Jede Zelle ein Unikat

Die genetische Vielfalt innerhalb eines Organismus muss besser erforscht werden

08.10.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Jede Zelle innerhalb einer Pflanze besitzt grob gesagt die gleiche Erbinformation. Doch bei genauerem Hinsehen fällt auf, wie viele Unterschiede es zwischen den Zellen im Genom und im Epigenom gibt. (Bildquelle: © iStock.com/PeterHermesFurian)

Jede Zelle innerhalb einer Pflanze besitzt grob gesagt die gleiche Erbinformation. Doch bei genauerem Hinsehen fällt auf, wie viele Unterschiede es zwischen den Zellen im Genom und im Epigenom gibt. (Bildquelle: © iStock.com/PeterHermesFurian)

Alle Zellen eines Organismus verfügen über die gleiche Erbinformation. Zumindest theoretisch. Praktisch gibt es beachtliche Unterschiede, weil in jeder Zelle andere Mutationen und epigenetische Unterschiede auftreten können. Auch Pflanzenforscher sollten das Genom daher vermehrt auf Einzelzell-Ebene analysieren. Doch bisher fehlen geeignete Hochdurchsatz-Technologien. 

Jeder vielzellige Organismus entwickelt sich durch Zellteilung aus einer einzigen Zelle. Doch trotzdem gibt es im Erbgut dieser Zellen zahlreiche Unterschiede. Die sind vor allem darauf zurückzuführen, dass immer wieder Fehler bei der Verdoppelung der DNA auftreten und auch bei der anschließenden Reparatur nicht immer alles glatt läuft. Zudem wird die DNA, je nach Organ, vollkommen unterschiedlich abgelesen, sodass die Zellen spezialisierte Aufgaben wahrnehmen können. Doch dieser Umstand wird bei der üblichen Analyse pflanzlicher Genome nur selten berücksichtigt.

Dabei könnte man mit Einzelzell-Analysen eine Vielzahl pflanzenbiologischer Fragen beantworten, wie Cheng Luo, Alisdair Fernie und Jianbing Yan in Trends in Plant Science darlegen. In ihrem Review zeigen die Forscher auf, welche technologischen Fortschritte es in letzter Zeit bei der Analyse von DNA aus einzelnen Zelle gegeben hat und auf welchen Gebieten noch Nachholbedarf besteht.

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Bei der Einzelzell-Analyse ist zurzeit noch viel Handarbeit gefragt. Das macht den Prozess aufwändig und teuer. Was fehlt, sind leistungsstarke Hochdurchsatz-Methoden.

Bei der Einzelzell-Analyse ist zurzeit noch viel Handarbeit gefragt. Das macht den Prozess aufwändig und teuer. Was fehlt, sind leistungsstarke Hochdurchsatz-Methoden.

Bildquelle: © Bokskapet / Pixabay / CC0

Handarbeit vs. Maschinen

Um die DNA einer spezifischen Zelle analysieren zu können, müssen die Zellen zunächst isoliert werden. Bei tierischen Zellen ist das vergleichsweise einfach. Bei pflanzlichen Zellen erschwert die Zellwand diesen Schritt. Sie muss zunächst enzymatisch aufgelöst werden, was bei jungen Geweben relativ leicht funktioniert. Bei älteren Geweben sind jedoch oft Inkubationszeiten von mehreren Stunden notwendig, was sich negativ auf die Zelle auswirkt. Für den folgenden Analyse-Schritt gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten: eine Zelle nach der anderen oder Hochdurchsatz-Verfahren.

Bei der ersten Methode wird jede Zelle einzeln analysiert. Das bedeutet, dass eine Pflanzenzelle unter dem Mikroskop ausgewählt und in ein Reaktionsgefäß überführt wird. Diese Arbeit trennt die genetische Informationen der Zellen zuverlässig, ist aber extrem zeitaufwändig. Alternativ kann die DNA der Zellen mit einem sogenannten Barcode, also einem Stück DNA aus etwa 15 Basenpaaren, versehen werden. Dann können viele Zellen gemeinsam analysiert werden – die Barcode-DNA zeigt an, welches DNA-Fragment aus welcher Zelle stammt.

Auch epigenetische Unterschiede sind wichtig

Bisher gibt es keine Sequenzierungsmethode, die sensitiv genug wäre, die DNA-Moleküle einer einzelnen Zelle abzulesen. Daher muss das Erbgut zunächst vervielfältigt werden. Doch das ist alles andere als trivial. Schließlich soll nicht nur die Basenreihenfolge erfasst werden, sondern auch epigenetische Informationen wie die DNA-Methylierung, die Zugänglichkeit des Chromatins oder die 3D-Struktur des Genoms. Je nachdem, welche Information erfasst werden soll, gibt es bereits unterschiedliche Protokolle zur Aufbereitung der DNA.

Die Sequenzdaten werden dann am Referenzgenom kartiert und mit Hilfe bioinformatischer Methoden analysiert. Cross-over, also der Austausch von längeren Abschnitten zwischen Chromosomen-Armen, lassen sich relativ einfach detektieren. Schwieriger wird es, sogenannte Single Nucleotide Variationen (SNV) zu erkennen. Denn ob eine einzelne Base bereits in der Zelle verändert war oder ob dies ein Artefakt der Sequenzierung ist, lässt sich nicht ohne weiteres erkennen. Um diesem Problem beizukommen, vergleicht man die DNA einer Zelle mit der ihrer Nachfahren. Findet man immer den gleichen SNV, dann ist davon auszugehen, dass er kein Artefakt darstellt.

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Gleich und doch nicht. Umwelteinflüsse führen zu Veränderungen, die zwar nicht die DNA-Sequenz an sich verändern, aber die Aktivität von Genen – man spricht von epigenetischen Veränderungen.

Gleich und doch nicht. Umwelteinflüsse führen zu Veränderungen, die zwar nicht die DNA-Sequenz an sich verändern, aber die Aktivität von Genen – man spricht von epigenetischen Veränderungen.

Bildquelle: © Smileus / Fotolia.com

Von den epigenetischen Unterschieden ist die Methylierung der DNA bisher am besten untersucht. Doch auch Protein-DNA-Interaktionen spielen eine große Rolle, denn sie geben Aufschluss darüber, in welchen Regionen die DNA überhaupt abgelesen werden kann. Wichtige Anwendungen sind zum Beispiel die Erforschung der Rolle von MADS-Box-Transkriptionsfaktoren bei der embryonalen Entwicklung der Pflanze sowie von WUSCHEL, der eine Rolle bei der Entwicklung des Sprossachsenmeristems spielt. Auch die dreidimensionale Genomstruktur kann analysiert werden.  

Was bringt die Zukunft?

In den letzten 30 Jahren wurden große technologische Fortschritte im Gebiet der Einzelzell-Analyse gemacht. An tierischen Zellen werden diese Analysen bereits häufig eingesetzt. Jetzt gilt es, die Protokolle besser an die Erfordernisse von Pflanzenzellen anzupassen, fordern die Forscher in ihrem Review. Außerdem haben Pflanzen oft komplexe und polyploide Genome, was die Analyse weiter erschwert. Auch hier sind neue Methoden notwendig, damit Experimente effizient und reproduzierbar ablaufen können.

Anstatt wie bisher hauptsächlich auf die Analyse der DNA zu setzten, sollte man auch verstärkt das Epigenom, Transkriptom, Proteom und Metabolom von einzelnen Zellen aus unterschiedlichen pflanzlichen Geweben auswerten. Zusätzlich könnte es hilfreich sein, die räumliche Verortung der analysierten Zelle in einem Pflanzenzell-Atlas zu vermerken. Solch eine Ressource würde nicht nur dabei helfen, unser Verständnis von Genfunktionen auf das Einzelzell-Level auszuweiten. Es würde auch dazu führen, dass mehr bioinformatische Werkzeuge entwickelt werden, um die zahlreichen Informationen auszuwerten.


Quelle:
Luo, C., Fernie, A.R. und Yan, J. (2020): Single-Cell Genomics and Epigenomics: Technologies and Applications in Plants. In: Trends in Plant Science, Volume 25, Issue 10, (Oktober 2020),  doi: 10.1016/j.tplants.2020.04.016.

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Titelbild: Jede Zelle innerhalb einer Pflanze besitzt grob gesagt die gleiche Erbinformation. Doch bei genauerem Hinsehen fällt auf, wie viele Unterschiede es zwischen den Zellen im Genom und im Epigenom gibt. (Bildquelle: © iStock.com/PeterHermesFurian)