Schutzschild der Pflanzen

Wie die Cuticula Pflanzen vor negativen Umwelteinflüssen abschirmt

23.07.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Schutzschild Cuticula: Die Wachsschicht war eine „Erfindung“ der Landpflanzen.  (Bildquelle: © Oleg Mityukhin/Pixabay/CC0)

Schutzschild Cuticula: Die Wachsschicht war eine „Erfindung“ der Landpflanzen. (Bildquelle: © Oleg Mityukhin/Pixabay/CC0)

Als äußerste Schicht aller oberirdischen Teile schützt die wachsartige Cuticula Landpflanzen vor diversen Umwelteinflüssen. Ihre Funktionen und Anpassungsfähigkeit an Stressfaktoren wie hohe Temperaturen oder Schadorganismen beginnt die Wissenschaft mehr und mehr zu verstehen. Davon könnte auch die Pflanzenzüchtung profitieren.

Sie steht an vorderster Front zwischen Pflanze und Umwelt und hält noch viele Rätsel bereit: Die Rede ist von der Cuticula, einer wachsartigen Schicht, die jene Teile von Landpflanzen überzieht, die ohne Periderm der Luft ausgesetzt sind. Sie besteht aus einem unlöslichen Gerüst aus dem Polyester Cutin und löslichen cuticulären Wachsen – sehr langkettigen Fettsäuren. Und während viele ihrer Funktionen offensichtlich sind, erschließen sich die zugrunde liegenden chemischen und genetischen Muster der Pflanzenforschung erst langsam.

Am Beispiel der Ackerschmalwand konnten zuletzt viele Aspekte der Biosynthese der Cuticula aufgeklärt werden. So sind heute 24 Gene (CER1 bis CER20, CER22 bis CER24 und TT5) bekannt, die an der Biosynthese und Ablagerung cuticulärer Bestandteile an der Pflanzenoberfläche beteiligt sind. Transkriptomanalysen der Epidermis haben zudem weitere Kandidaten identifiziert, die an Transport und Ablagerung mitwirken könnten.

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Die Cuticula ist eine wachsartigen Schicht, die auf der Epidermis aufliegt.

Die Cuticula ist eine wachsartigen Schicht, die auf der Epidermis aufliegt.

Bildquelle: © Zephyris / wikimedia.org; CC BY-SA 3.0

Biosynthese der Cuticula

Der erste Schritt in der Erzeugung der cuticulären Wachse besteht wie bei anderen Lipiden aus der Biosynthese von C16- und C18-Fettsäure-Acyl-Acyl-Carrier-Proteinen in den Plastiden der Epidermalzellen. Thioesterasen hydrolysieren die Acyl-Gruppe und erzeugen freie Fettsäuren, die dann von CoA-Synthetasen zum Coenzym A verestert werden. Von dort wird das Molekül zum Endoplasmatischen Retikulum transportiert, wo es durch Fettsäure-Elongasen auf 20 bis 38 Kohlenstoffatome verlängert wird. Nach weiteren Modifikationen über den Alkohol- oder Alkan-Synthesepfad finden diese Verbindungen schließlich größtenteils als cuticuläres Wachs Verwendung.

Wie genau die Moleküle jedoch durch die Plasmamembran und die Zellwand transportiert werden, ist noch immer Gegenstand der Forschung. Vermutlich werden die Wachse vom Endoplasmatischen Retikulum zur Plasmamembran sekretiert und von dort von mindestens zwei ABC-Transportern durch die Plasmamembran zur extrazellulären Matrix befördert. Für die finale Ablagerung in der Cuticula gibt es derzeit sieben Kandidaten – allesamt Lipidtransferproteine.

Abiotische Funktionen der Cuticula

Weitgehend verstanden sind auch die abiotischen Funktionen der Cuticula. Die Wachsschicht war eine „Erfindung“ der Landpflanzen. Erst sie ermöglichte es den Pflanzen, vor rund 450 Millionen Jahren das Wasser zu verlassen. Mit der schützenden Wachsschicht wurde der Gasaustausch zwischen Zellen und Atmosphäre ins Pflanzen-Innere verlegt, um den Wasserverlust durch Verdunstung an Land zu begrenzen. Außerdem lieferte die Cuticula zusätzliche Stabilität in einer Welt, in der plötzlich die Schwerkraft auf die Pflanzen wirkte. Darüber hinaus bietet die Cuticula einen mechanischen Schutz vor Beschädigungen und eine Barriere gegen UV-Strahlung.

Belege für diese Funktionen zeigen auch die Anpassungsprozesse moderner Pflanzen. Bei Dürre verstärken sie die cuticuläre Wachsschicht, um Wasserverluste zu minimieren. Am Beispiel von Kohl dokumentierten Forscher zudem, dass sich auch die chemische Zusammensetzung der Cuticula bei Hitze und Trockenheit verändert. Der Anteil von Alkanen und Ketonen reduziert sich zu Gunsten von Aldehyden und primären Alkoholen. In Gerste hingegen ändert sich nicht die Zusammensetzung der Stoffgruppen, sondern es kommt zu einer Verkürzung der durchschnittlichen Länge der Fettsäureketten.

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Diese stofflichen Änderungen wiederum führen zu neuen physikochemischen Eigenschaften der Cuticula, insbesondere auch zu modifizierten Kristallstrukturen der Wachse. Raps beispielsweise bildet bei Hitze weniger filamentöse, dafür mehr plättchenartige Strukturen aus. Auch erhöhte UV-B-Strahlung induziert eine Verstärkung der Wachsschicht und Verkürzung der Kettenlängen. Die Oberfläche der Cuticula kann dann die Sonnenstrahlung stärker reflektieren.

Auch einige Regulationsfaktoren für solche Anpassungsprozesse sind schon bekannt. Bei der Ackerschmalwand scheinen unter anderem die Transkriptionsfaktoren MYB94 und MYB96 additiv an der Antwort auf Hitzestress beteiligt zu sein. WIN1/SHN1 reguliert direkt die Cutin-Biosynthese und nimmt so ebenfalls Einfluss auf die Wachs-Biosynthese.

Biotische Stressreaktionen der Cuticula

Besonders viele Fragen sind noch offen, wenn es um die spezifischen Interaktionen der Cuticula mit biotischen Stressfaktoren geht. Für Pathogene und tierische Schädlinge ist die Wachsschicht zunächst einmal eine physische Barriere. So beeinflusst die Struktur der Wachse, wie gut oder schlecht sich Bakterien oder Pilze dort anheften können. Besonders glatte und hydrophobe Oberflächen – am besten bekannt durch den Lotos-Effekt – verhindert nicht nur die Anlagerung von Staub oder Verunreinigungen, sondern erschweren auch eine Infektion.

Pilze scheinen darüber hinaus oftmals bestimmte Wachse zu benötigen, die zu einer Oberflächenstruktur führen, die ihnen das Wachstum dort erst ermöglicht – darunter C26- und C28-Aldehyde sowie primäre Alkohole. Generell scheinen sehr langkettige Aldehyde eine Voraussetzung dafür zu sein, dass sich Pilze auf den Blättern von Pflanzen gut entwickeln können. Hingegen reduzieren bei Mais C22-Fettsäuren, C22-Alkohole und C44-Wachsester die Keimbildung auf den Blättern.

Interaktion der Cuticula mit Mikroben

Cuticuläre Signale könnten dafür verantwortlich sein, dass abseits der eigentlichen Infektionsstelle die Abwehr gegen biotrophe Pathogene hochgefahren wird. Sowohl die an der Biosynthese der Wachse beteiligten Enzyme als auch die entsprechenden Transkriptionsfaktoren stehen im Verdacht, diesen Mechanismus zu steuern. Nachgewiesen werden konnte beispielsweise, dass der Transkriptionsfaktor MYB30 die hypersensitive Antwort auf bakterielle Stämme beschleunigt, indem er die Infektion durch programmierten Zelltod isoliert. Doch auch der umgekehrte Effekt wurde in einigen Fällen beobachtet: Der Transkriptionsfaktor MYB96 kann Infektionen begünstigen, da entsprechende Knock-out-Mutanten sich als besonders widerstandsfähig erwiesen haben.

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Die Struktur der Cuticula bestimmt, wie gut Insekten an Pflanzen anhaften können.

Die Struktur der Cuticula bestimmt, wie gut Insekten an Pflanzen anhaften können.

Bildquelle: © Hans Braxmeier / Pixabay / CC0

Die nachweislich negativen Regulatoren der Wachsbiosynthese, DEWAX und DEWAX2, führen überexprimiert dazu, dass auch Abwehrgene hochreguliert werden. Auch hier gibt es aber den umgekehrten Fall, in dem eine Knock-out-Mutante sich gegenüber einem bestimmten Pathogen als besonders anfällig erwiesen hat. Die am Wachstransport mutmaßlich beteiligten Lipidtransferproteine LTPG1 und LPTG2 hingegen tragen wohl zur Resistenz gegen spezifische Pathogene bei. Die konkreten Zusammenhänge und Mechanismen sind noch unbekannt, aber es ist inzwischen unbestritten, dass die Cuticula über Signale die Resistenz oder Anfälligkeit der Pflanze gegenüber mikrobiellen Pathogenen maßgeblich beeinflusst.

Interaktion der Cuticula mit Insekten

Ähnlich wie bei Mikroben kann eine glatte Wachsoberfläche auch Insekten den Halt erschweren und so die Pflanze vor Fraßschäden schützen. Generell scheinen lange und weniger dicht angeordnete Wachskristalle die Haftung von Insekten zu verschlechtern – was zumindest im Falle der Schildlaus gezeigt werden konnte. Ebenso scheinen es C22-Primäralkohole Insekten leichter zu machen als C22-Fettsäuren – vermutlich infolge der unterschiedlichen Benetzbarkeit. Auch hier gibt es allerdings Konstellationen, in denen beispielsweise eine verstärkte Wachsschicht bestimmte Insekten abhält, während sie die Anfälligkeit gegen andere zugleich erhöht. Zusätzlich haben die chemische Zusammensetzung und die physische Struktur der Wachsschicht Einfluss darauf, ob bestimmte Schädlinge dort ihre Eier ablegen.

Ausblick

Das Verständnis über die Funktionsweise der Cuticula zur Abwehr von biotischen und abiotischen Stressfaktoren ist in den vergangenen Jahren deutlich fortgeschritten. Doch besteht im Detail weiterhin großer Forschungsbedarf. Insbesondere müssen die Regulationsmechanismen, die die Wachsablagerung in der Cuticula als Reaktion auf verschiedene Stressoren steuern, und die Rolle der Cuticula-Komponenten als Signalmoleküle zur Stärkung oder Schwächung der Widerstandsfähigkeit weiter erforscht werden. Mit diesem erweiterten Wissen könnte dann auch die Pflanzenzüchtung leistungsfähigere Sorten mit veränderten Cuticula-Eigenschaften erzeugen.


Quelle:
Lewandowska, M. et al. (2020): Wax biosynthesis in response to danger: its regulation upon abiotic and biotic stress. In: New Phytologist, 227: 698–713, (03. April 2020), doi: 10.1111/nph.16571.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Schutzschild Cuticula: Die Wachsschicht war eine „Erfindung“ der Landpflanzen.  (Bildquelle: © Oleg Mityukhin/Pixabay/CC0)