Von der Apotheke ins Labor: „Heute erforsche ich die Wirkstoffe der Yams“
Interview mit David Krüger
David Krüger hat seine Karriere in der Apotheke hinter sich gelassen, um in die Welt der Pflanzenforschung einzutauchen. Sein Forschungsobjekt: die Yamswurzel. Sie ist eine eher unscheinbare Knolle, die aber in der Traditionellen Chinesischen Medizin schon seit Jahrtausenden genutzt wird – unter anderem bei Diabetes.
Mit Hightech und Fleiß entschlüsselt der Doktorand an der Freien Universität Berlin nun die Inhaltsstoffe der Yamswurzel. Im Interview gibt er Einblick in seine Forschungsergebnisse, die Herausforderungen des Yams-Anbaus und die faszinierende Verbindung von traditionellem Wissen und moderner Wissenschaft.
Pflanzenforschung.de: Herr Krüger, was fasziniert Sie an der Yams?
David Krüger: Die Yams ist eine wirklich spannende Pflanze mit großem Potenzial. Weltweit gibt es etwa 600 verschiedene Arten, die meisten davon in den Tropen und Subtropen. Die Yamswurzel, die ich untersuche, ist eine essbare Sorte aus China. Ähnlich wie bei Kartoffeln wächst der für uns interessante Teil unter der Erde und ist eigentlich keine Wurzel, sondern eine Sprossknolle.
Mich fasziniert besonders die Verbindung von traditionellem Wissen und moderner Forschung. In der Traditionellen Chinesischen Medizin wird Yams schon seit Jahrtausenden eingesetzt. Jetzt versuchen wir, die wissenschaftlichen Grundlagen für ihre Wirkung zu verstehen.
Pflanzenforschung.de: Welche Heilwirkungen der Yams sind bekannt?
David Krüger: Die verschiedenen Arten der Yamswurzel werden bei vielen Beschwerden eingesetzt, zum Beispiel zur Regulierung der Verdauung und des Hormonhaushalts. Wissenschaftlich erwiesen ist ihre Wirkung bei Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch antivirale Eigenschaften konnte man nachweisen. Ich selbst komme ja aus der Pharmazie und daher reizt es mich besonders herauszufinden, welche Stoffe in der Knolle vorkommen und wie sie wirken.
Pflanzenforschung.de: Sie haben einen ungewöhnlichen Werdegang. Sie haben Pharmazie studiert, arbeiteten dann als Apotheker und nun sind Sie in der Pflanzenforschung gelandet. Wie kam es dazu?
David Krüger: Ich habe nach meinem Studium einige Jahre in einer Apotheke gearbeitet, zuletzt sogar als Filialleiter. Die Arbeit hat mir viel Spaß gemacht, vor allem der Kontakt mit den Patienten und im Team.
Aber nach einer Weile habe ich gemerkt, dass mir die Herausforderungen fehlen. Mein Kopf brauchte wieder etwas mehr Futter. Dann habe ich vom Yamsprojekt hier an der Uni erfahren. Die Yamswurzel kannte ich bis dahin nicht wirklich. Die Aussicht, wieder in die Forschung zu gehen und etwas Neues zu erlernen, hat mich begeistert und gereizt.
Pflanzenforschung.de: Und wie war der Wechsel in die Forschung für Sie?
David Krüger: Am Anfang war es schon eine ziemliche Umstellung. In der Apotheke hatte ich feste Arbeitszeiten und einen geregelten Tagesablauf. In der Forschung ist das ganz anders. Man ist viel freier in der Zeiteinteilung. Aber der Druck, selbstständig Ergebnisse zu liefern, ist natürlich hoch.
Es ging los mit dem Einlesen in die Literatur, um mich mit der Yamswurzel und ihren Inhaltsstoffen vertraut zu machen. Dann ging es ans Eingemachte: Extrakte herstellen, filtrieren, eindampfen, analysieren… eine Menge Fleißarbeit! Vor allem das Testen und Optimieren verschiedener Methoden zur Probenaufarbeitung und Messung hat viel Zeit in Anspruch genommen. Im Moment bearbeite ich etwa 170 bis 200 Proben hier im Labor.
Pflanzenforschung.de: Woher stammen die Proben?
David Krüger: Die Proben stammen von unserem Projektpartner Andreashof vom Bodensee. Das sind Yamswurzeln aus verschiedenen Anbaumethoden, Böden und Trocknungsverfahren. Wir möchten im Projekt nicht nur herausfinden, welche Inhaltsstoffe die Yams so wertvoll macht, sondern auch, wie man den Anbau optimiert und unter welchen Bedingungen sich besonders viel der interessanten Stoffe anreichert.
Alle Proben haben eigene Nummern und sind nicht geordnet. Beim Untersuchen, weiß ich nicht direkt, welchen Hintergrund die Probe gerade hat. Das ist ähnlich wie bei den Doppelblindstudien aus der Medizin. Zur Auswertung habe ich dann natürlich die richtige Zuordnung, um die Ergebnisse zu analysieren.
Pflanzenforschung.de: Wie werden die Proben bearbeitet?
David Krüger: Zuerst extrahiere ich die Inhaltsstoffe mit verschiedenen Lösungsmitteln. Das ist wie Tee kochen, nur das wir verschiedene Lösungsmittel nutzen. Anschließend analysiere ich die Extrakte mit Hilfe von Chromatographie und Massenspektrometrie. Die verschiedenen Stoffe wandern unterschiedlich schnell durch die Chromatographiesäulen. So kann man sie voneinander trennen und dann anhand ihrer Masse identifizieren.
Pflanzenforschung.de: Gibt es schon erste Ergebnisse?
David Krüger: Ja, wir konnten bereits einige interessante Inhaltsstoffe in der Yamswurzel nachweisen, zum Beispiel Diosgenin, Dioscorin und Gracillin.
Diosgenin ist ein wichtiger Ausgangsstoff für die Herstellung von Medikamenten, unter anderem für die Antibabypille. Dioscorin ist ein hochwertiges Protein, das der Pflanze als Energiespeicher dient. Und Gracillin wird aktuell als potenzieller Blutzuckersenker untersucht.
Pflanzenforschung.de: Könnte Gracillin als Wirkstoff zur Behandlung von Diabetes verwendet werden?
David Krüger: Das ist durchaus denkbar. Es gibt bisher noch kein rein pflanzliches Arzneimittel zur Behandlung von Diabetes. Wenn es uns gelingt, die blutzuckersenkende Wirkung von Gracillin zu bestätigen und die Substanz in ausreichender Menge aus der Yamswurzel zu isolieren, dann wäre das natürlich ein großer Erfolg. Wahrscheinlicher ist aktuell jedoch das Potential der Yamswurzel als "functional food". Sie ist sehr nahrhaft und enthält viel Stärke in einer Form, die vom Körper nur langsam abgebaut wird. Das heißt, man ist nach dem Verzehr lange satt und der Blutzuckerspiegel schwankt kaum.
Pflanzenforschung.de: Das klingt vielversprechend. Wie geht es nun bei Ihrer Arbeit konkret weiter?
David Krüger: Eine Herausforderung ist, die genauen Inhaltsstoffe der Yamswurzel und ihre Mengen zu bestimmen. Manche Moleküle haben die gleiche Masse. Da brauchen wir dann zusätzliche Analysen, um sie genau zu identifizieren.
Eine weitere Notwendigkeit ist die Züchtung neuer Yamssorten, die leichter zu ernten sind. Im Moment wachsen die länglichen Knollen rund einen Meter in die Erde. Am oberen Ende sind sie sehr dünn und nach unten immer dicker. Bei der Ernte brechen sie daher leicht ab. Es werden daher Sorten mit runderen Knollen benötigt. Gleichzeitig sollen die neuen Sorten einen hohen Gehalt an gesundheitsfördernden Substanzen aufweisen.
Pflanzenforschung.de: Wer kümmert sich im Projekt um die Züchtungsaufgaben?
David Krüger: Das macht unser Kooperationspartner, der Andreashof. Der Betrieb liegt am Bodensee mit sehr günstigem Mikroklima für den Yamsanbau. Seit gut 25 Jahren bauen sie die Sorte „Lichtyam“ in ökologischer Bewirtschaftung an. Der Hof hat bereits eine Menge Erfahrung gesammelt.
Derzeit ist der Anbau jedoch durch neue EU-Vorschriften für den Ökolandbau erschwert, die den bisherigen Anbau in Hochbeeten nicht mehr erlauben. Daher sucht der Hof auch nach neuen, kostengünstigen Anbaumethoden, die gleichzeitig den Öko-Richtlinien entsprechen.
Pflanzenforschung.de: Wie sieht Ihre Zusammenarbeit konkret aus?
David Krüger: Der Andreashof züchtet neue Sorten und testet verschiedene Anbaumethoden. Wir in Berlin analysieren die Yamswurzeln auf ihre Inhaltsstoffe. Auch ein Team der Uni Münster ist dabei. Es untersucht bestimmte Stoffwechselprodukte wie die Kohlenhydrate und arbeitet an der Entschlüsselung des Yams-Genoms. So ergänzen sich Forschung und Praxis sehr gut. Das ist ein Aspekt, der mir an diesem Projekt besonders gefällt.
Pflanzenforschung.de: Welche Anbaumethode ist im Moment der Favorit?
David Krüger: Wir haben festgestellt, dass der Gehalt an gesundheitsfördernden Stoffen je nach Anbaumethode und Bodentyp variiert. Besonders interessant ist dabei der Hügelanbau. Bei dieser Methode werden die Yamswurzeln auf kleinen Hügeln angebaut, und das scheint die Produktion von gesundheitsfördernden Substanzen zu begünstigen. Wir müssen aber noch mehr Daten aus weiteren Jahren abwarten, da natürlich auch das Wetter und andere äußere Faktoren Einfluss haben. Grundsätzlich gibt es bei Feldversuchen viele Variablen und oft auch unerwartete Beobachtungen.
Pflanzenforschung.de: Zum Beispiel?
David Krüger: Manche Yams-Pflanzen hatten nicht grüne, sondern gelbe Blätter entwickelt. Der Andreashof konnte Krankheiten als Ursache ausschließen. Da Magnesium im grünen Blattfarbstoff Chlorophyll vorkommt, vermuteten wir zunächst einen Magnesiummangel. Um dies zu überprüfen, entwickelten wir eine Methode zur Messung des Magnesiumgehalts der Blätter.
Überraschenderweise stellten wir fest, dass die gelben Blätter sogar dreimal so viel Magnesium enthielten wie die grünen Blätter. Gleichzeitig fanden wir in den gelben Blättern auch andere Spurenelemente in ungewöhnlicher Konzentration. Wir mussten also unsere Vermutung verwerfen und eine neue Erklärung finden. Möglicherweise führte ein zu hoher Manganwert und ein Mangel an Molybdän zur Chlorose. Unsere neuen Methoden und Ergebnisse konnten wir in zwei Studien veröffentlichen, was ein toller Erfolg ist für ein unerwartetes Nebenprojekt.
Pflanzenforschung.de: Abschließend eine persönliche Frage: Was schätzen Sie besonders an Ihrer Arbeit?
David Krüger: Schön finde ich die Momente, in denen sich die Mühe und die lange Arbeit endlich auszahlen und man Ergebnisse sieht. Vor allem das praktische Arbeiten, aber auch die Lehre macht mir viel Freude. Ich betreue Praktika und Seminare in der pharmazeutischen Biologie und biete botanische Führungen an. Die Zusammenarbeit mit den Studierenden ist sehr bereichernd. Es ist ein gutes Gefühl, Wissen weiterzugeben und so zur Ausbildung der nächsten Generation beizutragen.
Pflanzenforschung.de: Haben Sie vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für Ihre Vorhaben!
Im Text verlinkte Studien:
- Epping, J. and Laibach,N. “An underutilized orphan tuber crop – Chinese yam: a review.” In: Planta 252(58), 1-19 (2020). doi.org/10.1007/s00425-020-03458-3
- Krüger, D., Weng, A., Baecker, D. “Investigating the discoloration of leaves of Dioscorea polystachya using developed atomic absorption spectrometry methods for manganese and molybdenum”. In: Molecules 29(16), 3975 (2024). doi.org/10.3390/molecules29163975
- Krüger, D., Weng, A., Baecker, D. “Development and application of an atomic absorption spectrometry-based method to quantify magnesium in leaves of Dioscorea polystachya”. In: Molecules 29(1), 109 (2024). doi.org/10.3390/molecules29010109
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Yams auf den Acker! – Projekt Marvel: Knollen für den Anbau in Europa optimieren
- Von der Waisenfrucht zur Wunderpflanze – Orphan Crops gelten als Nutzpflanzen der Zukunft
- Yams – Pflanze des Monats November
Titelbild: Der Doktorand und studierte Apotheker David Krüger erforscht mit modernster Technik die Inhaltsstoffe der Yamswurzel und ihr Potenzial als Heilpflanze. (Bildquelle: © Tamara Worzewski / PLANT 2030)