Wenn Pflanzenzellen schwitzen

Cyclin TAM bewahrt vor Hitzesterilität

03.11.2025 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Arabidopsis-Blüte im Hitzeflimmern: Unter hohen Temperaturen schützen Pflanzen empfindliche Zellprozesse wie die Meiose durch die Bildung winziger Stressgranula – mikroskopischer „Rettungsinseln“ für wichtige Proteine. (Bildquelle: © Pflanzenforschung.de, erstellt mit DALL·E)

Arabidopsis-Blüte im Hitzeflimmern: Unter hohen Temperaturen schützen Pflanzen empfindliche Zellprozesse wie die Meiose durch die Bildung winziger Stressgranula – mikroskopischer „Rettungsinseln“ für wichtige Proteine. (Bildquelle: © Pflanzenforschung.de, erstellt mit DALL·E)

Gerät die Zellteilung bei Hitze in Gefahr, greifen Pflanzen sie zu einem erstaunlichen Trick: Sie bilden mikroskopisch kleine „Rettungsinseln“ – Stressgranula – und schaffen dort gefährdete Proteine in Sicherheit. Forschende haben nun entdeckt, dass der Zellzyklusregulator TAM gezielt in diese Tröpfchen ausweichen muss, um die Meiose zu retten. Bleibt er draußen, produziert die Pflanze fehlerhafte Keimzellen.

Hitze ist Gift für die Fortpflanzung vieler Pflanzen. Schon wenige Grad über der Wohlfühltemperatur genügen, um die empfindliche Meiose aus dem Takt zu bringen – jenen Prozess, in dem der doppelte Chromosomensatz halbiert wird, damit nach der Befruchtung wieder genau die richtige Menge Erbgut entsteht. Gerät diese präzise Choreografie ins Stolpern, bilden sich unreduzierte Gameten, die ihren Chromosomensatz nicht halbiert haben. Das Ergebnis können unfruchtbare oder genetisch instabile Nachkommen sein.

Dass Pflanzenzellen sich gegen Hitzestress zur Wehr setzen, war bekannt. Doch die nun im Fachjournal Science Advances erschienene Studie zeigt erstmals, wie gezielt das in Keimzellen geschieht – und welche zentrale Rolle dabei ein einzelnes Protein spielt: TARDY ASYNCHRONOUS MEIOSIS, kurz TAM.

Notfallprogramm im Zellinneren

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Das grün fluoreszierende Protein (GFP) dient als leuchtender Marker, um die Position und Dynamik anderer Proteine sichtbar zu machen. In der Studie wurde GFP an das Cyclin TAM gekoppelt, um dessen Wanderung in Stressgranula während der Meiose unter Hitzestress live im Mikroskop verfolgen zu können.

Das grün fluoreszierende Protein (GFP) dient als leuchtender Marker, um die Position und Dynamik anderer Proteine sichtbar zu machen. In der Studie wurde GFP an das Cyclin TAM gekoppelt, um dessen Wanderung in Stressgranula während der Meiose unter Hitzestress live im Mikroskop verfolgen zu können.

Bildquelle: © Zephyris / Wikipedia, CC BY-SA 3.0

Wird es zu heiß, reagieren Pflanzenzellen mit einem faszinierenden Phänomen: Sie bilden kleine Tröpfchen, die frei im Zellplasma schwimmen – sogenannte Stressgranula. Sie bestehen aus RNA und Proteinen und dienen als eine Art „Molekül-Parkhaus“: Dort wird alles eingelagert, was empfindlich auf Hitzestress reagiert oder vorübergehend nicht gebraucht wird.

Mit fluoreszierenden Markern verfolgten die Forschenden drei Cycline – CYCB3;1, SDS und TAM – in den männlichen Meiozyten von Arabidopsis. Nur TAM zeigte bei 34 °C plötzlich ein neues Verhalten: Statt gleichmäßig verteilt zu bleiben, bildete es winzige Pünktchen im Zellplasma. Diese Pünktchen enthielten zugleich den Zellzyklusmotor CDKA;1 und die typischen Stressgranula-Proteine PAB4 und PAB6. Die Schlussfolgerung war klar: TAM wird unter Hitzestress gezielt in Stressgranula umgelenkt – offenbar, um dort seine empfindliche Funktion zu schützen.

Ein fehlendes Stück mit großer Wirkung

Was genau TAM dorthin lenkt, fand das Team durch raffinierte Gentausch-Experimente heraus. Im Aminoterminus von TAM befindet sich eine intrinsisch ungeordnete Region (IDR) – ein flexibles Proteinsegment, das zur sogenannten Flüssig-Flüssig-Phasentrennung befähigt. Entfernten die Forschenden diese Region, blieb TAM bei Hitze stur im Cytoplasma und tauchte nicht mehr in Stressgranula auf. Noch spannender: Ersetzte man die TAM-IDR durch die IDR eines verwandten Cyclins (CYCA1;1), funktionierte TAM bei Normaltemperatur ganz normal, versagte aber bei Hitze.

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Anhaltende Hitze und Dürre belasten Pflanzen in vielfacher Weise – selbst die Bildung der Keimzellen in den Blüten reagiert empfindlich auf hohe Temperaturen.

Anhaltende Hitze und Dürre belasten Pflanzen in vielfacher Weise – selbst die Bildung der Keimzellen in den Blüten reagiert empfindlich auf hohe Temperaturen.

Bildquelle: © iStock.com/HotDuckZ

Die Folgen waren drastisch: Die betroffenen Pflanzen stoppten die Meiose nach der ersten Teilung und bildeten Dyaden statt Tetraden, also unreduzierte Pollen mit doppeltem Chromosomensatz. Damit war klar: Ohne den Rückzug von TAM in Stressgranula verliert die Zelle unter Hitzestress die Kontrolle über den Ablauf der Meiose.

„Rettungsinsel“ für das Erbgut

Warum diese Rückzugstaktik so wichtig ist, lässt sich nur vermuten. Eine Hypothese lautet, dass die Granula TAM und CDKA;1 vor Hitzeschäden schützen, bis die Zelle ihre Hitzeschock-Antwort hochgefahren hat. Alternativ könnten die beiden im Granulum gezielt andere Proteine regulieren, etwa solche, die an der Steuerung der Translation beteiligt sind. Sicher ist: Diese mikroskopisch kleinen Tröpfchen entscheiden darüber, ob die Meiose sauber zu Ende geführt wird – oder ob die Pflanze genetisch aus der Spur gerät.

Bedeutung für Züchtung und Klimaanpassung

Die Entdeckung hat weitreichende Konsequenzen. Denn Hitzewellen werden häufiger, und sie gefährden besonders die Fortpflanzungsphase von Kulturpflanzen. Wenn zentrale Zellzyklusproteine wie TAM den Unterschied zwischen Fruchtbarkeit und Sterilität ausmachen, eröffnet das neue Ansätze für die Züchtung hitzeresilienter Pflanzen. Vielleicht lässt sich künftig gezielt beeinflussen, welche Proteine in Stressgranula Zuflucht finden – und welche nicht.


Quelle:
De Jaeger-Braet, J. et al. (2025). The recruitment of the A-type cyclin TAM to stress granules is crucial for meiotic fidelity under heat. Science Advances (8. August 2025). doi: 10.1126/sciadv.adr5694

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Titelbild: Arabidopsis-Blüte im Hitzeflimmern: Unter hohen Temperaturen schützen Pflanzen empfindliche Zellprozesse wie die Meiose durch die Bildung winziger Stressgranula – mikroskopischer „Rettungsinseln“ für wichtige Proteine. (Bildquelle: © Pflanzenforschung.de, erstellt mit DALL·E)