„WUSCHEL verhalf uns zum Durchbruch beim Winterraps“

Interview mit Kea Ille

05.05.2025 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Forscherin Kea Ille entwickelte eine effiziente Methode zur Transformation von Winterraps und machte damit einen wichtigen Schritt für die Züchtung klimaresilienter Nutzpflanzen. (Bildquelle: © Sören Henning)

Die Forscherin Kea Ille entwickelte eine effiziente Methode zur Transformation von Winterraps und machte damit einen wichtigen Schritt für die Züchtung klimaresilienter Nutzpflanzen. (Bildquelle: © Sören Henning)

Winterraps gilt als besonders widerspenstig, wenn seine Gene zum Beispiel mit der Genschere CRISPR/Cas verändert werden sollen. Doch die Kieler Forscherin Dr. Kea Ille ließ sich nicht entmutigen und fand mit einer cleveren Methode die entscheidende Lösung.

Im Interview erklärt die Forscherin diesen Trick und wie ihr nach zahlreichen Rückschlägen ausgerechnet ein Gen aus der Zuckerrübe zum ersehnten Durchbruch verhalf. Die neue Methode kann die Züchtung von klimaresilientem Winterraps deutlich beschleunigen.

Pflanzenforschung.de: Frau Ille, in Ihrer Doktorarbeit ist Ihnen etwas gelungen, woran viele Forschungsgruppen zuvor gescheitert sind. Könnten Sie uns das bitte erklären?

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Winterraps ließ sich lange nicht aus kleinen Pflanzenstückchen regenerieren – was für die Forschung aber sehr wichtig ist. Hier zu sehen sind Keimlinge. 

Winterraps ließ sich lange nicht aus kleinen Pflanzenstückchen regenerieren – was für die Forschung aber sehr wichtig ist. Hier zu sehen sind Keimlinge. 

Bildquelle: © Kea Ille

Kea Ille: In unserer Forschungsgruppe arbeiten wir mit Winterraps. Unser Ziel ist es, die Funktion verschiedener Gene zu verstehen, um gezielt widerstandsfähigere Pflanzen züchten zu können.Ein entscheidender Schritt dabei ist, einzelne Gene mit der Genschere CRISPR/Cas auszuschalten und so deren Funktion erkennen zu können. Dazu bringen wir zunächst die Genschere in kleine Stückchen des Rapses ein. Diesen Teil nennt man Transformation. Anschließend müssen wir aus Zellen mit den modifizierten Genen wieder ganze Pflanzen bilden – das bezeichnen wir als Regeneration. Doch Winterraps ließ sich bisher nicht so leicht regenerieren. Mit einem speziellen Trick gelang es uns aber schließlich, dieses Hindernis zu überwinden.

Pflanzenforschung.de: Auf diesen Trick sind wir sehr gespannt. Aber erklären Sie uns bitte erst einmal, warum Sie sich überhaupt den widerspenstigen Winterraps für Ihre Forschung ausgesucht haben.

Kea Ille: Raps ist eine der bedeutendsten Kulturpflanzen weltweit, vor allem bekannt für sein hochwertiges Speiseöl. Rapsöl steckt auch in vielen anderen alltäglichen Produkten, etwa in Kosmetika, Medikamenten, Futtermitteln und umweltfreundlichen Schmierstoffen. Der Großteil des angebauten Rapses ist Winterraps. Im Gegensatz zum Sommerraps wird Winterraps bereits im Herbst ausgesät, was ihm einen Wachstumsvorsprung verschafft. So kann er früher im Jahr geerntet werden und erzielt insgesamt höhere Erträge.

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Winterraps ist eine der wichtigsten Nutzpflanzen in Deutschland. Damit er blüht, braucht er einen Kältereiz. Fehlt dieser durch zu milde Winter, fallen Ernten aus.
 

Winterraps ist eine der wichtigsten Nutzpflanzen in Deutschland. Damit er blüht, braucht er einen Kältereiz. Fehlt dieser durch zu milde Winter, fallen Ernten aus.
 

Bildquelle: © Ada K. / Pixabay

Doch wie bei vielen anderen Nutzpflanzen stellt der Klimawandel auch für den Winterraps eine zunehmende Herausforderung dar. Besonders milde Winter sind problematisch, da Winterraps eine Kälteperiode benötigt, um anschießend zu blühen – ein Prozess, der als Vernalisation bezeichnet wird. Fehlt diese Kälte, bleibt die Blüte aus. Deshalb ist es so wichtig, den Winterraps an die veränderten Klimabedingungen anzupassen. Für diese Forschung ist die Transformation der Pflanze bzw. der Einsatz der Genschere eines der wichtigsten Werkzeuge.

Pflanzenforschung.de: Alles klar, dann verraten Sie uns jetzt bitte das Geheimnis der erfolgreichen Transformation beim „störrischen“ Winterraps.

Kea Ille: Unsere Geheimwaffe: das sogenannte WUSCHEL-Gen aus der Zuckerrübe. Das haben wir in die Winterrapspflanzen integriert.

Pflanzenforschung.de: Was bewirkt das WUSCHEL-Gen im Raps?

Kea Ille: Dieses Gen fördert die Regeneration von Pflanzen, indem es die Bildung und Erhaltung von Stammzellen unterstützt. Es hilft den Zellen, sich zu teilen und neue Strukturen zu bilden, sodass selbst aus einem kleinen Stück der Pflanze eine komplette Pflanze mit Wurzel, Stamm und Blättern entstehen kann.

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Das WUSCHEL-Gen ließ die Pflanzen besser regenerieren. Hier überprüfte Kea Ille den Erfolg der Transformation durch Blaufärbung. 

Das WUSCHEL-Gen ließ die Pflanzen besser regenerieren. Hier überprüfte Kea Ille den Erfolg der Transformation durch Blaufärbung. 

Bildquelle: © Kea Ille

Das Gen ist schon lange bekannt, und in den letzten Jahren wurde es auch in anderen Pflanzenarten dazu eingesetzt. Anstatt aber das Raps-eigene WUSCHEL-Gen oder von verwandten Arten zu nutzen, haben wir uns für das WUSCHEL-Gen der Zuckerrübe entschieden. Zum Glück erwies sich dieses Gen als besonders effektiv und steigerte die Regenerationsfähigkeit der Winterrapspflanzen erheblich.

Pflanzenforschung.de: Wie kamen Sie auf die Idee ?

Kea Ille: Das ist eine längere Geschichte – und auch ein Stück weit Zufall (lacht). Ich hatte zuvor zwei Jahre lang versucht, Zuckerrüben zu transformieren, wobei ich auch deren WUSCHEL-Gen testete. Leider waren diese Versuche erfolglos, und ich musste den Fokus meiner Doktorarbeit ändern. Aber die Arbeit war trotzdem nicht umsonst: Wir haben beschlossen, die Vorarbeiten und Erfahrungen aus dem Zuckerrübenprojekt direkt für das Rapsprojekt zu nutzen. Und tatsächlich: Hier hat es funktioniert! Durch die Übertragung des WUSCHEL-Gens aus der Zuckerrübe in Raps konnten wir die transformierten Pflanzenstückchen regenerieren. Diese Methode haben wir veröffentlicht und somit auch anderen Forschungsgruppen zur Verfügung gestellt.

Pflanzenforschung.de: Gratulation! Da werden Ihnen viele in der Rapsforschung sehr dankbar sein.

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Die Nachkommen von transformierten Pflanzen wurden mittels Fluoreszenz-Analysen untersucht. 

Die Nachkommen von transformierten Pflanzen wurden mittels Fluoreszenz-Analysen untersucht. 

Bildquelle: © Kea Ille

Kea Ille: Aber es kam noch besser als wir dann Raps mit der Genschere bearbeitet haben, also mit dem CRISPR/Cas9-System. Wir wollten auf diese Weise bestimmte Gene gezielt ausschalten. Beim Raps ist das besonders kompliziert, weil ein Großteil seiner Gene in mehreren Kopien vorliegt. Bei einem für uns interessanten Gen sind es gleich neun Kopien. Und da alle Gene in doppelter Ausführung im Genom vorkommen, sind es insgesamt sogar 18 Allele. Alle auf einmal zu bearbeiten, ist extrem schwierig. Doch das WUSCHEL-Gen scheint nicht nur die Regeneration der Pflanzen zu fördern, sondern auch die Effizienz der Geneditierung zu steigern! Mit unserer Methode konnten wir mehrere Genkopien gleichzeitig editieren, was die Forschung deutlich beschleunigte.

Pflanzenforschung.de: Warum ist es wichtig, gleich mehrere Genkopien auszuschalten?

Kea Ille: In der Vergangenheit war es bei Raps oft schwierig, die Funktion bestimmter Gene zu verstehen. Wenn nur eine Kopie eines Gens ausgeschaltet wird, können die anderen Kopien noch die Funktion übernehmen, sodass keine merkbaren phänotypischen Veränderungen bei den Pflanzen auftreten. Besonders beim Raps, der so viele Genkopien besitzt, ist es daher sehr hilfreich, mehrere Kopien gleichzeitig zu inaktivieren. Dadurch haben wir viel stärkere und eindeutigere Ergebnisse, die uns helfen, gezielt Rückschlüsse auf die Genfunktionen zu ziehen. Ohne diese Methode hätte man über Jahre hinweg viele Pflanzen miteinander kreuzen müssen, um ähnliche Ergebnisse zu erzielen – ein sehr aufwendiger Prozess.

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Die Blüten von Rapspflanzen mit ausgeschaltetem CLV3-Gen sind verändert.

Die Blüten von Rapspflanzen mit ausgeschaltetem CLV3-Gen sind verändert.

Bildquelle: © Kea Ille

Pflanzenforschung.de: Haben Sie bereits konkrete Veränderungen an den editierten Pflanzen beobachtet?

Kea Ille: Ja, wir haben beispielsweise die Gene namens BnCLV3 und BnSPL9/15 inaktiviert. Bei den BnCLV3-Mutanten haben wir Veränderungen im Apikalmeristem festgestellt, dem Wachstumszentrum der Pflanze. Bei den BnSPL9/15-Mutanten konnten wir Veränderungen im Blühzeitpunkt und in der allgemeinen Pflanzenentwicklung beobachten. Diese Phänotypen traten bereits nach wenigen Monaten in den ersten transformierten Pflanzen auf, was für uns ein großer Erfolg war.

Pflanzenforschung.de: Es scheint, als ob Ihre Methode neue Möglichkeiten in der Grundlagenforschung eröffnet. Welche weiteren Anwendungen sehen Sie in der Zukunft?

Kea Ille: Wir sind überzeugt, dass unsere Methode ein wertvolles Instrument für die Forschung darstellt. Sie ermöglicht eine schnellere und präzisere Untersuchung und Veränderung genetischer Eigenschaften.

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Kea Ille setzt ihre erfolgreich regenerierten Pflanzen aus der Gewebekultur in Erde. 
 

Kea Ille setzt ihre erfolgreich regenerierten Pflanzen aus der Gewebekultur in Erde. 
 

Bildquelle: © Annika Schildberg

Besonders bei der Verbesserung von Krankheitsresistenzen oder der Anpassung an veränderte Umweltbedingungen könnte das gewonnene Wissen große Fortschritte ermöglichen. Darüber hinaus sehen wir das Potenzial, diese Methode auf andere Pflanzenarten anzuwenden, die bisher schwer zu transformieren waren – was in vielen Bereichen der Landwirtschaft und Pflanzenforschung von großem Nutzen sein könnte.

Pflanzenforschung.de: Gab es Momente, in denen Sie oder Ihr Team die Hoffnung fast aufgegeben hätten? Besonders nach den anfänglichen Schwierigkeiten mit der Zuckerrübe und den bekannten Problemen beim Winterraps?

Kea Ille: Natürlich gab es frustrierende Phasen. Besonders die lange Zeit ohne Fortschritte bei der Zuckerrübe war belastend. Aber Aufgeben war für uns nie eine Option. Wir haben kontinuierlich neue Ideen entwickelt und alternative Ansätze verfolgt. Hartnäckigkeit und gegenseitige Motivation im Team haben uns vorangetrieben. Als sich schließlich die ersten Erfolge beim Winterraps zeigten, war das ein unbeschreibliches Glücksgefühl und ein fantastischer Lohn für unsere Ausdauer.

Vermutlich gehört auch ein bisschen Glück dazu, dass gerade diese spezielle Kombination so gut funktionierte. Aber ohne die jahrelange Grundlagenarbeit und die Bereitschaft, immer wieder neue Wege zu gehen, wäre dieser Erfolg sicher nicht möglich gewesen

Pflanzenforschung.de: Haben Sie vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für Ihre Vorhaben!


Im Text verlinkte Studie von Kea Ille aus dem Projekt Epibrass:

Ille, K., and Melzer, S. "Efficient and Versatile Rapeseed Transformation for New Breeding Technologies." In: bioRxiv 2024.11.06.622292 (2024) doi.org/10.1101/2024.11.06.622292

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Die Forscherin Kea Ille entwickelte eine effiziente Methode zur Transformation von Winterraps und machte damit einen wichtigen Schritt für die Züchtung klimaresilienter Nutzpflanzen. (Bildquelle: © Sören Henning)