Wirkstoff-Cocktail gegen Käfer und Pilze

Warum Fichten auf komplexe Duftmischungen zur Verteidigung setzen

30.06.2025 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Fichtenharz: Die klebrige, kräftig duftende Substanz schützt die Bäume mit einem Cocktail aus Monoterpenen vor Insekten und Pilzen. 8Bildquelle: © Dineshkumar Kandasamy / Max Planck Institut für chemische Ökologie)

Fichtenharz: Die klebrige, kräftig duftende Substanz schützt die Bäume mit einem Cocktail aus Monoterpenen vor Insekten und Pilzen. 8Bildquelle: © Dineshkumar Kandasamy / Max Planck Institut für chemische Ökologie)

Wenn Fichten von Borkenkäfern und deren Pilzpartnern befallen werden, wehren sie sich mit einem Arsenal an Duftstoffen – sogenannten Monoterpenen. Eine neue Studie zeigt: Die Bäume kombinieren gezielte Abwehr gegen unterschiedliche Feinde mit überraschenden Synergieeffekten. Das könnte auch neue Wege im Pflanzenschutz eröffnen – gerade angesichts zunehmender Klimastressoren.

Fichtenharz ist klebrig, stark duftend – und tödlich für manche Eindringlinge. Das Harz enthält eine Vielzahl von Monoterpenen, kleinen Molekülen, die Insekten und Pilze abschrecken oder abtöten können. Doch warum setzt der Baum nicht einfach auf eine besonders wirksame Verbindung, sondern auf komplexe Gemische? Dieser Frage ging ein Team um Dineshkumar Kandasamy vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie nach.

In einer umfassenden Studie testete das Forschungsteam zwölf Monoterpene aus dem Harz der Gemeinen Fichte (Picea abies) – einzeln und in Mischung – auf ihre Wirkung gegen Borkenkäfer (Ips typographus) und drei mit den Käfern assoziierte Pilzarten. Das Ziel: klären, ob sich durch die Vielfalt der Substanzen eine effektivere Verteidigung ergibt.

Arbeitsteilung unter Duftstoffen

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Buchdrucker (Ips typographus) – ein Vertreter jener Käfergruppen, die in Mitteleuropa große Waldschäden verursachen können.

Buchdrucker (Ips typographus) – ein Vertreter jener Käfergruppen, die in Mitteleuropa große Waldschäden verursachen können.

Bildquelle: © Fdcgoeul, eigenes Werk / Wikipedia, CC BY 3.0

Das Ergebnis war eindeutig: „Monoterpene, die Borkenkäfer abwehrten, wirkten nicht gegen Pilze, während pilzhemmende Monoterpene auf Borkenkäfer keinen negativen Effekt hatten“, erklärt Kandasamy. Für die Fichte bedeutet das: Will sie sich gegen beide Feindtypen wehren, muss sie unterschiedliche chemische Waffen einsetzen – ein klarer Fall von spezialisierter Arbeitsteilung unter den Abwehrstoffen.

Zugleich zeigte sich, dass die mengenmäßig am häufigsten vorkommenden Monoterpene im Harz – etwa α- und β-Pinen – nur mäßig wirksam waren. Die bioaktivsten Stoffe dagegen, etwa Myrcen oder Bornylacetat, fanden sich nur in geringen Konzentrationen.

Mehr Wirkung im Team: Synergieeffekte im Harz

Besonders wirksam war nicht eine Einzelverbindung, sondern die Mischung. Beide getesteten Harzprofile – das einer gesunden Fichte und das eines Baums nach Schädlingsbefall – zeigten deutliche Synergieeffekte. Mischungen wirkten stärker gegen Käfer und zwei der drei getesteten Pilzarten als die Einzelsubstanzen. „Dies zeigt einen Synergieeffekt, bei dem mehrere chemische Verbindungen zusammen besser wirken als einzeln“, sagt Kandasamy.

Damit liefert die Studie erstmals empirische Belege für zwei Theorien zugleich: die Interaktionsdiversitätshypothese (unterschiedliche Feinde benötigen unterschiedliche Abwehrstoffe) und die Synergiehypothese (Mischungen wirken stärker als Einzelverbindungen). „Dies ist die erste Studie, die zeigt, dass sowohl Synergieeffekte als auch die Tatsache, dass verschiedene Abwehrstoffe gegen unterschiedliche Feinde wirksam sind, erklären können, warum Bäume Mischungen aus Verteidigungssubstanzen einsetzen“, so Kandasamy weiter.

Wenn Pilze profitieren

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Testbehälter mit gezüchteten Pilzen: In diesen Petrischalen analysierte das Forschungsteam, wie einzelne Monoterpene und ihre Mischungen das Wachstum von Borkenkäfer-assoziierten Pilzen beeinflussen.

Testbehälter mit gezüchteten Pilzen: In diesen Petrischalen analysierte das Forschungsteam, wie einzelne Monoterpene und ihre Mischungen das Wachstum von Borkenkäfer-assoziierten Pilzen beeinflussen.

Bildquelle: © Anna Schroll / Max-Planck-Institut für chemische Ökologie

Nicht alle Pilze lassen sich jedoch so leicht bezwingen. Grosmannia penicillata, eine der drei getesteten Pilzarten, wuchs in Gegenwart der für Käfer giftigsten Monoterpene sogar besser – vermutlich, weil sie die Substanzen als Kohlenstoffquelle nutzen kann. Für den Baum ist das eine Herausforderung: Eine Abwehr, die den Käfer schwächt, kann gleichzeitig einen seiner Pilzpartner stärken.

Abwehr mit Anpassungspotenzial

Die Fichte ist aber kein passives Opfer. In Reaktion auf einen Pilzbefall verändert sie ihr chemisches Profil und reichert gezielt pilzhemmende Monoterpene wie Terpinen-4-ol oder Bornylacetat im Gewebe an. Auch das zeigen die Daten der Studie. Die Pflanze scheint also zwischen Käfer- und Pilzbefall differenzieren und entsprechend reagieren zu können – ein bemerkenswerter Befund.

Natürliche Pestizide? Neue Perspektiven für den Pflanzenschutz

Die Forschungsergebnisse könnten nicht nur helfen, die ökologische Rolle von Harz und Monoterpenen besser zu verstehen – sie bieten auch neue Ansätze für den Pflanzenschutz. So ließe sich etwa die Giftwirkung bestimmter Monoterpene gegen den Borkenkäfer gezielt nutzen: Monoterpene, deren Giftwirkung auf den Borkenkäfer besonders groß ist, könnten auf die Baumrinde aufgetragen werden, wo die Käfer landen und anfangen, sich einzugraben, so ein Vorschlag des Forschungsteams.

Zudem legen die Daten nahe, dass kombinierte Wirkstoffe auch in biologischen Pflanzenschutzmitteln erfolgreicher sein könnten als isolierte Einzelverbindungen – gerade in einem sich wandelnden Klima. „Wenn wir die Funktionsweise der pflanzlichen Abwehrkräfte verstehen, können wir besser vorhersagen, wie die Pflanzen mit künftigen Klimaszenarien zurechtkommen, und Strategien zum Schutz der Ökosysteme entwickeln“, sagt Kandasamy.

Warum die Natur auf Mischungen setzt

Jonathan Gershenzon, Mitautor und Leiter der Abteilung Biochemie am Max-Planck-Institut, bringt es auf den Punkt: „Unsere Ergebnisse liefern eine der bislang schlüssigsten Erklärungen dafür, warum chemische Mischungen in der Natur so häufig vorkommen.“ Statt auf ein einzelnes „Allzweckmittel“ zu vertrauen, nutzen Pflanzen offenbar maßgeschneiderte Kombinationen – eine Strategie, die auch uns als Vorbild dienen könnte.


Quelle:
Zaman, R., et al. (2025): Both synergism and interaction diversity explain the mixtures of defensive monoterpenes in spruce oleoresin. In: Functional Ecology (24. Juni 2025). doi: 10.1111/1365-2435.70077

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Titelbild: Fichtenharz: Die klebrige, kräftig duftende Substanz schützt die Bäume mit einem Cocktail aus Monoterpenen vor Insekten und Pilzen. 8Bildquelle: © Dineshkumar Kandasamy / Max Planck Institut für chemische Ökologie)