Zum beiderseitigen Vorteil
Wie Bakterien das Immunsystem von Pflanzen austricksen

Bakterium mit Flagellen zur Fortbewegung – Das Protein Flagellin, aus dem die Flagellen aufgebaut sind, dient Pflanzen als Erkennungsmerkmal für bakterielle Anwesenheit. (Bildquelle: © Yutaka Tsutsumi, Dept. of Pathology Fujita / Health University School
Bestimmte Bakterien können das Immunsystem von Pflanzen gezielt unterdrücken – und sich so ungestört in den Wurzeln ansiedeln. Forschende des Max-Planck-Instituts entdeckten, dass dieser Trick nicht nur den Mikroben hilft, sondern in manchen Fällen auch das Pflanzenwachstum fördern kann. Die Erkenntnisse könnten neue Ansätze für eine nachhaltige Landwirtschaft liefern.
Von außen wirken Pflanzen oft wehrlos. Doch tatsächlich haben sie ein hochkomplexes Immunsystem, das Krankheitserreger erkennt und abwehrt. Forscher:innen des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung haben nun entdeckt, dass bestimmte Bakterien, die auf Pflanzenwurzeln leben, diese Abwehrmechanismen gezielt unterdrücken können. Klingt gefährlich? Ist es aber nicht unbedingt – denn diese Fähigkeit verhilft nützlichen Mikroben zu einem Vorteil und spielt eine zentrale Rolle im gesunden Pflanzenwachstum.
Ein unsichtbarer Kampf an den Wurzeln

Besiedlung der Wurzeln durch Bakterien der Wurzelmikrobiota.
Bildquelle: © S. Hacquard
Die Wurzeln einer Pflanze sind eine Art unterirdische Metropole für unzählige Mikroorganismen – die sogenannte Wurzelmikrobiota. Sie besteht aus nützlichen, neutralen und potenziell schädlichen Bakterien. Um sich gegen gefährliche Keime zu schützen, überprüfen Pflanzen ständig ihre Umgebung auf „Alarmsignale“. Eines der wichtigsten Signale ist Flagellin – ein Protein, das Bakterien zur Fortbewegung nutzen. Sobald eine Pflanze Flagellin erkennt, schlägt ihr Immunsystem Alarm. Die Immunabwehr kostet allerdings Energie, die dann nicht für das Wachstum zur Verfügung steht.
Doch hier wird es interessant: Auch viele harmlose Bakterien, sogenannte kommensale Mikroben, besitzen Flagellin. Warum werden sie nicht ebenfalls von der Pflanze bekämpft? Und wie können sie sich trotzdem so erfolgreich in den Wurzeln ansiedeln?
Immuntrickser unter den Wurzelbewohnern
Die Antwort fanden die Forschenden unter der Leitung von Ka-Wai Ma und Paul Schulze-Lefert in einer besonderen Gruppe von Mikroben: den Xanthomonadales. Diese Bakterien sind ein zentraler Bestandteil der pflanzlichen Mikrobiota – und sie besitzen eine erstaunliche Fähigkeit: Sie können das Immunsystem der Pflanze gezielt unterdrücken.

Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) auf Nährmedium. Flagellin aktiviert Immunreaktionen, die Ressourcen auf Abwehr umlenken und das Wachstum reduzieren. Rhodanobacter gleicht dies durch ein Transportsystem und den Abbau von Flagellin aus.
Bildquelle: © Jana Ordon / Max Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung
In Laborexperimenten mit der Modellpflanze Arabidopsis entdeckte das Team, dass rund 40 % der Bakterien auf gesunden Pflanzenwurzeln die Immunreaktion der Pflanze unterdrücken können. Besonders effektiv ist der Stamm R179, ein Vertreter der Xanthomonadales. Dieser Mikroorganismus hat gleich mehrere Tricks auf Lager:
- Er eliminiert Immun-Signale: R179 entfernt gezielt Flagellin und andere Moleküle, die das pflanzliche Immunsystem aktivieren würden.
- Er setzt Immunblocker ein: Die Forschenden identifizierten Transporter in R179, die mutmaßlich spezielle Moleküle ausschütten, um die Immunreaktion der Pflanze zu dämpfen.
- Er tarnt nicht nur sich selbst, sondern auch andere: R179 hilft sogar anderen Bakterien in der Wurzelgemeinschaft, sich der Erkennung durch das Immunsystem zu entziehen.
Mit diesen Mechanismen verschafft sich R179 einen Wettbewerbsvorteil: Während andere Bakterien von der pflanzlichen Abwehr attackiert werden, kann sich R179 ungestört vermehren und sogar seine mikrobiellen Mitbewohner mit in seine Tarnung einbeziehen.
Warum ist das nützlich?
Auf den ersten Blick scheint es problematisch, dass Bakterien das Immunsystem von Pflanzen unterdrücken können. Doch diese Fähigkeit ist nicht nur für die Mikroben selbst ein Vorteil, sondern auch für die Pflanze. Denn eine stark aktivierte Immunabwehr kostet Energie, die dann nicht für Wachstum und Nährstoffaufnahme zur Verfügung steht. Indem bestimmte Bakterien die Abwehrreaktionen dämpfen, ermöglichen sie eine ausgewogene Wurzelgemeinschaft – und eine gesunde Pflanze.
Die Forschung zeigt also, dass das pflanzliche Mikrobiom nicht nur ein passiver Bewohner der Wurzeln ist, sondern aktiv das Immunsystem der Pflanze beeinflusst. Die Fähigkeit zur Immunsuppression hat wahrscheinlich dazu beigetragen, dass sich die Xanthomonadales als feste Bestandteile der Pflanzenmikrobiota etablieren konnten.
Neue Wege für mehr Nachhaltigkeit
Möglicherweise lassen sich mit dem neuen Wissen gezielt nützliche Bakterien einsetzen, um Pflanzen widerstandsfähiger und ertragreicher zu machen. Das Wissen über die Tricks der Wurzelmikroben ist also nicht nur faszinierend, sondern könnte auch einen nachhaltigen Beitrag zur Landwirtschaft der Zukunft leisten.
Quelle:
Ordon, J., Logemann, E., Maier, LP. et al. (2025): Conserved immunomodulation and variation in host association by Xanthomonadales commensals in Arabidopsis root microbiota. Nat. Plants (2025). Doi: 10.1038/s41477-025-01918-w
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Titelbild: Bakterium mit Flagellen zur Fortbewegung – Das Protein Flagellin, aus dem die Flagellen aufgebaut sind, dient Pflanzen als Erkennungsmerkmal für bakterielle Anwesenheit. (Bildquelle: © Yutaka Tsutsumi, Dept. of Pathology Fujita / Health University School of Medicine / Wikimedia)