SCEP3 – ein neu entdeckter Taktgeber der Meiose

Forschende entschlüsseln molekulare Kontrolle über Crossovers

03.07.2025 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ein neu entdecktes Protein namens SCEP3 steuert ihre Paarung und den Austausch genetischer Abschnitte bei homologen Chromosomen – ein zentraler Prozess für die genetische Vielfalt bei Pflanzen. (Bildquelle: © Artur Plawgo / iStock.com)

Ein neu entdecktes Protein namens SCEP3 steuert ihre Paarung und den Austausch genetischer Abschnitte bei homologen Chromosomen – ein zentraler Prozess für die genetische Vielfalt bei Pflanzen. (Bildquelle: © Artur Plawgo / iStock.com)

Ein Forschungsteam des IPK hat mit SCEP3 ein zentrales Protein entdeckt, das die Chromosomenpaarung und den genetischen Austausch bei Pflanzen steuert. Fehlt SCEP3, gerät die Crossover-Verteilung aus dem Gleichgewicht – besonders bei weiblichen Keimzellen. Die Studie liefert neue Ansätze für die Züchtung: Sowohl um gezielt neue genetische Vielfalt zu erzeugen als auch um vorteilhafte Gene gemeinsam vererben zu lassen.

Genetische Vielfalt ist der Motor der Evolution – und sie entsteht zu einem großen Teil durch einen ausgeklügelten biologischen Prozess: die Meiose. Dabei wird die Zahl der Chromosomensätze in den Keimzellen halbiert, und gleichzeitig erfolgt eine genetische Rekombination. Forschende vom IPK Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (Gatersleben) haben nun ein zentrales Molekül identifiziert, das in Pflanzen bislang unentdeckt war: SCEP3, ein neuartiges und konserviertes Protein im sogenannten synaptonemalen Komplex (SC).

Ein neuer Baustein im molekularen Bauplan der Fortpflanzung

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Das Protein SCEP3 (grün) ist ein Bestandteil des synaptonemalen Komplexes (Reißverschluss) und reguliert die meiotischen Crossover bei homologen Chromosomen.

Das Protein SCEP3 (grün) ist ein Bestandteil des synaptonemalen Komplexes (Reißverschluss) und reguliert die meiotischen Crossover bei homologen Chromosomen.

Bildquelle: © IPK Gatersleben

„Das Protein SCEP3 ermöglicht es Pflanzen, während der Meiose ihre Chromosomen – die Träger der Erbinformation – zu durchmischen und präzise zu verteilen“, heißt es in der Pressemitteilung des IPK. Dabei kommt dem synaptonemalen Komplex eine Schlüsselrolle zu: eine Art molekularer Reißverschluss, der die beiden Chromosomensätze während der Meiose aneinanderlegt und stabile Verbindungen ermöglicht. Genau in der Mitte dieser Struktur befindet sich SCEP3.

SCEP3 gehört zur zentralen Region (central region, CR) des Komplexes und arbeitet eng mit dem sogenannten Transversalfilament-Protein ZYP1 zusammen. In der Modellpflanze Arabidopsis thaliana war bisher nur wenig über die genaue molekulare Zusammensetzung dieser zentralen Region bekannt – neben ZYP1 kannte man lediglich zwei weitere Proteine: SCEP1 und SCEP2. Dass es mit SCEP3 nun ein viertes zentrales Protein gibt, bringt neue Klarheit in die Frage, wie die Paarung der Chromosomen überhaupt startet und kontrolliert wird.

Molekulare Funktion: SCEP3 als Initiator der Synapsis

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Modell des Synaptonemalen Komplexes mit Zentralelement (dunkelblau) und Lateralelement (hellblau). B. Mikroskopische Aufnahmen synaptonemaler Komplexe der Tomate. Bild mit freundlicher Genehmigung von Daniel G. Peterson, Mississippi Genome Exploration Laboratory, Mississippi State University, USA. 

Modell des Synaptonemalen Komplexes mit Zentralelement (dunkelblau) und Lateralelement (hellblau). B. Mikroskopische Aufnahmen synaptonemaler Komplexe der Tomate. Bild mit freundlicher Genehmigung von Daniel G. Peterson, Mississippi Genome Exploration Laboratory, Mississippi State University, USA. 

Bildquelle: © Hey J (2004): What's So Hot about Recombination Hotspots? PLoS Biology 2(6): e190. doi:10.1371/journal.pbio.0020190, CC BY 2.5

Bevor genetischer Austausch stattfinden kann, müssen sich die beiden Chromosomen eines Paares während der Meiose exakt aneinanderlagern – ein Prozess, der als Synapsis bezeichnet wird. Dabei entsteht zwischen den Chromosomen eine spezielle Proteinstruktur, der synaptonemale Komplex (SC), der die physikalische Verbindung sicherstellt.

Die Forschenden konnten mithilfe hochauflösender Mikroskopie zeigen, dass SCEP3 genau zwischen den beiden Längsachsen der homologen Chromosomen lokalisiert ist – dort, wo der SC seine verbindende Wirkung entfaltet. Besonders interessant: SCEP3 lagert sich schon sehr früh in der Meiose an bestimmte DNA-Strukturen an, und zwar unabhängig von den anderen zentralen Proteinen. Es wirkt offenbar wie ein „Vorreiter“, der die strukturellen Voraussetzungen für die weitere SC-Bildung schafft.

Dabei interagiert es direkt mit dem ZYP1-Protein – wie auch strukturelle Vorhersagen mit AlphaFold3 nahelegen. Dieses Zusammenspiel scheint evolutionär konserviert zu sein: Auch in anderen Pflanzenarten wie Reis, Sojabohne oder Gerste sagt AlphaFold eine sehr ähnliche Interaktionsfläche voraus.

„Wir haben herausgefunden, dass SCEP3 ein entscheidendes Bauteil des synaptonemalen Komplexes ist. Es ist evolutionär in Pflanzen konserviert, und ohne SCEP3 kann der Komplex nicht aufgebaut werden“, sagt Dr. Chao Feng, Erstautor der Studie.

Crossover-Kontrolle aus dem Gleichgewicht

Die genetischen Folgen des SCEP3-Ausfalls waren deutlich: In Arabidopsis-Mutanten, bei denen das Gen für SCEP3 gezielt ausgeschaltet wurde, kam es zu fehlerhaften Chromosomenpaarungen und zu einem Verlust zentraler Kontrollmechanismen. So verschwand die sogenannte Crossover-Interferenz – ein Regulationsmechanismus, der dafür sorgt, dass genetische Austauschstellen (Crossovers) nicht zu dicht beieinander liegen. Auch die sogenannte Crossover-Sicherung (mindestens ein Crossover pro Chromosomenpaar) war aufgehoben.

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Schematische Darstellung der genetischen Rekombination durch Crossing-over bei der Meiose

Schematische Darstellung der genetischen Rekombination durch Crossing-over bei der Meiose

Bildquelle: © Cross-over.jpg, überarbeitet von Master Uegly / Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Zudem kam es zu einem weiteren signifikanten Effekt: Der Unterschied zwischen männlicher und weiblicher Meiose – normalerweise bilden weibliche Keimzellen weniger Crossovers – verschwand. Die Zahl der weiblichen Crossovers stieg sogar um über 100 %. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass SCEP3 auch maßgeblich die Verteilung und Anzahl der Crossover beeinflusst“, so Feng.

Zwei Arten von Austausch – und SCEP3 ist für beide wichtig

Wenn Pflanzenzellen in der Meiose genetisches Material austauschen, geschieht das auf zwei Wegen. Die meisten Austauschstellen – sogenannte Class I Crossovers – folgen einem präzisen Plan: Sie entstehen an bestimmten Stellen, mit einem Mindestabstand zueinander, damit der Austausch gleichmäßig über die Chromosomen verteilt ist. Diese „Regelmäßigkeit“ nennt man Interferenz.

Daneben gibt es aber auch eine zweite, seltenere Variante: die Class II Crossovers. Sie entstehen an eher zufälligen Stellen und sind weniger streng reguliert – eine Art „Plan B“ für die genetische Durchmischung.

Das jetzt entdeckte Protein SCEP3 spielt bei beiden Varianten eine wichtige Rolle. In Experimenten zeigte sich: Selbst wenn andere zentrale Bausteine der Austausch-Maschinerie ausfallen, kann SCEP3 den Prozess teilweise auffangen – und zwar sowohl bei den regulierten als auch bei den unregelmäßigen Crossovers. Das macht SCEP3 zu einem besonders vielseitigen und wichtigen Steuerprotein der genetischen Vielfalt.

Bedeutung für Forschung und Pflanzenzucht

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Genetische Vielfalt bei Getreiden: Erkenntnisse zur Steuerung des Chromosomenaustauschs – wie bei der Entdeckung des SCEP3-Proteins – helfen dabei, gezielt neue Vielfalt zu schaffen oder wertvolle Genkombinationen gemeinsam zu vererben.

Genetische Vielfalt bei Getreiden: Erkenntnisse zur Steuerung des Chromosomenaustauschs – wie bei der Entdeckung des SCEP3-Proteins – helfen dabei, gezielt neue Vielfalt zu schaffen oder wertvolle Genkombinationen gemeinsam zu vererben.

Bildquelle: © A. Bähring / IPK Gatersleben

„Die Studie erweitert unser Wissen über die komplexen Mechanismen der Meiose und der genetischen Rekombination, die für die Evolution und Vielfalt des Lebens entscheidend sind“, erklärt Dr. Stefan Heckmann, Leiter der unabhängigen Arbeitsgruppe „Meiose“ am IPK. Das Verständnis dieser Mechanismen ist nicht nur für die Grundlagenforschung spannend – es eröffnet auch neue Möglichkeiten für die Pflanzenzucht.

Denn: Je genauer man weiß, wie und wo genetische Austauschprozesse stattfinden, desto gezielter kann man sie beeinflussen. So lässt sich beispielsweise erreichen, dass bestimmte vorteilhafte Gene gemeinsam vererbt werden – etwa solche, die mit Trockenheitsresistenz, Krankheitsabwehr oder Ertrag verbunden sind. Gleichzeitig eröffnet das Wissen um die Crossover-Steuerung auch die Möglichkeit, die genetische Vielfalt gezielt zu erhöhen, indem mehr oder anders verteilte Austauschstellen geschaffen werden – ein entscheidender Hebel für die Entwicklung neuer, anpassungsfähiger Pflanzensorten.

Heckmann ist überzeugt: „Durch ein besseres Verständnis der Steuerung der Crossover können Züchter künftig gezielter neue Sorten mit vorteilhaften Eigenschaften entwickeln. Dies könnte letztlich die Anpassung von Nutzpflanzen an den Klimawandel und ihre Resistenz gegen Krankheiten und Schädlinge verbessern, was Ertragssicherheit, aber zudem auch Ertragssteigerungen bedeutet.“


Quelle:
Feng et al. (2025): The synaptonemal complex central element SCEP3 interlinks synapsis initiation and crossover formation in Arabidopsis thaliana. In: Nature Plants (27. 06.2025).
doi: 10.1038/s41477-025-02030-9

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Titelbild: Ein neu entdecktes Protein namens SCEP3 steuert ihre Paarung und den Austausch genetischer Abschnitte bei homologen Chromosomen – ein zentraler Prozess für die genetische Vielfalt bei Pflanzen. (Bildquelle: © Artur Plawgo / iStock.com)