Wie Pilze gezielt Pflanzengene steuern
KIT-Forschende zeigen, wie Pilze mit genetischen Tricks das Pflanzenwachstum beeinflussen
Arbuskuläre Mykorrhizapilze (AM-Pilze) sind essenziell für das Überleben vieler Pflanzen. Sie unterstützen nicht nur die Nährstoffaufnahme, sondern beeinflussen auch deren genetische Regulation. Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben gezeigt, wie diese Pilze durch spezielle Effektorproteine die Pflanzenentwicklung und die Symbiose fördern. Die Ergebnisse eröffnen neue Perspektiven für nachhaltige Landwirtschaft und ökologische Anbausysteme.
In der Natur gehen die meisten Pflanzen eine Symbiose mit AM-Pilzen ein, um Nährstoffmangel im Boden zu überwinden. Diese Pilze helfen Pflanzen, essenzielle Nährstoffe wie Phosphat aufzunehmen, während sie im Gegenzug Zucker und Lipide von der Pflanze erhalten. Forschende haben nun bei der Ackerschmalwand und Kartoffelpflanzen herausgefunden, dass AM-Pilze nicht nur als Vermittler für Nährstoffe dienen, sondern auch die pflanzliche Genregulation gezielt beeinflussen. Dies geschieht über spezielle Moleküle, sogenannte SP7-Effektoren, die genetische Prozesse der Pflanze gezielt umprogrammieren.
SP7-Effektoren: Die genetischen Werkzeuge der Pilze
Die SP7-Proteinfamilie von AM-Pilzen interagiert mit der mRNA-Verarbeitungsmaschinerie ihrer Wirtspflanzen. In der Studie wird dabei besonders die Verbindung mit dem pflanzlichen Spleißfaktor SR45 und anderen Schlüsselproteinen hervorgehoben, die das alternative Spleißen regulieren. Dieser Mechanismus erlaubt den Pilzen, gezielt in die Genexpression der Pflanzen einzugreifen und spezifische Entwicklungsprozesse wie das Wachstum oder die Immunabwehr zu beeinflussen. Studien zeigen, dass diese Effektoren Entwicklungsveränderungen hervorrufen können, wie etwa verzögertes Blühen oder eingeschränktes Wachstum, um die Symbiose zu fördern.
Mechanismen der molekularen Interaktion
SP7-Proteine zeichnen sich durch ihre intrinsisch ungeordneten Proteinregionen aus, die ihnen multivalente Interaktionen mit mehreren pflanzlichen Proteinen ermöglichen. Diese flexible Struktur unterstützt die Bildung von Netzwerken in nuklearen Kondensaten, die eine zentrale Rolle bei der Regulation von mRNA-Schicksalen spielen. Neben der Beeinflussung des Spleißens können diese Proteine auch die Transkription, den Export und die Translation von mRNAs beeinflussen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die SP7-Proteinfamilie evolutionär hoch spezialisiert ist und ausschließlich in AM-Pilzen vorkommt, was ihre Bedeutung für die Symbiose unterstreicht.
Relevanz für Landwirtschaft und nachhaltige Systeme
Diese Arbeit zeigt, dass die Interaktion zwischen Pilzen und Pflanzen eine weitreichende Bedeutung auf die landwirtschaftliche Praxis haben könnte. „Durch ein besseres Verständnis der Pilz-Pflanze-Interaktionen könnten wir widerstandsfähigere Pflanzen züchten, die Nährstoffe effizienter aufnehmen und weniger auf künstliche Düngemittel angewiesen sind“, erklärt Professorin Natalia Requena vom KIT.
Die Erkenntnisse bieten also neue Ansätze für die nachhaltige Verbesserung der Nährstoffaufnahme und der Resilienz von Nutzpflanzen in einer sich wandelnden Umwelt. Durch die detaillierte Untersuchung dieser symbiotischen Mechanismen öffnet die Forschung die Tür zu innovativen Lösungen für eine ressourcenschonende Landwirtschaft. Diese bahnbrechenden Erkenntnisse verdeutlichen einmal mehr die Bedeutung von Pilzen als verborgene, aber unverzichtbare Akteure in der Natur.
Quelle:
Betz, R., Heidt, S., Figueira-Galán, D. et al. (2024): Alternative splicing regulation in plants by SP7-like effectors from symbiotic arbuscular mycorrhizal fungi. In: Nat Commun 15, 7107 (2024). doi: 10.1038/s41467-024-51512-5
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Titelbild: In den Zellkernen von Pflanzen konnten die Forschenden des KIT durch Fluoreszenzmarkierung von Proteinen den genetischen Einfluss der Pilze nachweisen. (Bildquelle: © Ruben Betz, KIT)