Drittel der untersuchten Pflanzen in diesem Projekt ist nur wenig über ihre Gene und dementsprechend ihre Proteine bekannt. Aufgrund der hohen genetischen Komplexität von Pflanzen haben die Forscher in diesen Fällen das Transkriptom, also die Gesamtheit der RNAs in einem Gewebe, analysiert. So können sie protein-kodierende mRNAs identifizieren und dementsprechend auch das Proteom dieser Spezies besser verstehen. Dadurch ist es möglich, epigenetische Regulatoren in bisher wenig untersuchten Spezies zu identifizieren und die Experimente sind nicht auf die typischen Arten der Pflanzenforschung beschränkt.
Am Ende der Programmlaufzeit wird eine öffentliche Datenbank aller Ergebnisse erstellt werden. Das unterstützt auch andere Forschenden dabei, die Geheimnisse der epigenetischen Regulation in Pflanzen Schritt für Schritt aufzuklären.
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Die Vielfalt macht´s – Epigenetische Vielfalt macht produktiver
- Jenseits der Genetik – Das Methylom als „Hypothesen-Generator“
- Fortschritte im Kampf gegen Hitzestress – Eine neue Generation hitzetoleranter Nutzpflanzen steht in den Startlöchern
Titelbild: Epigenetische Modifikationen wie DNA-Methylierungen beeinflussen die Bindung von regulatorischen Proteinen und damit die Aktivität von Genen. Umweltfaktoren wie Hitze und Trockenheit sind häufige Auslöser von epigenetischen Modifikationen. Wie das bei Pflanzen genau funktioniert, will das Projekt MS-EpiPlant näher untersuchen. (Symbolbild, Bildquelle: © pflanzenforschung.de, erstellt mit DALL•E)