Vom Fruchtbaren Halbmond in die ganze Welt

Entstehungsgeschichte der Kichererbse aufgeklärt

29.11.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Vielfalt spiegelt sich auch im Aussehen der Samen wider. (Bildquelle: © ICRISAT)

Die Vielfalt spiegelt sich auch im Aussehen der Samen wider. (Bildquelle: © ICRISAT)

Studienleiter Rajeev Varshney untersucht Kichererbsenpflanzen. (Bildquelle: © ICRISAT)

Studienleiter Rajeev Varshney untersucht Kichererbsenpflanzen. (Bildquelle: © ICRISAT)

Im Rahmen einer Mammutstudie hat ein internationales Forschungsteam die Genome von über 3 000 Kichererbsenlinien sequenziert und daraus ein Pangenom erstellt. Die Daten ermöglichten nicht nur neue Einblicke in die genomische Vielfalt, sondern auch in die Entstehungs- und Migrationsgeschichte der beliebten eiweißreichen Pflanze. Die neuen Erkenntnisse können nun systematisch zur züchterischen Verbesserung der Kichererbse genutzt werden.

Die Kichererbse (Cicer arietinum) ist eine der am häufigsten angebauten Hülsenfrüchte der Welt. Die eiweißreichen Samen sind eine bedeutende Proteinquelle für Hunderte Millionen Menschen, insbesondere in südlichen Ländern wie Indien, Äthiopien, Mexiko oder den Mittelmeerländern.

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Die essbaren Samen wachsen in rundlichen Hülsenfrüchten heran.

Die essbaren Samen wachsen in rundlichen Hülsenfrüchten heran.

Bildquelle: © ICRISAT

Die kleinen Proteinbomben erfreuen sich auch in Deutschland wachsender Beliebtheit – vor allem als Proteinersatz bei einer fleischlosen Ernährung. Dabei ist die Kichererbse eine sehr alte Nutzpflanze, die seit etwa 8 000 Jahren vom Menschen angebaut wird. Doch lange galt sie als „Orphan Crop“ – das sind Pflanzen, die eher ein Nischendasein im Handel und in der Forschung fristen.

Seit der ersten Genomsequenzierung im Jahr 2013 (Varshney et al., 2013) hat sich das Blatt für die Kichererbse jedoch gewandelt. Seither wurden immer mehr Kichererbsengenome sequenziert, die wertvolle genomische Ressourcen für die Züchtung liefern.

Neues Pangenom zeigt große genomische Vielfalt auf

Nun ist mit enormem Aufwand die genetische Evolution und Migration der Kichererbse nachverfolgt worden. Bewerkstelligt hat dies ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des International Crops Research Institute for the Semi-Arid Tropics (ICRISAT). 41 internationale Organisationen waren beteiligt. Die Ergebnisse wurden im renommierten Fachmagazin „Nature“ veröffentlicht.

Über 3 000 Kichererbsen-Akzessionen aus 60 Ländern wurden sequenziert. Sie repräsentieren nahezu die gesamte genetische Vielfalt dieser Pflanzenart. Darunter befanden sich 3 171 kultivierte und 195 wilde Akzessionen. Diese Daten bildeten die Grundlage für das erste Pangenom der Kichererbse, das 592 Megabasenpaare umfasst. Das Team fand dabei insgesamt über 29 800 Gene. Darunter wurden auch über 1 500 bisher unbekannte Gene entdeckt.

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Kichererbsen sind sehr proteinreich und in einigen Ländern der Erde sind sie Grundnahrungsmittel.

Kichererbsen sind sehr proteinreich und in einigen Ländern der Erde sind sie Grundnahrungsmittel.

Bildquelle: © University of Queensland

Migrationsgeschichte nachgezeichnet

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die Kichererbse Cicer arietinum vor etwa 12 600 Jahren von seiner wilden Vorläuferart Cicer reticulatum abspaltete. Klar ist jedoch, dass die Kichererbse im Fruchtbaren Halbmond entstand. Von da gab es zwei Migrationswege in den Rest der Welt: Ein Weg verlief nach Südasien und Ostafrika. Der andere in den Mittelmeerraum sowie ans Schwarze Meer und Zentralasien – bis nach Afghanistan.

Grundlage für die Züchtung

„Noch wichtiger ist, dass diese Forschung ein vollständiges Bild der genetischen Variation innerhalb von Kichererbsen und einen validierten Fahrplan für die Nutzung des Wissens und der genomischen Ressourcen zur Verbesserung der Kulturpflanze liefert“, erklärt Studienleiter Professor Rajeev Varshney vom ICRISAT. Ziel ist es, diese Vielfalt für die Züchtung verbesserter Kichererbsensorten mit erhöhtem Ertrag, höherer Resistenz gegen Dürre, Hitze und Krankheiten zu nutzen. Und das Forscherteam fand auch zahlreiche schädliche Mutationen, die den Ertrag der kultivierten Kichererbse schmälern.

Mit genomischen Pflanzenzüchtungsansätzen oder neuen Züchtungsmethoden wie der Genomeditierung könnte nun für die Kichererbse ein neues Zeitalter beginnen. Durch Modellierungen mithilfe künstlicher Intelligenz berechneten die Forschenden, dass sich die Erträge so um bis zu 12 Prozent steigen ließen. Nun müssen diese theoretischen Szenarien noch in der Praxis umgesetzt werden.


Quelle:
Varshney, R.K. et al. (2021): A chickpea genetic variation map based on the sequencing of 3,366 genomes. In: Nature, (10. November 2021), doi: 10.1038/s41586-021-04066-1.

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Titelbild: Die Vielfalt spiegelt sich auch im Aussehen der Samen wider. (Bildquelle: © ICRISAT)