Blatt oder Blüte?

Das Zusammenspiel zweier mobiler Proteine bestimmt den Zeitpunkt der Blüte

26.10.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Je mehr Blüten eine Pflanze trägt, desto mehr Früchte können entstehen. Doch gleichzeitig müssen auch die Nährstoffversorgung und die Bestäubungssituation passen. Der optimale Blühzeitpunkt ist daher eine wichtige Ertragsvariable, die Züchter beeinflussen

Je mehr Blüten eine Pflanze trägt, desto mehr Früchte können entstehen. Doch gleichzeitig müssen auch die Nährstoffversorgung und die Bestäubungssituation passen. Der optimale Blühzeitpunkt ist daher eine wichtige Ertragsvariable, die Züchter beeinflussen

Für den Fortpflanzungserfolg einer Pflanze ist es wichtig, zum richtigen Zeitpunkt zu blühen. Wie genau Pflanzen dabei auf Umweltreize wie die Tageslänge reagieren, ist noch nicht hinreichend erforscht. Jetzt präsentieren Wissenschaftler neue Erkenntnisse. 

Pflanzen orientieren sich unter anderem an der Tageslänge, um den richtigen Zeitpunkt für die Blütenbildung zu erkennen. Denn gutes Timing ist für sie von entscheidender Bedeutung. In Gegenden mit einer kurzen Vegetationsperiode lohnt es sich, relativ zeitig von der Blatt- zur Blütenbildung überzugehen. Aber wenn die Blütenbildung zu früh beginnt, stehen nur wenige Primordien überhaupt zur Blütenbildung zur Verfügung. Dadurch reduziert sich die Anzahl der Samen und bei Nutzpflanzen damit der landwirtschaftliche Ertrag.

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Blütenbildung: Zwei Proteine, deren Form nahezu identisch ist, konkurrieren um den Zugang zu einem Transkriptionsfaktor. "Gewinnt" FT, bilden sich Blüten wie unten abgebildet.

Blütenbildung: Zwei Proteine, deren Form nahezu identisch ist, konkurrieren um den Zugang zu einem Transkriptionsfaktor. "Gewinnt" FT, bilden sich Blüten wie unten abgebildet.

Bildquelle: © Wagner laboratory

Es ist bereits bekannt, dass die beiden Proteine Flowering Locus T (FT) und Terminal Flower 1 (TLF1) die Blütenbildung auf gegensätzliche Art und Weise beeinflussen. TLF1 fördert die vegetative Entwicklung, also das Wachstum von Blättern. FT hingegen initiiert den Beginn der Blütenbildung.

Auffällig ist, dass beide Proteine fast identisch sind. Durch Substitution einer einzigen Aminosäure kann das eine ins andere Protein umgewandelt werden. Unklar war bisher, wie diese beiden Beinahe-Zwillinge solch unterschiedliche Effekte ausüben. Jetzt haben Wissenschaftler um Doris Wagner von der Universität Pennsylvania den Wirkmechanismus in weiteren Details aufgeschlüsselt.

Ein Mechanismus mit Mittelsmännern

Mit biochemischen und genetischen Studien haben sie gezeigt, dass beide auf das leafy-Gen einwirken, dessen Genprodukt als sogenannter Master-Regulierer der Blüte angesehen werden kann. LEAFY (auch LFY genannt) ist dafür verantwortlich, dass sich undifferenzierte Zellen im Meristem zu Blüten entwickeln.

Sowohl FT als auch TLF1 haben jedoch keine DNA-Bindestelle, mit der sie die Produktion von LEAFY direkt beeinflussen könnten. Sie brauchen also Mittelsmänner. Es war bereits bekannt, dass FT über sogenannte 14-3-3-Proteine mit dem bZip Transkriptionsfaktor FD interagiert. Jetzt haben die Forscherinnen und Forscher gezeigt, dass dies auch auf TLF1 zutrifft.

Aktivator und Repressor

Der bZip Transkriptionsfaktor FD ist fest ans Chromatin gebunden, unter anderem an den Genort, an dem sich das Gen für LEAFY befindet. TLF1 und FT konkurrieren um die Bindestellen an diesem Transkriptionsfaktor. An langen Tagen akkumuliert FT. Es wirkt als Co-Aktivator, erhöht die Produktion von LEAFY und fördert damit die Blütenbildung.

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Für eine Pflanze ist es von entscheidender Bedeutung, dass sie zum richtigen Zeitpunkt blüht. Nur wenn die Rahmenbedingungen stimmen, kann die Bestäubung gelingen und die nächste Generation heranwachsen.

Für eine Pflanze ist es von entscheidender Bedeutung, dass sie zum richtigen Zeitpunkt blüht. Nur wenn die Rahmenbedingungen stimmen, kann die Bestäubung gelingen und die nächste Generation heranwachsen.

Bildquelle: © iStock.com/ClaraNila

An kurzen Tagen ist hingegen mehr TLF1 vorhanden. Es blockiert einerseits die Bindestellen am Transkriptionsfaktor, sodass FT nicht binden kann. Andererseits wirkt es auch als aktiver Repressor. Somit verringert sich die Konzentration von LEAFY, es werden weiterhin Blätter statt Blüten gebildet.

Hunderte weitere Signalwege werden so reguliert

Bei den Versuchen fand das Team noch 604 weitere Genorte, die ebenfalls der Regulation von TFL1-FD unterliegen. Dazu gehören zum Beispiel Gene, die bestimmen, wann die reproduktive Phase beginnt oder solche, die den Zucker- und Hormonhaushalt regulieren.

Der Zeitpunkt der Blüte und die Architektur des Blütenstands sind wichtige agronomische Eigenschaften. Während der Domestikation haben sich unterschiedliche Gleichgewichte zwischen Blüh-fördernden und -hemmenden Molekülen in Pflanzen etabliert. Das Wissen über die biochemischen und regulatorischen Vorgänge kann dabei helfen, den Blühzeitpunkt von Nutzpflanzen an den jeweiligen Standort optimal anzupassen.


Quelle:
Zhu, Y. et al. (2020): TERMINAL FLOWER 1-FD complex target genes and competition with FLOWERING LOCUS T. In: Nature Communications 11, 5118, (12. Oktober 2020), doi: 10.1038/s41467-020-18782-1.

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Titelbild: Je mehr Blüten eine Pflanze trägt, desto mehr Früchte können entstehen. Doch gleichzeitig müssen auch die Nährstoffversorgung und die Bestäubungssituation passen. Der optimale Blühzeitpunkt ist daher eine wichtige Ertragsvariable, die Züchter beeinflussen möchten. (Bildquelle: © iStock.com/DredK)