RaPEQ3

Dem Rapsprotein die Bitterkeit nehmen

12.05.2025 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Raps wächst in vielen Teilen Deutschlands, wie hier im Tümlauer Koog. Bislang wird vor allem das Öl verwertet. (Bildquelle: © Matthias Süßen / Wikimedia; CC-BY-SA-4.0)

Raps wächst in vielen Teilen Deutschlands, wie hier im Tümlauer Koog. Bislang wird vor allem das Öl verwertet. (Bildquelle: © Matthias Süßen / Wikimedia; CC-BY-SA-4.0)

Das Forschungsprojekt RaPEQ3 könnte erstmals Raps aufs Feld bringen, dessen Protein auch für den Einsatz in Lebensmitteln interessant ist.

Raps kann mehr als nur Öl – das ist die Überzeugung der Beteiligten im Forschungsprojekt RaPEQ, das sich inzwischen im dritten Förderzeitraum befindet. In Deutschland erlebte der Rapsanbau Mitte der 80er Jahre einen ersten Boom, als im Zuge der Einführung der Doppel-Null-Qualität Rapsöl als gesundes Lebensmittel nutzbar wurde. In den 1990er Jahren folgte ein zweiter Boom, als die kommerzielle Herstellung von Biodiesel begann. Bis heute wird der größere Teil des Rapsöls zu Kraftstoff verarbeitet, der verbleibende Presskuchen zu Tierfutter. Doch auch dieser Anteil des Rapses enthält viele hochwertige Inhaltsstoffe, die es wert sind, stärker für die menschliche Ernährung genutzt zu werden.

Industrie zielt bislang vor allem aufs Öl ab

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Wenn es gelingt, Raps die Bitterkeit zu nehmen, hat die Pflanze mit ihren Körnern ein großes Potenzial für die Ernährung.

Wenn es gelingt, Raps die Bitterkeit zu nehmen, hat die Pflanze mit ihren Körnern ein großes Potenzial für die Ernährung.

Bildquelle: Bildquelle: © NPZ

„Raps ist ernährungsphysiologisch auf Augenhöhe mit Soja, bei schwefelhaltigen Aminosäuren sogar besser“, sagt der ehemalige Projektkoordinator Frank Wolter von der Pflanzenzüchtungsfirma NPZ Innovation. Gut 20 Prozent des Korns bestehen aus Protein. Dass Rapsprotein nicht längst stärker für Lebensmittel genutzt wird, liegt an seinem bitteren Geschmack. Das Forschungsvorhaben RaPEQ sucht deshalb nach Wegen, die bittere Note loszuwerden und den Proteinanteil zu steigern – was auch die Profitabilität erhöhen würde. „Das Interesse an fleischarmer Ernährung sorgt für eine steigende Nachfrage nach pflanzlichen Proteinen“, berichtet der aktuelle Koordinator Jens Lübeck.

Weil Raps bisher hauptsächlich zur Ölgewinnung verarbeitet wird, sind die industriellen Prozesse allein darauf ausgerichtet. Dies führt dazu, dass die Proteine stark denaturiert werden und ihre Technofunktionalität verlieren. RaPEQ involviert deshalb alle Akteure der Wertschöpfungskette – von Züchtern über akademische Forschung bis zum Aromaspezialisten Symrise.

Die Projektpartner (Phase 3):

  • NPZ Innovation GmbH: Dr. Jens Lübeck, Dr. Frank Wolter
  • Universität Bielefeld: Prof. Dr. Bernd Weisshaar
  • Justus-Liebig-Universität Gießen: Dr. Benjamin Wittkop
  • Technische Universität München: Prof. Dr. Corinna Dawid
  • Symrise AG (ass.): Dr. Jakob Ley

Kaempferol-Derivate als Quelle der Bitterkeit identifiziert

An der TU München analysieren Forscher:innen, woher der bittere Geschmack des Raps stammt. Sie trennen die Komponenten auf und lassen Geschmackstests durchführen. Auf diese Weise identifizierten sie neun Kaempferol-Derivate, wobei eines besonders hervorstach: K3OSS (Kaempferol 3-O-(2-O-sinapoyl)-β-sophorosid).

Daraufhin stellten die Projektbeteiligten Isolate von verschiedenen Raps-Genotypen her, um zu prüfen, ob einige davon geringere Mengen des Bitterstoffs produzieren. „Wir haben eine gewisse Streuung festgestellt“, berichtet Wolter, „aber die Umwelteinflüsse sind größer als die genetischen.“

Bald wurde klar, dass sich der bittere Stoff während der Aufbereitung der Proteine anreichert. „Die Vorstufe ist wesentlich weniger bitter und trägt noch ein zusätzliches Glukose-Molekül“, erklärt der Forscher. Dessen Bindung ist instabil und kann metabolisch oder durch Erhitzen abgespalten werden. „Beim Braten würde sich also weiterhin Bitterstoff bilden“, sagt Wolter. Daher sei es keine Lösung, nur K3OSS zu entfernen. „Wir wollen alle Kaempferole reduzieren.“

Flavonole in den Samen ausgeschaltet

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Geöffnete Rapsschote mit Samen.

Geöffnete Rapsschote mit Samen.

Bildquelle: © Clinton & Charles Robertson, RAF Lakenheath, UK & San Marcos, TX, / Wikipedia, CC BY 2.0

Eine klassische Abreinigung bei der Proteinaufbereitung erwies sich als wenig erfolgreich. Deshalb rückte die Züchtung in den Fokus. Kaempferol als wesentlicher Baustein der bitteren Metabolite wie K3OSS ist ein Flavonol. Die Forscher:innen sequenzierten das Genom zahlreicher mutagenisierter Rapslinien und suchten in Kooperation mit Partnern von der Uni Bielefeld nach defekten Varianten von wichtigen Genen der Flavonolsynthese. Am Ende blieben zwei relevante Gene übrig: FLS1-1 und FLS1-2.

Die Fachleute bei NPZ stellten zunächst durch Selbstung homozygote Pflanzen für jedes der beiden defekten Gene her und kombinierten diese dann zu homozygoten Doppelmutanten. „Das war aufgrund der hohen Mutationslast nicht einfach, aber wir haben es geschafft“, freut sich Wolter. Durch das Ausschalten von FLS1-1 und FLS1-2 sank die Menge der Kaempferole in den Samen um 99 Prozent, und K3OSS sank sogar unter die Nachweisgrenze.

Bewährungsprobe auf dem Acker

In der dritten Projektphase geht es darum, größere Mengen für weitere Analysen zu produzieren und den Erfolg auf dem Feld zu testen. „Bislang stammen die Ergebnisse nur aus dem Gewächshaus“, gibt Wolter zu bedenken. Dazu wird homozygoter Sommerraps mit geringerer Mutationslast im Freiland angebaut. Bis Herbst soll sich zeigen, ob der genetische Ansatz wirklich greift. Denn Flavonole erfüllen in Pflanzen vielfältige Funktionen, darunter UV-Schutz und Schädlingsabwehr. – Doch die Forscher:innen sind zuversichtlich.

Mittelfristig könnte es aber auch interessant sein, die Flavonol-Konzentration zu steigern, da diese auch gesundheitliche Vorteile haben. „Dafür müssten wir die bitteren Metaboliten gezielt eliminieren – beispielsweise durch Mutagenese von speziellen zuckerübertragenden Genen im Samen“, erläutert Wolter.

Parallel arbeitet das NPZ-Team daran, durch Rückkreuzung mit ausgewählten Elitelinien Doppelmutanten mit geringerer Mutationslast und hohem Proteingehalt zu entwickeln.

Alternative Ansätze: Bitterproteine abbauen oder maskieren

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So sieht isoliertes Rapsprotein aus.

So sieht isoliertes Rapsprotein aus.

Bildquelle: © Hald, Dawid & Hofmann 2019

Eine alternative Strategie gegen die Bitterkeit könnte darin bestehen, die bitteren Moleküle bei der Verarbeitung enzymatisch abzubauen. Projektpartner Symrise hat dazu ein geeignetes Enzym identifiziert. „Das ist allerdings nur gegen K3OSS wirksam“, relativiert Wolter. Ein weiterer Ansatz wäre, den Bittergeschmack nicht zu beseitigen, sondern zu maskieren. Bei einer Verkostung mit Geschnetzeltem aus Raps und Soja kam dieser Ansatz gut an. „Aber purer Raps kam noch nicht gut an“, erinnert sich Wolter. Mit Eriodictyol, das sogar natürlich in Rapssamen vorkommt, gibt es einen vielversprechenden Kandidaten für die Bittermaskierung, dessen Menge im Raps durch genetische Ansätze weiter gesteigert werden könnte.

Die Forscher:innen erweiterten außerdem ihren Fokus von Proteinisolaten auf andere Aufbereitungsstufen. „In Mehl oder Presskuchen könnten zusätzliche Bitterstoffe eine Rolle spielen“, sagt Wolter, zum Beispiel Glucosinolate. Diese werden jedoch bereits in der klassischen Züchtung angegangen.

Neues Selektionsverfahren für höheren Proteinertrag

An der Uni Gießen arbeiten die Projektbeteiligten daran, den Proteingehalt insgesamt zu erhöhen. Um dieses komplexe Merkmal zu beeinflussen, setzen sie auf phänomische Selektion. Daten aus multispektralen Nahinfrarot-Analysen sollen ähnlich wie Markerdaten bei der genomischen Selektion Vorhersagen zu Merkmalen wie dem Proteinertrag ermöglichen. „So können wir sehr einfach die schlechtesten 80 Prozent aussortieren und mit den besten weitermachen“, erklärt Wolter. Langfristig soll dies Vorhersagen für neue Genotypen ermöglichen, ohne diese erst anbauen zu müssen.

Die ersten Hochproteinlinien aus dem Projekt wurden inzwischen als Komponenten für Hybridraps eingekreuzt und stehen im Sommer zur Ernte bereit. Dann wird sich zeigen, ob der Proteinertrag wie erhofft gestiegen ist, ohne die Ölsynthese zu beeinträchtigen.

Für die Rapsindustrie wäre genießbares Rapsprotein eine kleine Revolution. „Wenn wir nachweisen können, dass ein für die Humanernährung interessantes Protein erzeugt wird, wäre das ein Anreiz für Veränderungen“, hofft Lübeck und zieht einen Vergleich zur Kartoffel: „Früher war das Waschwasser bei der Kartoffelstärkegewinnung quasi Sondermüll aufgrund des hohen Stickstoffgehaltes. Mit der steigenden Nachfrage nach pflanzlichen Lebensmitteln war es dann ausgesprochen lohnend, die Verfahren anzupassen, um daraus ein hochwertiges Protein zu gewinnen. “


RaPEQ-Publikationen:

  • Hald, C. et al. (2019): Kaempferol 3-O-(2‴-O-sinapoyl-β-sophoroside) causes the undesired bitter taste of canola/rapeseed protein isolates. J. Agric. Food Chem. 67, 372−378. Doi: 10.1021/acs.jafc.8b06260
  • Schilbert, H.M. et al. (2021): Characterization of the Brassica napus flavonol synthase gene family reveals bifunctional flavonol synthases. Frontiers in Plant Science 12:733762. Doi: 10.3389/fpls.2021.733762
  • Stolte N. et al. (2022) Genetic variation for seed storage protein composition in rapeseed (Brassica napus) and development of near-infrared reflectance spectroscopy calibration equations. Plant Breed. 141(3):408–417. Doi: 10.1111/pbr.13017
  • Schilbert H.M. et al. (2022) Mapping-by-sequencing reveals genomic regions associated with seed quality parameters in Brassica napus. Genes 13, 1131. Doi: 10.3390/genes13071131
  • Schilbert H.M.et al. (2023): Homoeologous non‑reciprocal translocation explains a major QTL for seed lignin content in oilseed rape (Brassica napus L.). Theor. Appl. Genet. 136:172. Doi: 10.1007/s00122-023-04407-w
  • Abbadi A. et al. (2023) Brassica plants or parts thereof comprising altered kaempferol content and methods producing the same. WO2025056803A1
  • Schilbert, H.M. et al. (2024): Generation and characterisation of an Arabidopsis thaliana f3h/fls1/ans triple mutant that accumulates eriodictyol derivatives. BMC Plant Biology 24:99. Doi: 10.1186/s12870-024-04787-1
  • Walser C. et al. (2024): Human sensory, taste receptor, and quantitation studies on kaempferol glycosides derived from rapeseed/canola protein isolates. J. Agric. Food Chem. 72; 148301-4843. Doi: 10.1021/acs.jafc.4c02342

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Titelbild: Raps wächst in vielen Teilen Deutschlands, wie hier im Tümlauer Koog. Bislang wird vor allem das Öl verwertet. (Bildquelle: © Matthias Süßen / Wikimedia; CC-BY-SA-4.0)