Projekt SEEDMAKER

Pflanzen "ohne Vater" sollen Klimawandel trotzen

31.10.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ein Embryo wächst in einem Samen. Dieser Prozess soll zukünftig bei Kulturpflanzen auch ohne Pollenbestäubung ablaufen können. Dies würde die Pflanzenzüchtung in einigen Bereichen revolutionieren. (Bildquelle: © Camille Salaün)

Ein Embryo wächst in einem Samen. Dieser Prozess soll zukünftig bei Kulturpflanzen auch ohne Pollenbestäubung ablaufen können. Dies würde die Pflanzenzüchtung in einigen Bereichen revolutionieren. (Bildquelle: © Camille Salaün)

Im Projekt SEEDMAKER wird daran gearbeitet, muttergleiche Nachkommen ohne das Erfordernis einer Bestäubung entstehen zu lassen. Dieses Klonen könnte Pflanzenzüchtern die Arbeit erleichtern und dabei helfen, auch negative Effekte des Klimawandels abzumildern.

Die meisten unserer Kulturpflanzen sind auf Bestäubung angewiesen, damit neue Samen und eine neue Generation von Pflanzen entstehen können. Durch Wind oder Insekten werden die Pollen von den männlichen auf die weiblichen Blütenorgane transportiert. Anschließend wächst der Pollenschlauch durch den (weiblichen) Stempel, wodurch die im Pollen enthaltenen Spermazellen die weiblichen Eizellen erreichen. Nach der Befruchtung können dann neue Samen entstehen, die je zur Hälfte mütterliches und väterliches Erbgut tragen.

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Nur wenige Pflanzenarten können Samen ohne Bestäubung bilden (Apomixis). Dazu gehört neben dem Löwenzahn beispielsweise auch das Zwiebel-Rispengras Poa bulbosa (hier abgebildet). Keine unserer Kulturpflanzen hat diese Fähigkeit.

Nur wenige Pflanzenarten können Samen ohne Bestäubung bilden (Apomixis). Dazu gehört neben dem Löwenzahn beispielsweise auch das Zwiebel-Rispengras Poa bulbosa (hier abgebildet). Keine unserer Kulturpflanzen hat diese Fähigkeit.

Bildquelle: © Nadiatalent – Eigenes Werk / Wikimedia, CC BY-SA 3.0

Anders läuft es bei der Apomixis ab. Hier wird nicht unbedingt Pollen benötigt. Stattdessen bilden die weiblichen Pflanzen Samen aus, die mit ihnen genetisch absolut identisch sind. Natürlicherweise kommt dies nur bei wenigen Pflanzenarten vor, so zum Beispiel beim Löwenzahn. Von den wichtigsten unserer Kulturpflanzen hat jedoch keine die Fähigkeit zur Apomixis.

Apomixis könnte enorme Verbesserungen bringen

„Wenn es uns gelänge, Apomixis in landwirtschaftlich wichtigen Pflanzen zu etablieren, dann könnte das enorme Verbesserungen für Züchter und Landwirte bringen“, erklärt Dr. Duarte Figueiredo, der am Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam die Arbeitsgruppe „Samenentwicklung und Apomixis“ leitet.

Da wäre zum einen die aufwändige Herstellung von Hybrid-Saatgut. Dabei werden zwei reinerbige Elternpflanzen mit möglichst unterschiedlichen, sich ergänzenden Eigenschaften gekreuzt, damit ihre Nachkommen der F1-Generation alle positiven Eigenschaften in sich vereinen. Dadurch sind sie widerstandsfähiger und liefern höhere Erträge, was auch als Heterosiseffekt bekannt ist. Dieser Effekt zeigt sich aber nur in der F1-Generation in voller Stärke. Bei herkömmlicher Weitervermehrung (inklusive Bestäubung mit Pollen) wird er in den folgenden Generationen stark abgeschwächt.

Mittels Apomixis könnte man die besonders leistungsfähigen F1-Pflanzen aber identisch reproduzieren (Klonen). Das aufwändige Erhalten der Elternlinien und Kreuzen würde der Vergangenheit angehören. Es ließe sich nicht nur eine Menge Zeit und Geld sparen, sondern mehr Ertrag pro Flächeneinheit erzielen, sodass bei gleicher landwirtschaftlicher Produktion mehr Flächen naturbelassen bleiben können.

Ein anderes Thema sind die im Zuge des Klimawandels weltweit steigenden Temperaturen. „Bei großer Hitze sterben viele Pollenzellen ab, dann fällt also auch die Ernte mager oder ganz aus“, erklärt Figueiredo. „Wir versuchen mit unserer Forschung dieses Problem zukünftig zu verringern.“

Autonome Herausbildung des Endosperms

Damit Apomixis stattfinden kann, müssen drei Entwicklungsprozesse beeinflusst oder umgangen werden:

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Aufbau eines Samens einer zweikeimblättrigen Pflanze: Der Embryo besteht aus den Keimblättern (c) und dem Hypokotyl (d). Er ist umgeben vom Endosperm (b), der den Embryo ernährt, und der Samenschale (a). Seedmaker will die Endospermbildung autonom ablaufen lassen – ohne vorherige Bestäubung.

Aufbau eines Samens einer zweikeimblättrigen Pflanze: Der Embryo besteht aus den Keimblättern (c) und dem Hypokotyl (d). Er ist umgeben vom Endosperm (b), der den Embryo ernährt, und der Samenschale (a). Seedmaker will die Endospermbildung autonom ablaufen lassen – ohne vorherige Bestäubung.

Bildquelle: © Agnieszka Kwiecień ( Nova) / Wikiemedia CC0

Meiose umgehen oder unterdrücken: Bei der Apomixis wird die Meiose in der Eizelle unterdrückt oder umgangen. Statt dieser normalen reduktiven Teilung, bei der der Chromosomensatz halbiert wird, entsteht eine diploide Eizelle direkt aus einer Körperzelle des Fruchtknotens, sodass das vollständige Erbgut von Mutter- und Vaterpflanze unreduziert erhalten bleibt. Dieser Prozess wird als Aposporie oder Diplosporie bezeichnet, je nachdem, welche Zellen des Fruchtknotens daran beteiligt sind.

Parthenogenetische Entstehung von Embryonen: Nachdem eine diploide Eizelle entstanden ist, muss sie sich ohne Befruchtung zu einem Embryo entwickeln. Das wird als Parthenogenese bezeichnet. In diesem Schritt erfolgt keine Verschmelzung der Eizelle mit einer Spermazelle des Pollens, sondern die Eizelle entwickelt sich autonom zu einem Embryo. Hier muss also die genetische Kontrolle der normalen Embryogenese umgangen werden, sodass keine Befruchtung notwendig ist.

Autonome Entstehung des Endosperms: Das Endosperm ist das Nährgewebe, das den Embryo im Samen versorgt. Normalerweise entsteht das Endosperm durch die Verschmelzung der zweiten Spermazelle des Pollenkorns mit einer weiblichen Zentralzelle innerhalb der Samenanlage (aufgrund dieser zweiten Verschmelzung von Gameten spricht man von doppelter Befruchtung). Bei der Apomixis ohne Bestäubung muss das Endosperm autonom entstehen, ohne dass eine Befruchtung der Zentralzelle stattfindet. Dieser Schritt ist entscheidend, da ohne Endosperm der Embryo nicht ausreichend versorgt wäre, um sich normal zu entwickeln.

Die Unterdrückung der Meiose sowie die Parthenogenese sind bereits in einigen Spezies möglich, darunter Arabidopsis, Mais und Reis. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Techniken zur Unterdrückung der Meiose sich auf Getreide übertragen lassen“, erklärt Duarte Figueiredo. Für die autonome Endospermentwicklung hingegen gibt es bislang noch keine tragfähigen Konzepte.

Die Projektpartner und das übergeordnete Ziel

  • Dr. Duarte Figueiredo, AG Samenentwicklung und Apomixis, Max Planck Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam/Golm
  • Dr. Jochen Kumlehn, AG Pflanzliche Reproduktionsbiologie, IPK Gatersleben
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Das Forschungsteam: Dilsher Kulaar, Duarte Figueiredo und Camille Salaün stehen vor einer Klimakammer mit Arabidopsis-Pflanzen. Anhand dieses Modellorganismus erforschen Sie, wie Apomixis gelingen könnte.

Das Forschungsteam: Dilsher Kulaar, Duarte Figueiredo und Camille Salaün stehen vor einer Klimakammer mit Arabidopsis-Pflanzen. Anhand dieses Modellorganismus erforschen Sie, wie Apomixis gelingen könnte.

Bildquelle: © Rency Tomy Pulickal

Die Arbeitsgruppe um Dr. Figueiredo beschäftigt sich primär mit der autonomen Herausbildung des Endosperms. „Das Endosperm ist vergleichbar mit der Plazenta bei Säugetieren“, sagt der Biologie. „Sie bringt Nährstoffe zum Embryo.“ Er will herausfinden, welche Gene und Mechanismen bei der Endospermbildung involviert sind. Seine Experimente führt er an der Modellpflanze Arabidopsis thaliana durch.

Sein Kooperationspartner Dr. Jochen Kumlehn vom IPK Gatersleben wird derweil an der wichtigen Kulturpflanze Gerste arbeiten. Dort sollen zunächst aus der Literatur bekannte Apomixis-Gene in Gerste auf ihre Effekte hin getestet werden. Anschließend sollen auch die neuen Ergebnisse aus Arabidopsis auf Gerste angewendet werden: Entstehen würde dann eine Gerste, die sowohl zur parthenogenetischen Entstehung von Embryonen als auch zur autonomen Herausbildung des Endosperms fähig ist.

Das experimentelle Vorgehen

Mit Hilfe von Mutagenese-Experimenten wollen die Forschenden zunächst besser verstehen, welche Gene und Signalwege bei der Endospermbildung involviert sind. Dafür setzen sie Samen einer Chemikalie aus, die zufällig Mutationen in der genomischen DNA erzeugt. Dann schauen sie nach, aus welchen dieser Samen Pflanzen heranwachsen, die ohne Pollen neue Samen ausbilden können. Korreliert man dann die Mutationen in der DNA mit dieser neuen Eigenschaft, ergeben sich erste Hinweise darauf, welche Gene an der Endospermbildung beteiligt sind.

Auch die Epigenetik spielt bei den Experimenten eine Rolle. Gene können auch durch chemische Modifikation der DNA oder des Chromatins zeitweise ein- oder ausgeschaltet werden. „Wir wissen, dass manche der beteiligten Gene durch Methylierungen reguliert werden“, erklärt Figueiredo. Mit Epi-Mutagenese-Experimenten will sein Team besser verstehen, welche Eigenschaften mit welchen epigenetischen Veränderungen in Verbindung stehen. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse sollen dann die aussichtsreichsten Gene für die gentechnische Entwicklung apomiktischer Kulturpflanzen ausgewählt werden.

Ausblick

„Wir haben schon ein paar vielversprechende Kandidatengene identifiziert, die an der autonomen Endospermbildung beteiligt sein könnten“, berichtet der Pflanzenforscher. Jetzt geht es darum, diese Ergebnisse zu validieren.“ Weil vermutlich viele verschiedene Gene an den apomiktischen Vorgängen beteiligt sind, müssen erwartungsgemäß mehrere Gene gleichzeitig modifiziert werden (auch bekannt als 'Stacking'), um die gewünschten Effekte zu erreichen.


Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Ein Embryo wächst in einem Samen. Dieser Prozess soll zukünftig bei Kulturpflanzen auch ohne Pollenbestäubung ablaufen können. Dies würde die Pflanzenzüchtung in einigen Bereichen revolutionieren. (Bildquelle: © Camille Salaün)