Ein Medikament für die Landwirtschaft?

Medizinischer Wirkstoff wirkt auch gegen Pilzerkrankungen bei Kulturpflanzen

02.10.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Pilzkrankheiten sind in der Landwirtschaft oft Ursache von Missernten. (Bildquelle: ©  Photozi / Fotolia.com)

Pilzkrankheiten sind in der Landwirtschaft oft Ursache von Missernten. (Bildquelle: © Photozi / Fotolia.com)

Pilzkrankheiten bei Kulturpflanzen sind weit verbreitet und gefürchtet. WissenschaftlerInnen einer deutsch-brasilianischen Forschungskooperation haben nun eine gänzlich neue Bekämpfungsstrategie entwickelt: Acetohydroxamsäure heißt der chemische Stoff, der in der Medizin bereits gegen bestimmte pathogene Mikroorganismen zum Einsatz kommt. In einer neuen Studie zeigt das Forscherteam, dass dieser Enzyminhibitor auch gegen Pflanzenpathogene wirksam ist.

Pilzkrankheiten wie Mehltau, Blatt-Anthraknose und Kraut- und Knollenfäule sind in der Landwirtschaft oft Ursache von Missernten. Viele Fungizide, die im Kampf gegen die Erreger eingesetzt werden, sind jedoch mittlerweile unwirksam. Ursache ist, dass Pilzerreger Resistenzen gegen die Wirkstoffe entwickeln. Neue und vor allem nachhaltige Bekämpfungsstrategien werden daher dringend gesucht.

Stickstoffversorgung als Ansatzpunkt

Eine Gruppe von WissenschaftlerInnen der Universitäten Halle-Wittenberg (MLU) und Paraná in Brasilien ist nun auf eine besondere Schwachstelle der Pilzerreger gestoßen: Ihre Abhängigkeit von Stickstoff. Pilzsporen, die sich auf der Blattoberfläche einer Pflanze entwickeln, haben noch keinen Zugang zu den Stickstoffquellen ihres Wirts. Um Keimen und in das Wirtsgewebe eindringen zu können, mobilisieren die Sporen zunächst Stickstoff durch Abbau eigener stickstoffhaltiger Moleküle. Mutmaßlich handelt es sich dabei hauptsächlich um Purinbasen, also einer der Bausteine von DNA- und RNA-Molekülen.

Mit Mutanten wurde das Rätsel entschlüsselt

Das Forscherteam hatte die Idee, genau diesen Prozess zu blockieren. Kein Stickstoff, keine Keimung, keine Infektion. Die Stoffwechselwege zur Mobiliserung von Stickstoff waren bisher allerdings wenig untersucht.

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Auf beide Ackerbohnen-Pflanzen wurden Sporen des Pilzes Uromyces viciae-fabae gegeben. Die linke Pflanze ist unbehandelt und man sieht den Pilzbefall deutlich. Die rechte Pflanze wurde mit Acetohydroxamsäure behandelt. Hier konnte der Pilz keinen Schaden anrichten.

Auf beide Ackerbohnen-Pflanzen wurden Sporen des Pilzes Uromyces viciae-fabae gegeben. Die linke Pflanze ist unbehandelt und man sieht den Pilzbefall deutlich. Die rechte Pflanze wurde mit Acetohydroxamsäure behandelt. Hier konnte der Pilz keinen Schaden anrichten.

Bildquelle: © Perino et al. in Phytopathology

Bekannt ist aber die Rolle der Enzyme Allantoicase und Urease beim Purinabbau. Allantoicase katalysiert den letzten Schritt des Purinabbaus, die Umwandlung der Allantoinsäure in Harnstoff. Die Urease wiederum ist für die Spaltung von Harnstoff durch Wasser in Kohlendioxid und Ammoniak verantwortlich. Entsprechende Knock-out-Mutanten dieser Gene hat das Team dann beim Erreger der Blatt-Anthraknose (Colletotrichum graminicola) erzeugt. Pflanzenpathologe Prof. Dr. Holger Deising von der MLU erläutert: „Wir haben dann die verschiedenen Pilz-Mutanten jeweils auf die Pflanzen gesetzt und beobachtet, welche davon nicht mehr infektiös waren.“

Es stellte sich heraus, dass die Allantoicase- und Urease-defizienten Mutanten in der Tat nicht mehr infektiös waren. Um zu überprüfen, ob tatsächlich der fehlende Stickstoff dafür verantwortlich war, führten die WissenschaftlerInnen auch die Gegenprobe durch: Sie gaben Stickstoff nachträglich auf alle infektiösen und nicht infektiösen Mutanten. Deising berichtet: „Mit dem zusätzlichen Stickstoff waren auch die harmlosen Mutanten wieder infektiös.“

Acetohydroxamsäure wirkt!

Auf Basis der neuen Erkenntnisse entwickelte das Forscherteam dann eine Strategie, den Purin-Abbaupfad beim Pilz durch einen Wirkstoff zu blockieren. Bereits in der Humanmedizin wird der Wirkstoff Acetohydroxamsäure als Ureasehemmer eingesetzt. Er wirkt gegen Pathogene, für die eine Ammoniakausscheidung für das Überleben notwendig ist, etwa Helicobacter pylori im Magen sowie gegen bakterielle Erreger in den Harnwegen.

Das Team hatte mit diesem Wirkstoff Erfolg: „Die Acetohydroxamsäure verhindert, dass die eigentlich schädlichen Pilze in die Pflanzen einwachsen und infektiös werden können“, so Deising. Da auch viele andere Pilzerreger über den Purinbasen-Abbau an Stickstoff kommen, vermuteten die Forscher, dass Acetohydroxamäure auch bei ihnen wirksam sein könnte. Der Einsatz des Enzyminhibitors schützte im Labor nicht nur Maisblätter vor einer Infektion mit Colletotrichum graminicola, sondern störte auch den Infektionsprozess des Weizenmehltaupilzes Blumeria graminis f. sp. tritici, des Blattrostpilzes Puccinia sorghi sowie des Knollenfäuleerregers Phytophthora infestans. Deising fasst zusammen: „Mit unserer Arbeit haben wir einen völlig neuen Ansatz für die Pathogenbekämpfung entwickelt, der auf einen bereits vorhandenen Wirkstoff zurückgreift und schnell zur Marktreife geführt werden kann.“


Quelle:
Benatto Perino, E.H. et al. (2020): Molecular Characterization of the Purine Degradation Pathway Genes ALA1 and URE1 of the Maize Anthracnose Fungus Colletotrichum graminicola Identified Urease as a Novel Target for Plant Disease Control. In: Phytopthology, 110, 1530-1540, (20. Juli 2020), doi: 10.1094/PHYTO-04-20-0114-R.

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Titelbild: Pilzkrankheiten sind in der Landwirtschaft oft Ursache von Missernten. (Bildquelle: ©  Photozi / Fotolia.com)