Ultra-long-Sequencing
Ultra-long-Sequencing ist eine Sequenzierungsmethode, die besonders lange DNA- oder RNA-Fragmente in einem einzigen Durchgang sequenzieren kann. Dabei werden sogenannte Reads mit einer Länge von oft über 100 Kilobasen (kb) und in einigen Fällen sogar über 2 Megabasen (Mb) erzeugt. Diese Technologie ermöglicht es, große Genomabschnitte oder ganze Chromosomen ohne Unterbrechungen zu analysieren, was einen entscheidenden Vorteil gegenüber herkömmlichen Sequenziermethoden wie der Illumina-Technologie bietet, die nur relativ kurze Reads von 150 bis 300 Basenpaaren erzeugt. Die Plattform von Oxford Nanopore Technologies (ONT) ist führend in diesem Bereich und nutzt Nanoporen, durch die DNA- oder RNA-Moleküle gezogen werden. Während des Prozesses werden elektrische Signale gemessen, die es ermöglichen, die Basensequenz direkt zu entschlüsseln.
Ultra-long-Sequencing spielt eine zentrale Rolle bei der Genomanalyse, insbesondere bei der Assemblierung vollständiger Genome (de-novo-Genomassemblierung), der Untersuchung komplexer genetischer Strukturen und der Identifizierung von strukturellen Varianten wie Deletionen, Duplikationen oder Inversionen. Es ist besonders nützlich für die Analyse von repetitiven Sequenzen, wie sie beispielsweise in Telomeren oder Zentromeren vorkommen, da diese mit herkömmlichen Sequenziermethoden oft unzureichend erfasst werden. Ein weiterer bedeutender Vorteil der Technologie ist die Möglichkeit, epigenetische Modifikationen wie DNA-Methylierungen direkt zu detektieren, ohne zusätzliche chemische Analysen durchführen zu müssen.
Die Methode ist jedoch nicht ohne Herausforderungen. Während sie lange Reads und damit eine hohe Abdeckung komplexer Genomregionen bietet, ist die Genauigkeit der Basenerkennung derzeit geringer als bei der Illumina-Sequenzierung. Diese Einschränkung kann jedoch durch die Konsensus-Sequenzierung, bei der mehrere Reads kombiniert werden, teilweise ausgeglichen werden. Darüber hinaus erfordert Ultra-long-Sequencing eine intakte, hochmolekulare DNA als Ausgangsmaterial, was die Probenvorbereitung anspruchsvoller macht. Die Datenanalyse ist ebenfalls komplex und setzt spezielle bioinformatische Werkzeuge voraus, um die Sequenzen korrekt zu dekodieren und zu interpretieren.
Ultra-long-Sequencing hat vor allem in der Genomik bahnbrechende Fortschritte ermöglicht. Es wird in Bereichen wie der Analyse menschlicher Referenzgenome, der Erforschung polyploider oder hochrepetitiver Genome (etwa bei Pflanzen) und der Untersuchung genetischer Variationen eingesetzt. Auch in der medizinischen Forschung, etwa zur Untersuchung genetischer Erkrankungen oder in der Onkologie, hat es eine wichtige Rolle eingenommen. Diese Technologie bietet einen tiefen Einblick in die Struktur und Funktion komplexer Genome und wird durch stetige Verbesserungen in der Sequenzierungstechnologie und Datenanalyse immer vielseitiger und zugänglicher.