Virus-induzierte Genomeditierung bei Nachtschattengewächsen

Schneller zu transgenfreien Sorten

13.01.2025 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Elektronenmikroskopische Aufnahme des Kartoffelvirus X (PVX). Die Viruspartikel (Virionen) können genutzt werden, um das Erbgut von Pflanzenzellen zu editieren – ohne Einbau von Fremdgenen. (Bildquelle: © D.-E. Lesemann, ICTV Report on Virus Taxonomy, 2019 Release / Wikiemedia CC BY-SA 4.0)

Elektronenmikroskopische Aufnahme des Kartoffelvirus X (PVX). Die Viruspartikel (Virionen) können genutzt werden, um das Erbgut von Pflanzenzellen zu editieren – ohne Einbau von Fremdgenen. (Bildquelle: © D.-E. Lesemann, ICTV Report on Virus Taxonomy, 2019 Release / Wikiemedia CC BY-SA 4.0)

Eine virusinduzierte Methode der Genomeditierung erzeugt mit hoher Editierungsrate sofort transgenfreie Tomaten-, Kartoffeln- und Auberginenpflanzen. Macht man es dem Cas9-Enzym durch höhere Temperaturen gemütlicher, steigt die Mutationsrate noch weiter.

Gleich und doch nicht gleich – so könnte man genomeditierte Pflanzen im Vergleich mit jenen aus klassischer Züchtung beschreiben. Denn Erbgutveränderungen, die an einer Pflanze durch CRISPR/Cas und ähnliche Methoden erfolgt sind, könnten genauso gut durch klassische Züchtung oder natürliche Mutation entstehen. Trotzdem gelten in mehr als 30 Ländern für genomeditierte Pflanzen besondere Gesetze und Richtlinien. Gefordert wird häufig der Nachweis, dass keine Nicht-Zielgene verändert wurden und dass sich keine artfremde DNA im Genom befindet. Beides ist heute möglich.

Molekulare Tests wie PCR, Next-Generation-Sequencing und Southern Blot können bestätigen, dass nur das Zielgen editiert worden ist. Derzeit gibt es jedoch keinen einheitlichen regulatorischen Standard, wie Genomeditierungen zu validieren sind. Forscher:innen und Pflanzenzüchter:innen wünschen sich daher eine Harmonisierung dieser Vorgaben. Nicht zuletzt fordern die Fachleute, fallbasiert zu entscheiden, statt starr zu kategorisieren. Denn die Schwächen früherer Methoden der Genomeditierung haben einige neue Technologien bereits überwunden.

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An Tomatenpflanzen entwickelte ein Forschungsteam eine neue Methode der Virus-induzierten Genomeditierung.

An Tomatenpflanzen entwickelte ein Forschungsteam eine neue Methode der Virus-induzierten Genomeditierung.

Bildquelle: © SmadsenHardy / Wikimedia; CC-BY-SA-4.0

Virus-induziertes Editierungssystem

Ein Beispiel dafür sind neue Genomeditierungstechniken bei Nachtschattengewächsen wie Tomaten, Kartoffeln und Auberginen. Hier ist es Forscher:innen gelungen, mit Virus-induzierten Editierungssystemen zwei schnelle und einfache Methoden zu etablieren, die auch in der Pflanzenzüchtung anwendbar sind. Eine davon erzeugt Pflanzen, die frei von Transgenen sind. Beide vermeiden zudem den langwierigen Prozess, in Gewebekulturen stabile transgene Linien zu erzeugen, die die single guide RNA (sgRNA) exprimieren. Die sgRNA ist erforderlich, um den Editierungsmechanismus des CRISPR/Cas9-Systems ans gewünschte Ziel im Genom zu lenken.

Zwar ist es heute möglich, durch Segregation in weiteren Generationen ein Transgen wieder zu entfernen, doch das ist mühsam und zeitaufwändig. Außerdem erzeugen Pflanzen, die durch die klassische Transformation mit Agrobacterium tumefaciens erzeugt wurden, auch nach der Genomeditierung weiterhin sowohl die sgRNA als auch Cas9. Das erhöht das Risiko von Nichtzieleffekten. Moderne Methoden setzen deshalb darauf, den CRISPR/Cas9-Apparat nur vorübergehend zu exprimieren. Bislang erzielen solche Editierungen jedoch zu geringe Effizienzen.

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Auch bei Kartoffeln funktioniert die neue Methode der Virus-induzieren Genomeditierung. Diese Pflanzen enthalten nun keine Transgene mehr.

Auch bei Kartoffeln funktioniert die neue Methode der Virus-induzieren Genomeditierung. Diese Pflanzen enthalten nun keine Transgene mehr.

Bildquelle: © Christoph Gämperli / Wikimedia; CC-BY-SA-4.0

Virus-induziertes Editierungssystem schrittweise optimiert

Als Alternative entwickelte ein koreanisches Forschungsteam daher zunächst für Tomaten ein System auf Basis des Tabakrasselvirus (TRV). Als Zielgen entschieden die Fachleute sich für eine Phytoen-Desaturase. Sie ist an der Carotinoid-Synthese beteiligt, weshalb Mutationen des Gens zu einem bleichen Phänotyp führen und leicht zu detektieren sind. Die sgRNA, die das Zielgen identifiziert, wurde über das TRV in transgene Pflanzen eingebracht, die bereits das Cas9-Enzym exprimieren. Zuvor hatten Forscher:innen an Modellpflanzen gezeigt, dass eine virusinduzierte Genomeditierung (VIGE) grundsätzlich möglich ist. Auch für Gerste und Baumwolle gibt es bereits erfolgreiche Beispiele. Für Gemüse, insbesondere Nachtschattengewächse, fehlten bislang jedoch VIGE-Systeme.

Erfolgsrate von bis zu 56 Prozent

Diese neue Methode ist noch darauf angewiesen, dass Cas9 (allerdings nicht mehr sgRNA) von der Pflanze stabil exprimiert werden muss –  die Tomatenpflanzen sind noch transgen. Doch hohe Mutationsraten bei der Genomeditierung wurden erzielt: rund 40 Prozent.

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Video: Genome Editing bei Kulturpflanzen: Nutzen und Gefahren der Genschere

Videoquelle: © Gut zu wissen / BR

Einen echten Durchbruch für Nachtschattengewächse stellt jedoch die zweite neue Methode dar. Dabei verwendeten die Forscher:innen das Kartoffelvirus X (PVX). Da PVX als Vektor auch große Genfragmente aufnehmen kann, brachte das Team damit sowohl Cas9 als auch die sgRNA gleichzeitig in nicht-transgene Tomatenpflanzen ein. Dieser Ansatz erwies sich ebenfalls als erfolgreich und erzielte Mutationsraten von zunächst etwa 37 Prozent.

Weil Pflanzen meist bei 23 bis 25 Grad Celsius kultiviert werden, das bakterielle Enzym Cas9 jedoch optimal bei 37 Grad Celsius arbeitet, experimentierten die Forscher:innen damit, die inokulierten Pflanzenkeimblätter dieser höheren Temperatur auszusetzen. Dabei variierten sie sowohl die Dauer als auch den Zeitpunkt nach der Inokulation. Letztlich konnten sie so die Mutationsrate bei beiden Viren-Systemen steigern – beim TRV-System auf 46 Prozent und beim PVX-System sogar auf 56 Prozent. Jeder zehnte regenerierte Spross trug die Mutation sogar in beiden Allelen. Ohne Hitzebehandlung konnte keine Sprossen mit Mutationen in beiden Allelen gefunden werden.

Anwendung auch bei Kartoffeln und Auberginen

In weiteren Versuchen konnten die Forscher:innen demonstrieren, dass das PVX-System auch in Kartoffel- und Auberginenpflanzen funktioniert. Damit dürfte es generell bei Nachtschattengewächsen anwendbar sein. Weil die Methode die aufwändige Arbeitszeit an Gewebekulturen verkürzt und transgenfreie Pflanzen sofort entstehen, könnte es die Züchtung neuer Gemüsesorten stark beschleunigen, so die Hoffnung der Entwickler:innen.


Quelle:
Lee, S.-Y., et al. (2024): Development of virus-induced genome editing methods in Solanaceous crops. In: Horticulture Research, 2024, 11. doi: 10.1093/hr/uhad233.

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Elektronenmikroskopische Aufnahme des Kartoffelvirus X (PVX). Die Viruspartikel (Virionen) können genutzt werden, um das Erbgut von Pflanzenzellen zu editieren – ohne Einbau von Fremdgenen. (Bildquelle: © D.-E. Lesemann, ICTV Report on Virus Taxonomy, 2019 Release / Wikiemedia CC BY-SA 4.0)