Waldumbau unumgänglich
Deutsche Baumarten in Not
Klimawandel, Dürren und Schädlinge setzen dem deutschen Wald zu. Besonders Fichten, Buchen und Ahorn leiden. Experten malen ein düsteres Bild: Ende des Jahrhunderts könnten einige vertraute Baumarten gänzlich verschwunden sein. Daher müsse jetzt schon damit begonnen werden, Baumarten aus anderen Regionen zu pflanzen, so die Empfehlung einer aktuellen Studie.
Um wenige Orte ranken sich so viele Mythen und Erzählungen wie um den Wald. Gerade in Deutschland ist er ein hochemotionaler Ort und spätestens seit der Romantik wurde er zum deutschen Nationalmythos verklärt. Man denke nur an das Gedicht „Der Jäger Abschied“ von Joseph von Eichendorff:
Wer hat dich, du schöner Wald,
Aufgebaut so hoch da droben?
Wohl den Meister will ich loben,
So lang noch mein Stimm erschallt.
Aber der Wald ist nicht nur Mythos, sondern auch ein zentrales Ökosystem, als riesiger Kohlenstoffspeicher eine Triebkraft gegen den Klimawandel und wichtiger Wirtschaftsraum, dessen Verletzlichkeit sich seit dem großen „Waldsterben“ der 1980er-Jahre in unser Bewusstsein eingebrannt hat. Ihn zu bewahren, wird zunehmend eine große Herausforderung.
So wie es heute aussieht, werden wir unseren Wald Ende des Jahrhunderts nicht mehr wiedererkennen. Urtypische Baumarten wird es mit steigenden Temperaturen, Dürren, Stürmen und Schädlingsbefall zu stressig werden. Schon jetzt ist ein Großteil der heimischen Waldbäume geschädigt, krank, am Absterben oder bereits tot.
Der Fichte geht es besonders schlecht
Am härtesten trifft es die Fichten: Mittlerweile sind nur noch 17 Prozent aller Bäume dieser Art gesund (siehe „Ergebnisse der Waldzustandserhebung 2023“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft). Da sie meist als Monokultur gepflanzt wurde, ist sie in einigen Regionen großflächig abgestorben - z.B. im Harz. Hier hat seit 2018 der massenweise auftretende Borkenkäfer die alten und durch den Klimawandel gestressten Fichtenbestände zerstört.
Eichen: Weniger widerstandsfähig als gedacht
Eichen galten lange als recht resilient gegenüber dem Klimawandel. Doch weit gefehlt. Auch diese Baumart kommt mit den neuen Klimabedingungen nicht gut zurecht und ein weiterer Schädling, der ähnlich wie der Borkenkäfer unter der Rinde der Bäume lebt, setzt diesen Bäumen zu: der Zweipunktige Eichenprachtkäfer. Fakt ist, dass nur noch 17 Prozent der Eichen in unseren Wäldern als gesund gelten, 44 Prozent zeigen eine Kronenverlichtung – also eine deutliche Schädigung. Betroffen sind sowohl Stiel- als auch Traubeneichen.
Buchen – Verzwergung befürchtet
16 Prozent der Bäume in den deutschen Wäldern sind Buchen. Expert:innen gehen davon aus, dass auch diese Baumart zunehmend Probleme bekommen wird. Sie können eigentlich eine Höhe von bis zu 40 Metern erreichen. Doch zum Ende des Jahrhunderts wird der Klimastress dafür sorgen, dass Buchenwälder nicht mehr in diese Höhe wachsen können und die Flächen lichter werden. Auch eine neue Krankheit, Buchenkomplexkrankheit genannt, sorgt dafür. Sie tritt nach Hitze- und Dürreperioden auf. Die Stämme werden rissig und ein Schleimfluss beginnt. Am Ende löst sich die Rinde, Pilze und holzbrütende Insekten wie der Buchenborkenkäfer befallen den Baum und das Holz fault.
Auch Ahorn und Eschen betroffen
Diese Baumarten sind besonders stark von Pilzbefall bedroht. Beim Ahorn ist es der Pilz Cryptostroma corticale, der Erreger der Rußrindenkrankheit. Die Rinde infizierter Bäume blättert ab, zum Vorschein kommen dann die schwarzen rußartigen Sporen des Pilzes. Diese Krankheit ist erst in den letzten zehn Jahren massiv aufgetreten und endet meist mit dem Tod der Bäume. Bei den Eschen sorgt das sogenannte Eschentriebsterben für Unruhe unter den Förster:innen. Der dafür verantwortliche Pilz ist der Falsche Weiße Stängelbecherchen (Hymenoscyphus pseudoalbidus). Triebe und Zweige sterben, der Baum trocknet aus und der Stamm verfärbt sich. Auch diese Krankheit ist in den meisten Fällen tödlich für den Baum.
Waldumbau unumgänglich
Um Eiche, Buche, Ahorn und Esche ist es also nicht gut bestellt und die bislang noch als widerstandsfähig geltenden Mischwälder – nicht nur die Fichtenmonokulturen – wird es in ein paar Jahrzehnten so nicht mehr geben.
So auch das Ergebnis einer aktuellen europäischen Studie. Sie empfiehlt, dass unsere Wälder in Zukunft dringend um Bäume aus anderen Regionen ergänzt werden müssten, die besser an die neuen Bedingungen hierzulande angepasst sind. Hierfür wird der Begriff „unterstützten Migration“ verwendet. Ziel dabei ist es, gesunde Wälder zu erhalten, die möglichst viel Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnehmen und speichern können. Nur so könnten unserer Wälder als Kohlenstoffsenke dem Klimawandel wirksam entgegenwirken. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift »Nature Climate Change« veröffentlicht.
Welche Baumarten dafür in Frage kommen, lässt die Studie offen. Unter Forstexpert:innen werden zurzeit Arten wie die Douglasie, Robine, Küstentanne und Roteiche aus Nordamerika sowie Esskastanie und Libanon-Zeder aus dem Mittelmeerraum diskutiert.
Quelle:
Chakraborty, D., Ciceu, A., Ballian, D. et al. (2024): “Assisted tree migration can preserve the European forest carbon sink under climate change”. Nat. Clim. Chang. 14, (2024). doi: 10.1038/s41558-024-02080-5
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
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Titelbild: Durch Borkenkäferbefall und Trockenheit abgestorbene Fichtenauf dem Brocken (Harz). (Bildquelle: © Hajotthu, eigens Werk / Wikipeida, CC BY 3.0)