Transgenfrei und effizient
Virusbasierte Genomeditierung spart Zeit und komplexe Laborschritte

Forscher:innen haben mit einem winzigen CRISPR-System die DNA von Arabidopsis thaliana so verändert, dass deren Nachkommen weiß sind. (Bildquelle: © Steven Jacobsen Lab / UCLA)
Forschende zeigen, wie sich mit einer neuartigen Mini-Gen-Schere und einem gewöhnlichen Pflanzenvirus gezielt Gene verändern lassen. Der Clou: Die Methode kommt ohne aufwendige Gewebekultur aus – und die daraus entstehenden Pflanzen enthalten keine fremde DNA.
In der modernen Pflanzenzüchtung ist der präzise Eingriff ins Erbgut längst nicht mehr ein Zukunftsversprechen. Die Genom-Editierung erlaubt es, einzelne Buchstaben der DNA zu verändern – etwa um Nutzpflanzen widerstandsfähiger gegen Schädlinge zu machen oder ihren Wasserbedarf zu senken. Die bekannteste Methode dafür ist CRISPR/Cas9, eine molekulare DNA-Schere. Doch einige Herausforderung blieben bislang: Zum einen müssen die Gen-Scheren in die Pflanzenzellen gelangen. Zum anderen sollen die transgenen Werkzeuge nicht mitvererbt werden.

Elektronenmikroskopische Aufnahme des Tobacco Rattle Virus (TRV).
Bildquelle: © Dr. John Antoniw / Wikipedia
Die klassische Genomeditierung in Pflanzen benötigt zudem auch aufwendige Gewebekulturverfahren: Dabei werden kleine Gewebestücke mithilfe von Agrobakterien mit einem Konstrukt ausgestattet, das die klassische Gen-Schere codiert – etwa Cas9 und die passende guide-RNA. Diese werden als Transgene in einzelne Zellen eingebracht, die dann gezielt verändert und auf Nährmedien kultiviert werden, um daraus vollständige Pflanzen zu regenerieren. Der Prozess ist zeitintensiv, teuer und bei vielen Kulturarten wie Bohne oder Weizen technisch kaum praktikabel. Zudem müssen die transgenen Bestandteile später durch Kreuzung oder andere Verfahren wieder entfernt werden.
Klein genug, um ins Virus zu passen
Die Idee, die Genomeditierung durch Verwendung von Pflanzenviren als Vehikel zu vereinfachen, ist nicht neu. Doch bisher scheiterten viele Ansätze daran, dass klassische CRISPR-Systeme wie Cas9 schlicht zu groß für die begrenzte Transportkapazität der Viren sind. Genau hier setzt ein neues Verfahren an, an dem auch die CRISPR-Pionierin und Nobelpreisträgerin Jennifer Doudna mitgewirkt hat: ISYmu1 – ein kompakter, evolutionärer Vorläufer von Cas9 – besteht aus nur rund 400 Aminosäuren und passt damit problemlos in das Tabakrattle-Virus (TRV). Zum Vergleich: Cas9 bringt es auf über 1.300 Aminosäuren. Auch die dazugehörige guide-RNA, die das Enzym zur Zielsequenz im Genom lenkt, kann gemeinsam mit ISYmu1 im Virus untergebracht werden. Eingeschleust wird das virale System zunächst über Agrobacterium tumefaciens, das als Vektor fungiert. Erst in den Pflanzenzellen wird das Virus aktiv, vervielfältigt sich und verteilt das Editierwerkzeug systemisch in der Pflanze.

Bei einer Infektion verursacht das Tabakrattle-Virus (TRV) typische Blattmuster und nekrotische Flecken („Rattle“-Symptome). In der Studie wurde TRV in abgewandelter Form als Vektor zur Genomeditierung eingesetzt – ohne dabei Krankheitssymptome auszulösen.
Bildquelle: © F. Bem, Benaki Phytopathological Institute / Wikipedia
Dann wird auch das Editier-Konstrukt aktiv und verändert gezielt die gewünschten Gene. Diese Veränderung erreicht auch die Keimbahnzellen, also jene Zellen, aus denen die Samen entstehen. Damit ist sichergestellt, dass die Veränderung an die nächste Pflanzengeneration weitergegeben wird. Da Pflanzen jedoch Mechanismen entwickelt haben, die verhindert, dass Viren in Samenzellen gelangen, wird das Virus selbst samt seines Genom-Editierungssystems nicht mitvererbt. Die Nachkommen sind damit immer Transgen-frei.
Erfolgreicher Test mit Arabidopsis
Getestet hat das Team die Methode an der Modellpflanze Arabidopsis thaliana. Um den Erfolg der Editierung sichtbar zu machen, wählten die Forschenden Zielgene wie PDS3, das an der Bildung von Blattpigmenten beteiligt ist. Knock-out-Mutationen führen hier zu auffälligen weißlichen Verfärbungen – ein praktischer Marker, um direkt an der Pflanze zu erkennen, ob das gewünschte Gen erfolgreich verändert wurde.
Nach drei Wochen zeigten viele Pflanzen tatsächlich die typischen weißen Blattflecken – ein Hinweis auf erfolgreiche Editierung. Aus den Samen einzelner TRV-infizierter Mutterpflanzen wuchsen Nachkommen heran, bei denen die Genveränderung fest im Erbgut verankert war. In einer dieser Pflanzenlinien trugen über 60 Prozent der Nachkommen die gewünschte Mutation.
Wenig Off-Target-Effekte …
Genetische Werkzeuge wie CRISPR/Cas9 stehen immer wieder in der Kritik, weil sie auch an unbeabsichtigten Stellen im Genom schneiden könnten – sogenannte Off-Target-Effekte. Um das auszuschließen, untersuchten die Forschenden das Erbgut mehrerer edierter Pflanzen mithilfe einer hochauflösenden Vollgenomsequenzierung. Dabei fanden sie zwar viele genetische Unterschiede im Vergleich zur Referenzpflanze, doch der Großteil dieser Varianten war auch in nicht-editierten Kontrollpflanzen vorhanden – es handelte sich also um natürliche oder spontane Mutationen. Nach Abzug dieser Hintergrundvarianten blieben pro Pflanze nur vier bis fünf zusätzliche Veränderungen übrig. Diese lagen jedoch nicht in der Nähe potenzieller Zielsequenzen der Gen-Schere. Die Forschenden werten sie daher nicht als Fehler des ISYmu1-Systems, sondern als weitere zufällige genetische Varianten, wie sie bei jeder Pflanzenvermehrung auftreten können. Das spricht für eine hohe Präzision des eingesetzten Werkzeugs.
… aber noch methodische Einschränkungen
Joram erklärt die Genschwere CRISPR/Cas9 - ausgezeichnet im Fast Forward Science Webvideo-Wettbewerb.
Videoquelle: © erforschtCRISPR/Youtube.com
Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es jedoch noch mehrere Einschränkungen. Erstens lassen sich insbesondere Getreidearten bislang nur schwer mit TRV infizieren – obwohl das Virus mehr als 400 Pflanzenarten befallen kann. Dieses Problem ließe sich möglicherweise umgehen, indem künftig auch andere Pflanzenviren in ähnlicher Weise als Vektoren genutzt werden. Zweitens ist die Editierungseffizienz derzeit meist noch geringer als bei Cas9, konnte jedoch bereits durch Hitzebehandlung und den Einbau eines speziellen RNA-Elements deutlich verbessert werden. Drittens erfordern viele züchterische Anwendungen die gleichzeitige Veränderung mehrerer Gene, was mit CRISPR-Cas9 bereits möglich ist – ein Ziel, das die Forschenden als Nächstes verfolgen wollen. Hinzu kommt, dass ISYmu1 nur eine sehr spezifische Zielsequenz (TTGAT) erkennt. Diese Sequenz – auch PAM-Sequenz genannt (für protospacer adjacent motif) – muss direkt neben der zu verändernden DNA-Stelle liegen, damit das Enzym aktiv werden kann. Da TTGAT im Genom nur selten vorkommt, ist die Zahl potenzieller Zielorte stark begrenzt. Moderne Cas-Editoren hingegen erkennen ein deutlich breiteres Spektrum solcher PAM-Sequenzen und lassen sich dadurch viel flexibler einsetzen. Auch hierfür gibt es jedoch Ansatzpunkte: Es existieren weitere TnpB-Verwandte, die andere Sequenzmotive erkennen und somit das Einsatzspektrum deutlich erweitern könnten.
Doch schon jetzt bietet die Methode einen vielversprechenden Ansatz für eine einfache, schnelle und transgenfreie Pflanzenzüchtung – zumindest für bestimmte Anwendungen. Besonders interessant ist das in Weltregionen, in denen moderne Labortechnik bislang aus Kostengründen kaum verfügbar war.
Quelle:
Weiss, T. et al. (2025): Viral delivery of an RNA-guided genome editor for transgene-free germline editing in Arabidopsis. In: Nature Plants, online (22. April 2025). doi: 10.1038/s41477-025-01989-9.
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Titelbild: Forscher:innen haben mit einem winzigen CRISPR-System die DNA von Arabidopsis thaliana so verändert, dass deren Nachkommen weiß sind. (Bildquelle: © Steven Jacobsen Lab / UCLA)