„Virulentes“ Gen-Cluster

Schadpilzgene aktivieren in Mais die Auxinproduktion und erleichtern so die Infektion

22.08.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Diese Maispflanze ist mit dem Pilz Ustilago maydis infiziert. (Bildquelle: © Mamoona Khan)

Diese Maispflanze ist mit dem Pilz Ustilago maydis infiziert. (Bildquelle: © Mamoona Khan)

Mit chirurgischer Präzision schwächt der Maisbrandpilz die Abwehr seines Wirtes: Mehrere Gene erzeugen Effektoren, die an das Topless-Protein von Mais binden und spezifisch die Auxinproduktion erhöhen. Der Pilz kann sich dadurch leichter in der Pflanze ausbreiten.

Die Interaktion zwischen mikrobiellen Pathogenen und deren Wirten ist ein regelrechtes biochemisches Wettrüsten. Eine Schlüsselkomponente dabei ist das Pflanzenhormon Auxin. Jetzt haben Forscher:innen der Universität Bonn gemeinsam mit weiteren Forschungsgruppen einen Mechanismus beschrieben, wie der Schadpilz Ustilago maydis (Maisbeulenbrand) in Mais die Auxinproduktion aktiviert, um damit optimale Bedingungen für eine Infektion zu schaffen.

Krankheitssymptome auch ohne Pilz-Auxin

Auxine haben in Pflanzen viele Aufgaben, von der Zellteilung über die Differenzierung bis zur Organausbildung. Weil Auxine als Signalmoleküle für die Genregulation dienen, spielen sie auch eine wichtige Rolle bei der Wechselwirkung zwischen Pathogen und Pflanze. Das wichtigste Auxin ist Indol-3-Essigsäure. Einige Mikroorganismen produzieren selbst Indol-3-Essigsäure und erleichtern damit die Infektion und ihre Vermehrung, indem sie damit in die pflanzliche Entwicklung eingreifen.

Auch bei einem Befall mit Maisbeulenbrand steigt im infizierten Gewebe die Auxinkonzentration und die Aktivität einiger Pflanzengene wird transkriptionell hochreguliert. Werden im Maisbeulenbrand die Gene zur Produktion von Indol-3-Essigsäure ausgeschaltet, ist die Auxinkonzentration im Maisgewebe zwar reduziert, doch die Krankheitssymptome sind dennoch unvermindert ausgeprägt: Es bilden sich tumorartige Gewebewucherungen, sogenannte Gallen, die zur Größe eines Kinderkopfes wachsen können. Dieses massive Wachstum raubt der Pflanze Energie, die sonst zur Abwehr der Infektion zur Verfügung stünde. Außerdem findet der Pilz in den Wucherungen Platz und Nährstoffe, um sich schnell zu vermehren.

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Das Molekül Topless (TPL) unterdrückt in der Pflanze normalerweise den Auxin-Signalweg (AUX). Die fünf Tip-Effektoren des Pilzes heben diese Hemmung auf, sodass die Maiszellen wachsen und sich teilen können.

Das Molekül Topless (TPL) unterdrückt in der Pflanze normalerweise den Auxin-Signalweg (AUX). Die fünf Tip-Effektoren des Pilzes heben diese Hemmung auf, sodass die Maiszellen wachsen und sich teilen können.

Bildquelle: © Armin Djamei/ Universität Bonn

Sechs Pilzgene aktivieren die Produktion von Mais-Auxin

Der Infektionserfolg des Pilzes, der kein eigenes Auxin mehr bilden kann, ließ bei den Forscher:innen eine Vermutung aufkommen: Der Mikroorganismus verfügt über zusätzliche Mechanismen, um die Entwicklung der Maispflanze zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Das Team suchte daher nach Pilzgenen, die in den Auxin-Signalweg der Maispflanze eingreifen.

Über den Auxin-Signalweg in Pflanzen ist bereits einiges bekannt. So gibt es mit den sogenannten Topless-Proteinen eine Familie, die in fast allen Landpflanzen existiert. Sie interagiert mit zahlreichen Signalmolekülen unterschiedlicher Signalwege.

Mithilfe genetischer, biochemischer und zellbiologischer Ansätze sowie Methoden der Informatik identifizierten die Forscher:innen sechs Effektorgene, die in Mais die Auxinproduktion ankurbeln. Fünf dieser Gene liegen beisammen in einem Gencluster, von dem bereits bekannt war, dass er für die Virulenz des Pilzes eine wichtige Funktion hat. Die Proteine dieser fünf Gene interagieren mit einem Topless-Protein. Das Forschungsteam nannte sie deshalb Tip1 bis Tip5 (topless interacting protein).

Tip-Effektoren beeinflussen Auxin-Signalweg auch in anderen Pflanzenarten

Diese fünf Tip-Effektoren konkurrieren mit anderen regulatorischen Molekülen um eine Bindungsstelle am Topless-Protein. Sowohl in einkeimblättrigen Maispflanzen als auch in zweikeimblättrigen Modellpflanzen wie der Ackerschmalwand heben sie so die Repression der Auxinproduktion auf. Dabei wirken alle fünf Tip-Effektoren redundant, wie die Studie anhand von Stämmen zeigen konnte, bei denen jeweils vier der Effektoren genetisch ausgeschaltet waren. Andere Stoffwechselprozesse, an deren Regulation das Topless-Protein beteiligt ist und die für die Infektion mit dem Maisbeulenbrand unbedeutend sind, werden von den Tip-Effektoren bemerkenswerterweise nicht beeinflusst.

Da das Topless-Protein im Pflanzenreich weit verbreitet ist, testeten die Forscher:innen, ob die Tip-Effektoren auch in die Auxin-Signalwege anderer Arten eingreifen – und fanden das bestätigt. Mit den nun vorliegenden Studienergebnissen können die Infektionsprozesse besser verstanden werden und eröffnen gleichzeitig neue Möglichkeiten, eines Tages resistentere Sorten zu entwickeln. Eine chemische Bekämpfung des Pilzes ist bislang kaum möglich. Der beste Pflanzenschutz besteht derzeit darin, das Maissaatgut mit einer Beize zu beschichten, um einem Befall mit der Fritfliege vorzubeugen. Diese Insekten erzeugen Verletzungen an jungen Pflanzen, über die der Pilz leicht ins Pflanzengewebe eindringen kann.


Quelle:
Bindics, J. et al. (2022): Many ways to TOPLESS – manipulation of plant auxin signalling by a cluster of fungal effectors. In: New Phytologist, (online 9. August 2022), doi: 10.1111/nph.18315.

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Titelbild: Diese Maispflanze ist mit dem Pilz Ustilago maydis infiziert. (Bildquelle: © Mamoona Khan)