Power durch Genschere - so geht Aktivierung!
"Knock-in" mit CRISPR bei Reispflanzen
Das Ausschalten von Genen mit Hilfe der Genschere CRISPR ist inzwischen eine etablierte Methode. Dabei kann man auch genau das Gegenteil damit erreichen: die Überexpression von bestimmten Genen. Auf diese Weise können wichtige phänotypische Eigenschaften wie Pflanzenhöhe, Blühzeitpunkt oder Resistenzen beeinflusst werden. Doch bis diese Methode routinemäßig angewendet werden kann, gibt es noch einige technische Hürden zu überwinden.
Wie groß wird die Ähre? Wie viele Körner bildet sie aus? Und wie resistent ist die Pflanze gegenüber Krankheitserregern? Solche phänotypischen Eigenschaften werden nur zum Teil dadurch bestimmt, welche Gene im Genom vorkommen. Ebenso wichtig ist die Genregulation, also zu welchem Zeitpunkt und wie stark diese Gene aktiviert werden.
Ein Team aus chinesischen Forschenden um Qi Yao von der Shanghai Jiao Tong Universität hat jetzt in einer Machbarkeitsstudie an der wichtigen Nutzpflanze Reis (Oryza sativa) eine neue Methode vorgestellt, mit deren Hilfe man die Expression von Genen gezielt verstärken kann. Das Werkzeug dafür: die Genschere CRISPR. Sie wird schon seit längerem dazu genutzt, Gene präzise auszuschalten, kann jedoch auch die gegenteilige Funktion haben, wenn man mit ihrer Hilfe Genexpressions-Verstärker in die Promoter-Region von Genen einfügt.
Enhancer verstärken die Genexpression
Um diesen Effekt zu erreichen, nutzten die Forschenden sogenannte Short Transcriptional Enhancers, auch STEs genannt. Diese DNA-Fragmente kommen natürlicherweise im Genom von Pflanzen oder auch Viren vor. Es sind bisher jedoch nur sehr wenige STEs bekannt und die meisten pflanzlichen STEs sind zu lang, als dass sie mit CRISPR effektiv und präzise eingefügt werden können.
Der Enhancer STEvs003 aus dem viralen 35S-Promoter beispielsweise ist sehr effektiv. In einem Fall erhöhte er die Genexpression pflanzlicher Gene um das mehr als Zweitausendfache. Da er allerdings mit einer Länge von 254 Basenpaaren zu lang ist, testeten die chinesischen Wissenschaftler:innen auch verkürzte Versionen dieses STEs und wurden fündig.
Neue Enhancer aus Reis und Viren
Der auf 123 Basenpaare verkürzte Enhancer STEvs11 zeigte eine ähnlich starke Aktivität. Fügten sie diesen STE in die Promoter-Region von acht verschiedenen Genen ein, so wurden diese viel stärker abgelesen als bei Wildtyp-Pflanzen. Der stärkste Effekt war eine fast tausendfache Verstärkung der Transkription des Gens RFTI. Auch im Reisgenom selbst suchten und fanden die Forschenden 106 neue potente STEs, die die Genaktivität um das 5 bis 67-Fache steigerten.
„Durch Kombination unterschiedlicher STEs konnten wir eine präzise Kontrolle der Genexpression erreichen und dadurch wichtige phänotypische Eigenschaften, wie zum Beispiel die Pflanzenhöhe, fein austarieren“, schreiben die Autoren in ihrem Paper. Wichtig ist auch: Der Effekt war vererbbar und kann mindestens bis an die Urenkelgeneration weitergegeben werden.
Methode etabliert sich
„Das Paper ist eine wichtige Machbarkeitsstudie, die eindrucksvoll zeigt, dass relativ kurze Enhancersequenzen verwendet werden können, um die Expression von endogenen Pflanzengenen hochzuregulieren“, kommentiert Dr. Tobias Jores die Ergebnisse. Der Wissenschaftler forscht im CEPLAS-Cluster of Excellence on Plant Sciences an der Universität Düsseldorf ebenfalls zu pflanzlichen Enhancern. Er schränkt jedoch ein, dass die von den chinesischen Forschenden „neu entwickelte Methode“ zur Charakterisierung von STEs dem von ihm entwickelten und 2020 publizierten Plant STARR-seq sehr ähnlich sei (Jores et al., 2020, doi: 10.1105/tpc.20.00155 ) und auch die verwendete Methode zur gezielten genomischen DNA-Insertion bereits publiziert wurde (Lu et al., 2020, doi: 10.1038/s41587-020-0581-5).
Routinemäßige Anwendung noch nicht absehbar
Bevor STEs zur Optimierung von Nutzpflanzen zur breiten Anwendung kommen, müssen zudem noch einige Herausforderungen bewältigt werden. Die Autoren der aktuellen Studie nennen neben off-target Effekten, also dem Einfügen der STEs an der falschen Stelle im Genom, auch die noch geringe Verfügbarkeit von effizienten STEs.
„Ein weiteres Problem ist, dass unser Verständnis der pflanzlichen Genregulation noch nicht ausreicht, um Vorhersagen darüber zu treffen, welchen Einfluss die eingefügten STEs haben werden“, ergänzt Jores. „Beispielsweise führte in dieser Studie die STEvs011 Sequenz je nach Gen zu einer zehn- bis tausend-fach erhöhten Expression. Daher müssen wahrscheinlich oft mehrere verschiedene Sequenzen ausprobiert werden, um solche zu finden, die den gewünschten Effekt haben. Das ist natürlich mit viel Aufwand und Zeit verbunden.“
Auch sei die gezielte Insertion selbst kurzer DNA-Sequenzen in das Genom von Nutzpflanzen technisch sehr anspruchsvoll und bisher nur in wenigen Ausnahmen – zum Beispiel bei Reis – mit ausreichender Effizienz möglich. Es ist also noch einiges an Forschung nötig, bevor STEs als routinemäßiges Werkzeug in Pflanzenforschung und -züchtung zum Einsatz kommen können.
Quelle:
Yao Q., et al. (2024): Efficient and multiplex gene upregulation in plants through CRISPR/Cas-mediated knock-in of enhancers. Molecular Plant. Doi: https://doi.org/10.1016/j.molp.2024.07.009
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Gute Prognose – Künstliche Intelligenz erkennt Promotorstärke
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- Schneller züchten dank Künstlicher Intelligenz – KI sagt Genexpressionsmuster voraus
Titelbild: Um die Eigenschaften der Reispflanzen zu verbessern, könnte man gezielt ausgewählte Gene überexprimieren. (Bildquelle: © Oliver Spalt, gemeinfrei / Wikipedia, CC BY 2.0)