Die „Ruckzuck-Umprogrammierung“

Neue Methode zur Schnellzüchtung vorgestellt

23.03.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Einfach besprühen und schon ist die Pflanze gegen Dürre gewappnet? Was wie Science-Fiction klingt könnte in der Züchtung zukünftig durchaus eintreffen. (Bildquelle: © iStock.com/Andrei310)

Einfach besprühen und schon ist die Pflanze gegen Dürre gewappnet? Was wie Science-Fiction klingt könnte in der Züchtung zukünftig durchaus eintreffen. (Bildquelle: © iStock.com/Andrei310)

Wäre es nicht schön, wenn man eine Pflanze einfach besprühen und ihr dadurch nützliche Eigenschaften verleihen könnte? Beispielsweise bei drohender Dürre, die Pflanzen zu mehr Wassersparsamkeit zu zwingen. Phantasie? Nein. Eine Studie stellt eine neue Methode vor, mit der der Stoffwechsel spontan „umprogrammiert“ werden kann, ohne das Erbgut zu verändern.

Die Entwicklung einer neuen Pflanzensorte durch Züchtung ist in der Regel sehr zeitaufwendig und kostspielig. Wie kann man Pflanzen schneller an besondere Umweltsituationen anpassen oder gegen Krankheiten schützen? Angesichts des schnellen Klimawandels läuft Züchtern die Zeit davon. Eine schnelle und offenbar vielversprechende Methode haben WissenschaftlerInnen jüngst in der Fachzeitschrift „Nature Plants“ vorgestellt.

Geht Züchtung auch schneller?

Im klassischen Züchtungsprozess muss das genetische Material von Pflanzen durch Kreuzung kombiniert werden. Oft werden zur Einkreuzung in Hochertragssorten Wildpflanzen ausgewählt, die beispielsweise wichtige Resistenzen beisteuern. Doch durch das Einkreuzen gelangen auch viele unerwünschte Wildgene und damit gekoppelte Eigenschaften in die Kulturpflanze. Diese müssen mühsam durch wiederholte Rückkreuzung mit der Ausgangssorte aus dem Genom entfernt werden.

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Was machen Pflanzenzüchter und welche Methoden nutzen sie dafür? Diesen Fragen haben wir ein Spezial gewidmet: Das Plantainment „Let´s grow“!

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Auch mit modernen Techniken wie der Genomeditierung sind die Züchter nicht unbedingt schneller – schließlich fallen damit bearbeitete Pflanzen bislang unter das Gentechnikrecht und ein langwieriger und aufwendiger Zulassungsprozess muss durchlaufen werden.

Neue Merkmale durch Sprühnebel

In der neuen Studie stellen die WissenschaftlerInnen nun einen gänzlich anderen Ansatz vor: Sie haben eine Methode entwickelt, bei der Eigenschaften transient, also nur vorübergehend, verändert werden. Die bestehende genetische Ausstattung wird quasi nur kurzfristig „umprogrammiert“, um gewünschte Effekte zu erzielen. Dabei wird das Erbgut nicht verändert.

Basis ist eine biologische Transfektion – eine Methode, bei der zellfremdes genetisches Material in eukaryotische Zellen eingebracht wird. Als Transportvehikel (Vektor) für DNA-Sequenzen dient dabei das aus der Gentechnik bekannte Agrobacterium tumefaciens bzw. für die Übertragung von RNA-Replikons virale RNA-Vektoren. In der Zelle kommt es dann entweder zu einer vorübergehenden Proteinbiosynthese – man spricht von transienter Genexpression – oder zu einer Abschaltung bestimmter Gene (Gene Silencing).

In ihrer Machbarkeitsstudie testen die ForscherInnen das Verfahren bei nicht weniger als 28 Pflanzenarten, darunter Tomaten, Zuckerüben, Mais oder Weizen. Die verschiedenen Transfektionen zielten auf verschiedene Regelkreise wie den Hormonhaushalt der Pflanzen, der wichtige Wachstums- und Entwicklungsprozesse steuert. Mit Erfolg. Sie konnten so bei allen Versuchspflanzen Veränderungen des Phänotyps bei agronomisch bedeutenden Merkmalen wie Blütezeit, Pflanzenhöhe oder Trockenheitstoleranz bewirken.

Nicht für jede Pflanze nutze das Team den gleichen Vektor. Oft sind bestimmte virale Vektoren bei den einen Pflanzen wirksam, bei anderen nicht. Die nächsten Schritte sind die weitere Optimierung der Methode für unterschiedliche Kulturarten und größere Versuche unter realen Anbaubedingungen.

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Die neue Methode könnte für züchterisch wenig erschlossene Nutzpflanzen, sogenannte Orphan Crops wie Hirse, interessant sein.

Die neue Methode könnte für züchterisch wenig erschlossene Nutzpflanzen, sogenannte Orphan Crops wie Hirse, interessant sein.

Bildquelle: © Schwoaze / Pixabay

Die Vorteile überzeugen

Das Verfahren erzeugt keine gentechnisch veränderten Pflanzen, da das Pflanzengenom sich nicht von den Ausgangspflanzen unterscheidet. Der Ansatz ist auf eine einzelne Pflanzengeneration beschränkt und laut AutorInnen breit anwendbar, schnell und nahezu über den gesamten Anbauzyklus der Pflanzen anwendbar. Die RNA-basierte „Reprogrammierung“ könne laut den EntwicklerInnen insbesondere zur Bekämpfung von pandemischen Pflanzenkrankheiten genutzt werden oder zur schnelleren Anpassung von Pflanzen an Umweltbedingungen.

Diese Methode kann auch den Weg eröffnen, die Eigenschaften von sogenannten Orphan Crops effizient zu optimieren. Dazu gehören Pflanzen wie Hirse, Maniok, Enset, Tef und Yams. Der Name dient als Sammelbegriff für Nutzpflanzen, die auf dem Weltmarkt eine eher untergeordnete Rolle spielen und für die deshalb bislang auch keine ausgereiften Züchtungsverfahren entwickelt wurden.

Eine Zukunftstechnologie?

Noch hat sich das neue Verfahren nur im kleinen Maßstab bewährt und muss sich noch unter realen landwirtschaftlichen Bedingungen beweisen. Damit das gelingt, haben die AutorInnen die virale Transfektionsmethode bereits auf mehreren Ebenen weiterentwickelt. Zudem sprechen relativ geringe Kosten für die Vektorenherstellung für das Verfahren.

Doch wie sieht es mit der Akzeptanz dieser Methode aus? Wenn auch keine Gentechnik, basiert die Methode auf transfizierter DNA und RNA. Die ForscherInnen glauben, dass der derzeitige Erfolg von RNA-basierten Virusimpfstoffen im Kampf gegen Corona auch die Akzeptanz für eine ähnliche Methode in der Landwirtschaft erhöhen könne.


Quelle:
Torti, S. et al. (2021): Transient reprogramming of crop plants for agronomic performance. In: Nature Plants, (15. Februar 2021), doi: 10.1038/s41477-021-00851-y.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Einfach besprühen und schon ist die Pflanze gegen Dürre gewappnet? Was wie Science-Fiction klingt könnte in der Züchtung zukünftig durchaus eintreffen. (Bildquelle: © iStock.com/Andrei310)