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Steigende Temperaturen bedrohen die Pflanzenvielfalt

17.01.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Steigende Temperaturen stressen Pflanzen. (Bildquelle: © Pixabay/CC0)

Steigende Temperaturen stressen Pflanzen. (Bildquelle: © Pixabay/CC0)

Die zu erwartenden höheren Temperaturen durch den Klimawandel werden starke Auswirkungen auf die Physiologie und Morphologie von Wild- und Nutzpflanzen haben. Während die Nutzpflanzen durch den Menschen für den Klimawandel fit gemacht werden könnten, haben die Wildpflanzen das Nachsehen. Nur schnelle Anpassung oder Abwanderung in kühlere Habitate würden sie retten – oder schnelles politisches Handeln.

Ungewohnt hohe Temperaturen stressen alle Pflanzen und bringen ihre Entwicklung sowie ihre Physiologie durcheinander. Besonders Wildpflanzen sind betroffen: Können sie sich nicht schnell genug anpassen oder in andere Regionen ausweichen, könnten viele Arten in absehbarer Zeit aussterben. Um das zu verhindern, muss man zunächst die Wirkung erhöhter Temperaturen in einer Pflanze verstehen. In einer neuen Metastudie haben Forscher der Martin Luther Universität in Halle-Wittenberg jetzt die aktuellsten Studien zu diesem Themengebiet zusammengefasst.

Von der Keimung bis zur Reife

Klimatische Veränderungen, vor allem erhöhte Temperaturen bis hin zu Hitzewellen, haben einen großen Einfluss auf den Entwicklungszyklus und die Morphologie von Wildpflanzen. Bereits bei der Entwicklung der Samen an der Mutterpflanze konnten Forscher einen Effekt der Umgebungstemperatur beobachten. Hierzu machten sie Untersuchungen an der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana). So entscheidet die Temperatur darüber, ob die reifen Samen in eine Keimruhe (Dormanz) eintreten und dann erst nach dem Winter auskeimen. Bereits ein Grad machte hier einen Unterschied: Samen, die sich unter 14 Grad Celsius entwickelten, gingen in Keimruhe über. Bei Temperaturen über 15 Grad Celsius war dies nicht mehr der Fall.

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Anbau und Ernte von Weizen könnte in Zukunft stark durch Hitzewellen beeinträchtigt werden.

Anbau und Ernte von Weizen könnte in Zukunft stark durch Hitzewellen beeinträchtigt werden.

Bildquelle: © Pixabay/CC0

Auch für die Beendigung der Keimruhe ist die Temperatur entscheidend. Viele Pflanzenarten der gemäßigten Breiten brauchen eine genügend lange kalte Periode. Fällt diese Phase im Winter zu kurz aus, bleiben die Samen möglicherweise auch im Frühling weiter in Keimruhe. Mit den auch bei uns im Winter ansteigenden Durchschnittstemperaturen könnte so eine ausreichende Fortpflanzung dieser Pflanzen in Gefahr geraten.

Die Morphologie verändert sich

Höhere Temperaturen nehmen auch Einfluss auf den Aufbau einer Pflanze. Bei jungen Arabidopsis-Pflanzen bilden sich unter höheren Temperaturen offenere Rosetten. Das soll eine bessere Transpiration und damit Kühlung der Pflanze bewirken. Gleichzeitig werden die Blätter der wachsenden Pflanzen dünner, schmaler und die Zellen der Blattspreite kleiner. Auch die Stomatadichte und der Chlorophyllgehalt der Blätter nehmen bis 25 Grad Celsius zu, um dann wieder zu sinken.

Dies sind vermutlich Anpassungen an die erhöhte Netto-Photosyntheserate bei gleichzeitiger Verknappung von Wasser, CO2 und Nährstoffen. Hohe Temperaturen können zudem zu mehr deformierten männlichen Blüten und sterilen Pollen führen. Auch die Pollenbildung wird durch steigende Temperaturen beeinflusst. So neigen Chromatiden bei der Meiose unter diesen Bedingungen verstärkt zu einem Crossing-over, vermutlich um die Mutationsrate und damit die Wahrscheinlichkeit einer Anpassung an die neuen Umweltbedingungen zu erhöhen. 

Photosynthese unter Hitzestress

Ebenso wird die Photosynthese durch Hitze beeinflusst. Während C4- und CAM-Pflanzen mit höheren Temperaturen und Trockenheit besser zurecht kommen, werden C3-Pflanzen die größten Probleme haben. Generell sinkt die Photosyntheseleistung, sobald eine Optimaltemperatur (abhängig von der Pflanzenart) überschritten wird, während parallel die Atmung (Respiration) sowie die Photorespiration ansteigen. Zudem wird das Enzym RuBisCo-Activase durch steigende Temperaturen inhibiert, so dass weniger RuBisCo zur Verfügung steht.

Der erhoffte wachstumsfördernde Effekt einer „CO2-Düngung“ durch erhöhte Kohlendioxidkonzentrationen in unserer Atmosphäre konnte allerdings nur im Labor, aber bisher nicht unter Freilandbedingungen nachgewiesen werden. Verantwortlich ist vermutlich eine zu langsame Regeneration von Ribulose-1-Bisphosphat, das für die CO2-Fixierung wichtig ist. Zudem kommen unter Freilandbedingungen noch andere Faktoren dazu, die einen positiven CO2-Effekt zunichtemachen können, vor allem die geringere Verfügbarkeit von Wasser und Nährstoffen.

Ähnliche Effekte bei Nutzpflanzen

Seit Jahren kann beobachtet werden, dass sich die Blütezeiten von Wildpflanzen im Frühjahr nach vorne verschieben, wie zwei Studien aus den USA und Großbritannien an 500 bzw. 400 Pflanzenarten zeigen. Ebenso verlängert sich die Vegetationszeit im Herbst.

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Wenn es in den aktuellen Anbaugebieten für Soja zu warm wird, könnte er zukünftig auch in Europa angebaut werden, wo es jetzt noch zu kühl ist.

Wenn es in den aktuellen Anbaugebieten für Soja zu warm wird, könnte er zukünftig auch in Europa angebaut werden, wo es jetzt noch zu kühl ist.

Bildquelle: © Dusan Kostic / Fotolia.com

Dieses Phänomen kann auch bei Nutzpflanzen beobachtet werden. Dafür untersuchten die Forscher Winterweizen (Triticum aestivum) und Sojabohne (Glycine max). Für Soja, der im Frühling keimt und an wärmere Klimate angepasst ist, könnte es durch die Verlängerung der Vegetationsperiode zu einer früheren Keimung und zu einem Zuwachs an Biomasse kommen. Er produziert dadurch möglicherweise aber auch weniger Samen, da die größere Blattmasse die unteren Blätter beschattet und so die Photosyntheserate der Pflanze insgesamt sinken könnte.

Da Winterweizen im Oktober gesät wird, werden zumindest junge Pflanzen durch Hitzewellen kaum gestresst. Allgemein werden daher Wintersaaten gegenüber Sommersaaten unter erhöhten Temperaturen in Zukunft im Vorteil sein, vermuten die Forscher. Allerdings hat die Temperatur auch hier einen Einfluss auf die Keimung und Entwicklung junger Weizenpflanzen. Höhere Temperaturen können eine frühere Keimung bewirken. Das könnte wiederum zu einem verfrühten Wachstum vor der winterlichen Kältephase führen und die Gefahr von Frostschäden erhöhen. Die Blühphase kann wiederum durch eine zu kurze Kältephase (Vernalisation) beeinträchtigt werden: weniger Blüten und damit Ertrag wären die Folgen.

Ernteeinbußen bei höheren Temperaturen wahrscheinlich

Die meisten Einschränkungen wird es vermutlich beim Fruchtansatz geben. Winterweizen kommt im Frühsommer in die reproduktive Phase, wenn die Gefahr von Hitzewellen und Trockenheit steigt. Neben negativen Auswirkungen bei der Befruchtung können hohe Temperaturen ein verfrühtes Altern der oberen Blätter bewirken, was sich wiederum negativ auf die Photosyntheseleistung und den Assimilattransport in die Samen auswirkt. Ab Durchschnittstemperaturen von 28 Grad würde der Ernteertrag deutlich sinken. Gleiches konnte für Soja beobachtet werden: Hier sanken die Erträge, wenn die Durchschnittstemperatur fünf Grad über dem Optimum lag. 1,5 und drei Grad Celsius darüber hatten noch keinen nennenswerten Effekt. 

Diese Ergebnisse zeigen: Die Pflanzenzüchtung muss große Herausforderungen bewältigen, damit auch in Zeiten des Klimawandels noch ausreichend hohe Erträge erzielt werden. Nach Meinung der Forscher werden Nutzpflanzen aus wärmeren Klimaten in Zukunft dort angebaut, wo es jetzt noch zu kühl ist, also auch bei uns in Mitteleuropa. Aber auch physiologische und morphologische Anpassungen werden nötig sein. Die Aktivität der RuBisCo-Activase muss an höhere Temperaturen angepasst werden, die Photorespiration könnte zur Erhöhung der CO2-Assimilation reduziert werden und auch ein Umbau der Pflanzenarchitektur wäre vorteilhaft: horizontale Blätter im unteren Pflanzenbereich und oben mehr vertikal orientierten Blättern zur besseren Lichtausbeute.

Während Nutzpflanzen durch Züchtung prinzipiell fit für den Klimawandel gemacht werden können, brauchen Wildpflanzen ein schnelles Handeln der Politik. Sonst werden viele Arten in den nächsten Jahrzehnten aussterben, warnen die Forscher.


Quelle:
Lippmann, R. et al. (2019): Development of wild and cultivated plants under global warming conditions. In: Current Biology 29, (16. Dezember 2019), doi: 10.1016/j.cub.2019.10.016.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Steigende Temperaturen stressen Pflanzen. (Bildquelle: © Pixabay/CC0)