Spezielle Transkriptionsregulation bei Pflanzen
Auf die Position kommt es an
Zwischen tierischen und pflanzlichen Zellen gibt es so einige Unterschiede – selbst bei so grundlegenden Vorgängen wie der Regulation der Transkription. Während die sogenannten Enhancer bei Tieren unabhängig von ihrer Position die Genaktivität verstärken, scheint das bei Pflanzen anders zu sein: Bei Pflanzen kommt es darauf an, wo im Genom sich diese Enhancer befinden – so das Ergebnis einer neuen Studie.
Lange Zeit war die Erde nur von einzelligen Lebewesen bevölkert. Doch irgendwann haben sich komplexe, mehrzellige Lebewesen entwickelt. Dieser wichtige Schritt in der Evolution ist sogar mindestens sechs Mal unabhängig voneinander geschehen – davon einmal bei den Tieren und einmal bei den Pflanzen.
So verwundert es nicht, dass viele der Herausforderungen, die sich aus der Mehrzelligkeit ergeben – Zell-Zell-Adhäsion und Kommunikation zum Beispiel – bei Pflanzen und Tieren ganz unterschiedlich funktionieren. Und obwohl in allen Zellen die DNA als Speicher für die Erbinformation dient, gibt es auch bedeutende Unterschiede dabei, wie diese Information abgelesen und in mRNA umgeschrieben wird.
Bisheriges Wissen stammt aus Hefen und Tieren
Vieles, was wir bisher über die Vorgänge bei der Transkription bei Eukaryonten wissen, beruht auf Untersuchungen von Hefepilzen und Tierzellen. An Pflanzen wurde dieses Thema bisher kaum erforscht. Eine neue Studie, die vor kurzem im Fachjournal Nature erschienen ist, hat sich daher jetzt speziell auf die Transkriptionsregulation in Pflanzen konzentriert.
„Wir wollten uns ganz unvoreingenommen Pflanzen anschauen und dadurch Mechanismen und Prozesse entdecken, die nur bei Pflanzen vorkommen“, sagt Dr. Yoav Voichek, Postdoc in der Arbeitsgruppe von Professor Magnus Nordborg am Gregor-Mendel-Institut (GMI) für Molekulare Pflanzenbiologie und einer der Autoren der Studie. Ebenfalls an der Studie beteiligt war Professor Detlev Weigel vom Max-Planck-Institut für Biologie in Tübingen.
Position der Enhancer ist entscheidend
Die Forschenden suchten bei vier Pflanzen – Mais (Zea mays), Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), Tomate, (Solanum lycopersicum) und Wildtabak (Nicotiana benthamiana) – nach Sequenzen, die die Transkription positiv beeinflussen. Sie fanden einen solchen Enhancer, der sich etwa 500 Basenpaare unterhalb der Transkriptions-Startstelle (TSS) zahlreicher Gene befindet Das Besondere an ihm: Er ist nur an dieser Position aktiv.
„Überaschenderweise beeinflusst die Position dieser regulatorischen Sequenzen ihre Wirkung. Wenn wir sie vor die TSS verschieben, dann treiben sie die Transkription nicht mehr an“, sagt Voichek.
Dieses Ergebnis steht in starkem Kontrast zu Enhancern bei Tieren, die unabhängig von ihrer Position wirken können. Es bestätigt hingegen auch frühere Studien, die gezeigt haben, dass regulatorische Sequenzen in Pflanzen ihre Aktivität verändern, wenn ihre Position relativ zur TSS verändert wird.
Ein DNA-Motiv ist in allen Gefäßpflanzen konserviert
Innerhalb der Enhancer gibt es zahlreiche DNA-Motive, also Sequenzen von nur wenigen Basenpaaren, die von unterschiedlichen Transkriptionsfaktoren gebunden werden können. Allein Arabidopsis besitzt über 1500 unterschiedliche Transkriptionsfaktoren. Aufgrund dieser Diversität haben einzelne DNA-Motive normalerweise nur einen kleinen Einfluss auf die Genexpression. Doch die Forschenden fanden eine Ausnahme:
Das GATC-Motiv hatte einen besonders starken Effekt auf die Genexpression. „Je öfter dieses Motiv nach der TSS vorkommt, desto stärker wird das Gen exprimiert“, fasst Voicheck zusammen. Es ist evolutionär in allen Gefäßpflanzen konserviert und wird von sogenannten GATA-Transkriptionsfaktoren gebunden. „Unsere Studie verändert das Verständnis der Transkriptionsregulation in Pflanzen und unterstreicht, dass wir Transkription in diversen Organismen untersuchen müssen, um unser Verständnis der Biologie zu erweitern.“
Wirkmechanismus noch unklar
Als nächstes wollen die Forschenden untersuchen, wie genau die Position von Enhancern im pflanzlichen Genom ihren Wirkmechanismus beeinflusst. Eine Idee hätten sie schon: „Wir können uns vorstellen, dass die ausgeprägte dreidimensionale Genomarchitektur in Pflanzen, die durch im Vergleich zu Tieren sehr dicht gepackte Gene charakterisiert ist, vielleicht unterschiedliche örtliche Bedingungen auf jeder Seite der TSS erzeugt. Aber auch viele andere Szenarien sind denkbar“, schreiben die Autoren in ihrem Paper.
Quelle:
Voichek, Y., Hristova, G., Mollá-Morales, A. et al. Widespread position-dependent transcriptional regulatory sequences in plants. Nat Genet 56, 2238–2246 (2024). https://doi.org/10.1038/s41588-024-01907-3
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Titelbild: Ein erstaunliches Ergebnis der Studie: Ein GATC-Motiv stromabwärts der Transkriptionsstartstelle wirkt bei Pflanzen wie ein Rheostat (ein elektrisches Bauteil, das den Widerstand in einem Stromkreis variabel einstellen kann) und feinjustiert so die Transkription in verschiedenen Zellen. (Bildquelle: © GMI)