Kalkmagerrasen
Kalkmagerrasen sind besonders artenreiche, halboffene Graslandökosysteme, die sich auf flachgründigen, kalkhaltigen Böden entwickelt haben. Sie entstehen traditionell durch extensive landwirtschaftliche Nutzung wie Beweidung mit Schafen oder Ziegen und gelegentliche Mahd, meist ohne den Einsatz von Dünger oder intensiver Bodenbearbeitung. Typisch für Kalkmagerrasen sind niedrige, lückige Vegetationsbestände, die eine Vielzahl von spezialisierten Pflanzenarten beherbergen, darunter viele Orchideen, Enziane und andere kalkliebende Gewächse. Auch zahlreiche Insektenarten, insbesondere Wildbienen, Schmetterlinge und Heuschrecken, sind an diese Lebensräume angepasst. Die große Biodiversität dieser Flächen ergibt sich vor allem aus den extremen Standortbedingungen: Die Böden sind nährstoffarm, trocken und oft starker Sonneneinstrahlung ausgesetzt, was konkurrenzstarken Arten das Überleben erschwert und Platz für spezialisierte, konkurrenzschwache Pflanzen bietet.
Kalkmagerrasen gelten als sogenannte sekundäre Lebensräume, da sie ohne menschliche Nutzung, insbesondere durch traditionelle Weidewirtschaft, nicht entstanden wären. Historisch sind sie in Mitteleuropa vor allem durch mittelalterliche Landnutzung entstanden und wurden über viele Jahrhunderte erhalten. Heute zählen sie zu den am stärksten gefährdeten Lebensraumtypen, weil traditionelle Nutzungsformen zunehmend aufgegeben werden. In der Folge verbuschen viele Flächen, werden aufgeforstet oder durch invasive Pflanzenarten wie die Aufrechte Trespe (Bromus erectus) verdrängt. Auch die intensive Landwirtschaft mit Düngung und Bodenverbesserung hat viele Kalkmagerrasenflächen zerstört.
Zum Schutz der Kalkmagerrasen wurden sie in die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) der Europäischen Union aufgenommen, wodurch sie europaweit unter besonderem Schutz stehen. Erhaltungsmaßnahmen umfassen vor allem die Wiederaufnahme traditioneller Nutzungsformen wie extensive Beweidung, zweimalige Mahd im Jahr sowie gezielte Entbuschung. Nur durch regelmäßige Pflege kann die offene Struktur bewahrt und eine fortschreitende Verarmung der Artenvielfalt verhindert werden. Kalkmagerrasen sind nicht nur wertvolle Hotspots der biologischen Vielfalt, sondern auch kulturelle Landschaften, die Zeugnis jahrhundertealter menschlicher Nutzung ablegen.