Wie Pflanzen Infektionen eindämmen
Chemische und elektrische Signale lösen Großalarm aus

Ein Querschnitt durch einen Pflanzenstängel zeigt im Zentrum die Leitungsbahn (Phloem, markiert mit Pfeil), die bei einer bakteriellen Infektion durch elektrische Impulse vorübergehend verschlossen wird. (Bildquelle: © Clematis - Eigenes Werk / Wikipedia,
Ein Team von Forschenden der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat einen faszinierenden Mechanismus aufgedeckt, mit dem Pflanzen auf einen bakteriellen Angriff reagieren – und das alles in einem komplexen Zusammenspiel von chemischen und elektrischen Signalen.
Wenn krankmachende Bakterien die Blattoberfläche befallen, wird nicht nur der befallene Bereich in Alarmbereitschaft versetzt. Stattdessen leiten die Zellen der Epidermis chemische Signale aus, die eine Kettenreaktion in Gang setzen: Zunächst strömen Kalzium-Ionen aus, die wiederum elektrische Signale generieren. Diese elektrischen Impulse breiten sich wellenförmig im gesamten Blatt aus und aktivieren unterschiedliche Abwehrmechanismen.
Zwei Arten elektrischer Wellen im Einsatz

Der in der Studie entdeckte Mechanismus wurden sowohl in der Ackerbohne (im Bild) als auch in der Ackerschmalwand nachgewiesen. Wahrscheinlich kommt er in allen höheren Pflanzen vor.
Bildquelle: © Rasbak - Eigenes Werk / Wikipedia, CC BY-SA 3.0
Die Jenaer Wissenschaftler entdeckten dabei zwei verschiedene Typen elektrischer Potenziale: Langsame Variationspotenziale breiten sich zunächst lokal aus und bewirken, dass sogenannte Verschlussproteine in den Leitbahnen temporär die Verbindung sperren. Bislang waren diese Proteine vor allem für die Nährstoffregulierung bekannt – nun zeigt sich, dass sie auch als Schutzmechanismus bei einem bakteriellen Angriff fungieren. Hinzu kommen schnelle Aktionspotenziale. Diese elektrischen Impulse rasen entlang der Leitbahnen und setzen eine systemische Immunabwehr in Gang. So wird beispielsweise die Produktion des Pflanzenhormons Jasmonat angeregt, das entscheidend an der Koordination der Immunantwort beteiligt ist. Gleichzeitig führt die Freisetzung reaktiver Sauerstoffverbindungen zu weiteren Abwehrreaktionen.
Ein orchestrierter Code aus Signalen
Die Studie legt nahe, dass die langsamen und schnellen Signale zusammen einen „Code“ bilden, der im Zielgewebe entschlüsselt wird. So gelingt es der Pflanze, sowohl lokal als auch im gesamten Organismus gezielt auf den Bakterienbefall zu reagieren. Obwohl noch nicht alle Details dieses komplexen Zusammenspiels vollständig verstanden sind, markiert dieser Befund einen wichtigen Schritt in der Pflanzenforschung.
Ein universeller Mechanismus?
Die Untersuchungen erfolgten an der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) und der Ackerbohne (Vicia faba). Diese beiden Pflanzen gehören unterschiedlichen Familien an und sind nur entfernt miteinander verwandt. Daraus schlussfolgern die Forschenden, dass der entdeckte Mechanismus der Immunabwehr wahrscheinlich bei allen Pflanzen vorkommt – ein universelles System, das evolutionär konserviert ist. Dieser Befund legt nahe, dass nahezu sämtliche Pflanzen ähnliche Signalkaskaden nutzen, um sich gegen äußere Angriffe zu verteidigen.
Ein Hoffnungsschimmer für die Landwirtschaft
Die Entdeckung dieses universellen Abwehrmechanismus bietet neue Ansätze zur Verbesserung der natürlichen Resistenz von Nutzpflanzen. Gerade im Kontext der Klimakrise, in der neue Krankheitserreger vermehrt auftreten, könnte es künftig möglich sein, den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel zu reduzieren, indem man Pflanzen gezielt widerstandsfähiger macht.
Quelle:
Furch A. C. U. et al. (2025): Transformation of flg22 perception into electrical signals decoded in vasculature leads to sieve tube blockage and pathogen resistance. Science Advances Vol 11, Issue 9; doi: 10.1126/sciadv.ads6417
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Titelbild: Ein Querschnitt durch einen Pflanzenstängel zeigt im Zentrum die Leitungsbahn (Phloem, markiert mit Pfeil), die bei einer bakteriellen Infektion durch elektrische Impulse vorübergehend verschlossen wird. (Bildquelle: © Clematis - Eigenes Werk / Wikipedia, CC BY-SA 3.0)