Verdauen um zu wachsen
Makroautophagie steuert in den Wurzelspitzen von Arabidopsis die Entstehung lateraler Wurzeln
Pflanzenzellen müssen mit ihren Ressourcen haushalten. Steht als Reaktion auf Umwelteinflüsse ein Umbau des Proteoms an, verdaut die Zelle sich teilweise und recycelt die Abbauprodukte (Autophagie). Jetzt zeigt eine Studie: Ein ähnlicher Prozess liegt der Wachstumsregulation von lateralen Wurzeln zugrunde.
Anders als bei Primärwurzeln bestimmen spezifische Wachstumsbedingungen die Architektur lateraler Wurzeln. Sie werden in vier Schritten ausgebildet, beginnend mit der Positionierung ihrer Gründerzelle. Zeitlich spielt dabei die Wurzeluhr eine Rolle, die in Zyklen von vier bis sechs Stunden die Genexpression reguliert. Die Uhr selbst wird dabei unter anderem durch das Phytohormon Auxin gesteuert.
Das Forschungsteam hatte bei vorherigen Arbeiten herausgefunden, dass Autophagie an der Reprogrammierung und Differenzierung von Stammzellen in den entfernt verwandten Arten Physcomitrium patens und Arabidopsis beteiligt ist. Da die hormonelle Umprogrammierung von Stammzellen in Arabidopsis ein ähnliches Entwicklungsprogramm durchläuft wie die Initiierung der Bildung lateraler Wurzeln, wurden die Forscher:innen neugierig: Könnten hier auch wichtige Regulatoren durch Autophagie moduliert werden?
Autophagie: Mehr als eine Müllabfuhr
Die frühere Annahme, dass Zellen mit der Autophagie nur „Müll“ entsorgen, ist längst überholt. Bei der Autophagie kommt es zur Bildung einer Isolationsmembran, die einen Teil des Cytoplasmas umschließt und ein Vesikel mit doppelter Membran, das Autophagosom, bildet. Ursprünglich wurde die Autophagie bei Hungerstress als ein Massenabbauprozess angesehen, da man beobachtete, dass Teile des Cytoplasmas scheinbar wahllos „verschlungen wurden“. Weitere Studien enthüllten die Existenz mehrerer selektiver Ladungsadapter, die einen gezielten Abbau von Zellbestandteilen ermöglichen. Die Autophagie kann daher sehr selektiv sein und an einem gezielten Umbau der Zelle teilnehmen.
Um die Rolle der Autophagie bei der Bildung lateraler Seitenwurzeln zur untersuchen, erzeugten die Forscher:innen verschiedene Mutanten: Solche, die nicht zur Autophagie fähig sind, sowie Mutanten, denen der Rezeptor NBR1 fehlt. Dieser wird benötigt, um die Fracht der Autophagen dem Abbau zuzuführen. In beiden Fällen häufte sich im Vergleich zum Wildtyp der Auxin-regulierte Transkriptionsfaktor ARF7 an, der die Bildung der lateralen Wurzeln reguliert. Außerdem scheint ARF7 zum Uhrwerk der Wurzeluhr zu gehören. Denn nur wenn die ARF7-Konzentration korrekt oszilliert, werden laterale Wurzeln normal gebildet. Noch stärker häufte sich ARF7 an, wenn die Forscher:innen das Proteasom inhibierten.
Autophagie baut ARF7 ab
Um zu untermauern, dass Autophagie daran beteiligt ist, ARF7 abzubauen, testete das Team mittels Co-Immunopräzipitation, ob der Transkriptionsfaktor mit NBR1 oder ATG8 interagiert. ATG8 ist ein unverzichtbares Protein in der Autophagie, das sowohl bei der Bildung und Erweiterung von Autophagosomen als auch bei der selektiven Erkennung und dem Abbau von zellulärem Material eine zentrale Rolle spielt. Das Experiment bestätigte, dass ARF7 über eine spezifische Autophagie abgebaut wird, die wesentlich über NBR1 vermittelt wird.
Lokalisationsversuche zeigten anschließend, dass sowohl NBR1 als auch ATG8 häufig mit ARF7 im Cytoplasma co-lokalisieren. Das Ausmaß veränderte sich jedoch mit der Zeit. Somit könnte die Lokalisation von ARF7 im Cytoplasma durchaus mit dem zyklischen Proteom-Umbau zusammenhängen, und dieser zumindest teilweise mittels Autophagie erfolgen. Sogenannte Western Blots, die ARF7 im Wildtyp in einem zeitlichen Verlauf abbildeten, bestätigten das oszillierende Muster. Störten die Forscher:innen die Autophagie, verschwand die rhythmische Variation. Auch das Transkriptionsniveau des Gens LBD16, das direkt durch ARF7 reguliert ist, oszillierte nicht länger. LBD16 codiert ebenfalls für einen Transkriptionsfaktor, der entscheidend ist für die Entwicklung von lateralen Organen und Wurzeln. In dieser Situation bildeten sich deutlich weniger Verzweigungspunkte an den Wurzeln.
Auxin lässt ARF7 im Cytosol kondensieren
Eine offene Frage war weiterhin, wie Auxin als Regulator von ARF7 dessen Umsatz beeinflusst. Behandelten die Forscher:innen Setzlinge mit Auxin, setzte bald darauf eine Autophagie ein und ARF7 lokalisierte an zahlreichen Punkten im Cytosol. Somit führt Auxin zur Kondensation des Transkriptionsfaktors. Auch ATG8 nahm massiv zu und co-lokalisierte vor allem in der Oszillationszone und der Reifungszone mit ARF7, weniger im Meristem. Auxin verhindert somit, dass der Transkriptionsfaktor ARF7 in größeren Mengen in den Zellkern und zu seinen Zielgenen gelangen kann.
Da die Oszillation von ARF7 an Autophagie gebunden ist, stellt sich die Frage, ob eine gestörte Autophagie weitere regulatorische Funktionen von ARF7 beeinträchtigt. In der Tat: atg-Mutanten, in denen die ARF7-Konzentration nicht oszilliert, entwickeln lateralen Wurzeln in geringerer Dichte.
Gestörte Autophagie bedeutet weniger laterale Wurzeln
Zusammengefasst folgt die Aktivität von ARF7 einem Wellenmuster, das durch Autophagie hervorgerufen wird. Ist dieses Wellenmuster gestört, weil die Autophagie gestört ist, häuft sich ARF7 an und unterbindet die Auxin-induzierte Umprogrammierung des Proteoms. Im konkreten Fall bedeutet das weniger laterale Wurzeln. Umgekehrt könnte die Pflanzenzüchtung das neu gewonnene Verständnis nutzen, um gezielt Pflanzen mit einem stärkeren Wurzelsystem zu entwickeln. Diese wären dann widerstandsfähiger gegen die durch den Klimawandel zunehmenden Trocken- und Hitzeperioden.
Quelle:
Ebstrup, E., et al. (2024): „NBR1-mediated selective autophagy of ARF7 modulates root branching.“ In: EMBO Reports, online (29. April 2024). doi: 10.1038/s44319-024-00142-5.
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Titelbild: Autophagie, also die Verdauung spezifischer Zellbestandteile, ist die Voraussetzung für die korrekte Bildung von Seitenwurzeln bei Arabidopsis-Pflanzen (Symbolbild). (Bildquelle: © Pflanzenforschung.de, erstellt mit DALL·E)