Von der Schrottkarre zur Rohstoffquelle
Das Kreislaufprinzip kann auch bei Autos funktionieren, aber Forschung tut Not
09.12.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de
Was ist ein Plantainment?
Wissen und Fakten über Pflanzen. Kurz, knackig und leicht verständlich. Das heißt bei uns „Plantainment“. Mit wechselnden Spezialthemen informieren die Plantainments lebensnah und anschaulich über Entwicklungen und Innovationen in der Pflanzenforschung.
Diesmal widmen wir uns dem Thema Mobilität - "Pflanzenautos - dasselbe in grün?"
Ökologische und wirtschaftliche Gründe zwingen die Automobilhersteller zu grünerem Denken. Sie müssen sich bereits bei der Produktion damit auseinandersetzen, wie sie ihre Fahrzeuge recyceln wollen. Der Schlüssel dafür könnte auch in altbekannten Materialien liegen.
Früher war unsere Fortbewegung grüner. Die Pferdekutsche bestand aus Holz und wenn das Pferd Hunger hatte, fraß es Hafer. Nachwachsende Rohstoffe dominierten die Transportindustrie. Heute sieht das anders aus. Moderne Autos bestehen zu etwa 70 Prozent aus Metall, gefolgt von 17 Prozent Plastik. Außerdem verbrennen ihre Motoren hauptsächlich Benzin oder Diesel. Nachhaltig ist das nicht.
Das Problem ist nicht nur, dass die motorisierte Fortbewegung Kohlendioxid in die Luft bläst. Auch das Recycling der Autos stellt die Hersteller vor große Herausforderungen. In den elektrotechnischen Meisterwerken stecken neben Stahl und Plastik auch wertvolle Buntmetalle. Etwa 10 Kilogramm Kupfer fahren in einem Mittelklassewagen über die Straße, Hybridautos bringen es dazu auf die stolze Summe von zehn bis zwölf Kilogramm der seltenen Erden.
Recycling ist mehr als Müllverbrennung
Gemäß einer EU-Richtlinie dürfen zukünftig nur noch fünf Gewichtsprozent eines Autos als Restmüll auf der Halde landen. Das ist etwa so viel, wie in eine kleine Haushaltsmülltonne passt. Zehn Prozent können in Verbrennungsanlagen zur Energieerzeugung genutzt werden, aber der Großteil, nämlich 85 Prozent, muss stofflich oder werkstofflich wiederverwertet werden. Das bedeutet, dass nach dem Recyclingprozess neue Produkte aus den zurückgewonnen Rohstoffen hergestellt werden müssen.
Je mehr Einzelteile aus unterschiedlichen Materialien in einem Auto verbaut werden, desto komplizierter wird das Recycling. Die Flüssigkeiten werden entfernt und die noch brauchbaren Großteile abmontiert, doch die Restkarosserie wandert wie eh und je in den Schredder.
Diese Schredderfraktion beträgt weit mehr als die erlaubten fünf Prozent Abfall, also wird nach dem Zerhäckseln weiter getrennt. Die Metalle stellen das geringste Problem dar. Eisen, Kupfer und Aluminium werden einfach wieder eingeschmolzen und weiterverwendet. Komplizierter wird es bei der Nichtmetallfraktion, also dem großen Gemisch an Textilfasern, Polymerwerkstoffen, Glas, Rost, Lackresten und so weiter.
Abspecken auch für Autos
Zwar haben die Autohersteller Fortschritte dabei gemacht, diese Schredder-Leichtfraktion in ihre unterschiedlichen Bestandteile aufzutrennen, doch noch immer gehen hier viele wertvolle Rohstoffe verloren. Gerade die seltenen Erdmetalle sind sehr schwer zu recyceln, weil sie nur in winzigen Mengen in Autos vorkommen, hauptsächlich in der ausgeklügelten Elektronik.
Die moderne Ausstattung ist auch einer der Gründe, warum Autos immer schwerer werden. Jedes Auto bringt pro Jahr durchschnittlich zehn Kilogramm mehr Gewicht auf die Waage. Das hängt einerseits damit zusammen, dass sich die Fahrzeuge oft unmerklich ein paar Zentimeter strecken und dehnen. Andererseits haben auch Bauteile wie die riesigen Batterien der Elektroautos ihren Anteil daran. Doch jedes überflüssige Kilogramm schlägt sich negativ auf den Verbrauch des Motors nieder. Deshalb lieben Autobauer: leichte Materialien.
Moderne Materialien sind besonders langlebig
Der Überflieger in Sachen Leichtigkeit ist Plastik. 220 Kilogramm davon werden in einem durchschnittlichen Auto verbaut. Das größte Manko beim Recycing aber ist seine lange Lebensdauer. Die Erdölpolymere wollen einfach nicht verrotten. Zahlreiche Forschungsgruppen arbeiten daran, Mikroorganismen davon zu überzeugen, sich künftig an Plastik zu laben. Doch diese Projekte stecken noch in den Kinderschuhen und plastikfressende Bakterien sind bisher ein Wunschtraum. Bioplastik - also Plastik, das aus pflanzlichen Ausgangsstoffen gewonnen wurde - steht übrigens kaum besser da.
Ein wenig schwerer, aber deutlich gewiefter in seinen Eigenschaften ist Carbon, eigentlich Kohlenfaserverstärkter Kunststoff (CFK). Es wiegt nur halb so viel wie Aluminium und nur ein Fünftel so viel wie Stahl und hat trotzdem eine extrem gute Festigkeit und Steifigkeit. Besonders Hersteller von Elektrofahrzeugen setzen deshalb bei ihrer Karosserie auf Carbon. Doch seine Herstellung ist teuer und das Recycling bisher nicht gelöst.
Vielleicht liegt der Schlüssel zum Erfolg also nicht in neuerdachten, sondern in altbekannten Materialien? Die Kohlenstofffasern im Carbon werden bisher aus Erdöl hergestellt, aber auch die Holzbestandteile Lignin oder Zellulose sind prinzipiell geeignet. Fasern aus Polymilchsäure oder Bioethanol könnten synthetische Fasern ersetzen und Baumwolle, Hanf, Flachs oder Jute kämen als Ersatz für konventionelle Fasern in Frage. Wenn das Auto eines Tages verschrottet wird und im Schredder landet, dann würden die pflanzlichen Fasern verrotten und zu Kompost werden.
Lignin und Zellulose statt Carbonfasern
Auch die Matrix, in die die Fasern eingebettet werden, muss nicht aus Erdöl hergestellt werden. Polyamid (PA) und Polypropylen (PP) könnten auch aus biologischen Ausgangsstoffen entstehen, Bio-PA und Bio-PP also. An der Fachhochschule Hannover beschäftigt sich das Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe (IfBB) im Rahmen des Projekts „Bioconcept Car“ intensiv mit den Möglichkeiten, ein Auto aus nachwachsenden Rohstoffen zu konstruieren. Prototypen gibt es bereits.
Für die Karosserie verwendeten die Studenten naturfaserverstärktes Duromer und im Innen- und Motorraum wurden biobasierte Kunststoffe verbaut. Das Projekt zeigt, dass es auch in einem so hochtechnologischen Bereich wie der Automobilindustrie zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten für biobasierte Werkstoffe gibt.
Doch wie bei der Bioplastik bereits erwähnt, muss auch hier ergänzt werden: Nicht alles, was aus natürlichen Rohstoffen geschaffen wird, zerfällt auf dem Komposthaufen wieder in seine Einzelteile. Die Forschung an Materialen, die nicht nur aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen, sondern auch problemlos biologisch abbaubar sind, muss deshalb weitergehen.
Vermutlich wird ein so komplexer Gebrauchsgegenstand wie ein Auto nie komplett recycelbar sein. „Zum Fressen gern“ werden wir Autos wohl nie haben können, spezialisierte Mikroorganismen schon eher. Materialien wie Metalle lassen sich oft gar nicht durch kompostierbare Materialien ersetzen und sicher werden Stahl und Plastik nicht komplett durch Holz und Hanf ausgetauscht werden. Aber im Angesicht einer wachsenden Weltbevölkerung, die immer mehr Konsumgüter verbraucht, werden Hersteller zukünftig von Anfang an in Kreisläufen denken müssen. Dann können sie auch Schrottkarren noch als Rohstoffquelle nutzen.