Künstliche Photosynthese

Acetat aus CO2 und Sonnenstrom: Neue Kohlenstoff- und Energiequelle für Pflanzen

07.07.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Normalerweise gewinnen Pflanzen Kohlenstoff und Energie mittels Photosynthese aus Sonnenlicht und CO2. Ein Forschungsteam hat nun ein System mit künstlicher Photosynthese vorgeschlagen, das die solare Energie besser konvertieren kann. (Bildquelle: © FotoX

Normalerweise gewinnen Pflanzen Kohlenstoff und Energie mittels Photosynthese aus Sonnenlicht und CO2. Ein Forschungsteam hat nun ein System mit künstlicher Photosynthese vorgeschlagen, das die solare Energie besser konvertieren kann. (Bildquelle: © FotoX

In der Elektrobiochemie ist die künstliche Photosynthese ein heißes Thema, um chemische Wertstoffe aus CO2 und Sonnenlicht zu erzeugen. Doch auch für die Nahrungsproduktion könnte dieser Ansatz die Flächeneffizienz erhöhen – und sogar einen Anbau ohne Licht ermöglichen.

Künstliche Photosynthese für den Pflanzenanbau – das klingt ein bisschen danach, Eulen nach Athen zu tragen. Doch genau das hat ein interdisziplinäres Forschungsteam nun erprobt. Denn Pflanzen verwenden nur etwa ein Prozent der auf sie fallenden Sonnenenergie für die Photosynthese. Gelänge es, diese Rate zu erhöhen, ließe sich die Flächeneffizienz der Nahrungsproduktion steigern.

Nahrungsproduktion im Dunkeln

Sowohl klassische Züchtung als auch gentechnische Ansätze haben nur vereinzelt kleine Verbesserungen bei der Verwertung der Sonnenenergie erzielen können. Daher wählten die Forscherinnen und Forscher einen hybriden Ansatz: Ein elektrochemisches System sollte mittels künstlicher Photosynthese aus CO2 eine Verbindung erzeugen, die den Pflanzen dann als Kohlenstoff- und Energiequelle dienen könnte. Neben der höheren Effizienz wäre dann ein weiterer Vorteil, dass die Nahrungsproduktion sogar im Dunkeln erfolgen könnte – beispielsweise auf Raumflügen oder bei Indoor-Farming-Lösungen.

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Pflanzen können in völliger Dunkelheit in einem Acetatmedium wachsen, das die biologische Photosynthese ersetzt.

Pflanzen können in völliger Dunkelheit in einem Acetatmedium wachsen, das die biologische Photosynthese ersetzt.

Bildquelle: © Marcus Harland-Dunaway / UCR

Typische Verbindungen, die sich durch künstliche Photosynthese erzeugen lassen, sind Kohlenmonoxid und Wasserstoff sowie Format und Methanol. Die ersten beiden sind wegen ihres gasförmigen Zustands nicht die beste Wahl und das Fermentationssystem ineffizient. Die letzten beiden führen bei der Fermentation zu einem toxischen Zwischenprodukt: Formaldehyd. Im nun vorgestellten Experiment hat das Forschungsteam daher auf Acetat gesetzt. Ob diese Verbindung als alleinige Kohlenstoff- und Energiequelle geeignet wäre, war zuvor jedoch noch nicht gezeigt worden.

Zweistufiger Elektrolyseur für die Photosynthese

Zunächst entwickelten die Fachleute einen zweistufigen Elektrolyseur, um mittels Solarstrom Kohlendioxid über Kohlenmonoxid zu Acetat umzuwandeln. Dabei konnten sie zunächst eine Konversionsrate von CO2 zu Acetat von rund 25 Prozent erzielen – ein Vielfaches besser als bei ähnlichen Experimenten zuvor. Weitere Optimierungen steigerten die Konversionsrate sogar auf 57 Prozent. Die finale Produktlösung enthielt 0,75 M Acetat, und das Verhältnis von Acetat zu Elektrolyten lag bei 0,75 – absoluter Rekord.

Anschließend testete das Team, ob Acetat als Kohlenstoff- und Energiequelle dienen könnte, um Nahrung zu erzeugen. Zunächst untersuchten sie die photosynthetische Alge Chlamydomonas reinhardtii, von der bekannt ist, dass sie heterotroph auf Acetat im Dunkeln wachsen kann. Die Lebensmittelindustrie verwendet diese Alge wegen ihres hohen Gehalts an Stärke, Eiweiß und Öl als Nahrungsmittelzusatz. Tatsächlich gedieh C. reinhardtii im Dunkeln mit der Produktlösung als einziger Kohlenstoff- und Energiequelle: Pro Gramm Acetat bildete der Mikroorganismus 0,28 Gramm Biomasse und verwendete gut 99 Prozent des verfügbaren Acetats. Produkte der biologischen Photosynthese benötigte die Alge dazu nicht.

Nahrungsrelevante Einzeller wachsen auf Acetat

Im nächsten Schritt teste das Forschungsteam die Bäckerhefe Saccharomyces cerivisiae, die normalerweise auf Glukose wächst, die aus der Photosynthese stammt. Für das Experiment ersetzten die Forscherinnen und Forscher die Glukose im Nährmedium durch den Produktstrom mit Acetat. Die Hefe bildete daraufhin pro Gramm Acetat 0,19 Gramm Biomasse.

Der Erfolg blieb nicht auf Einzeller begrenzt. Auch Speisepilze, insbesondere Austernpilze, die üblicherweise auf einem festen Substrat wachsen, konnte das Team mittels künstlicher Photosynthese ernähren. Anstelle von Cellulose oder Reismehl, die normalerweise die Kohlenstoff- und Energiequelle für die Aufzucht dieser Pilze bilden, kam die acetathaltige Produktlösung zum Einsatz. Nebenprodukte aus dieser Lösung, insbesondere vermutlich Proprionat, behinderten jedoch das Wachstum bei höheren Konzentrationen. Grundsätzlich wäre somit jedoch eine Pilzzucht unabhängig von Produkten der biologischen Photosynthese möglich.

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Das Team erprobte ihren Ansatz unter anderem auch an Raps.

Das Team erprobte ihren Ansatz unter anderem auch an Raps.

Bildquelle: © Elsemargriet / Pixabay

Konservierter Mechanismus zur Acetatverwertung in Pflanzen

Zuletzt erprobten die Forscherinnen und Forscher ihren Ansatz an Kopfsalat, Reis, Erbse, Jalapeño, Raps, Tomate, Kuhbohne, Tabak und Ackerschmalwand. Diese durften jedoch bei Licht wachsen und zusätzlich Acetat verwerten. Um die Aufnahme und Verwertung des Acetats in den Zellen verfolgen zu können, hatte das Team es mit dem 13C-Isotop markiert.

So fanden die Fachleute markierten Kohlenstoff in Aminosäuren, Zuckern und Zwischenprodukten des Citratzyklus’, der Glykolyse und der Gluconeogenese. Diese Beobachtungen deuten darauf hin, dass es einen in zahlreichen Pflanzen konservierten Mechanismus gibt, um Acetat als Kohlenstoffquelle zu verwerten. Allerdings erfolgte bei den meisten Pflanzen ab einer gewissen Acetatkonzentration eine Beschränkung des Wachstums.

Der hybride anorganisch-biologische Photosyntheseansatz könnte somit die Effizienz der Nahrungsproduktion steigern. Für Hefe fanden die Forscherinnen und Forscher eine 18-mal höhere Effizienz bei der Bildung von Biomasse mittels Sonnenenergie als bei der rein biologischen Photosynthese. Für Algen lag sie immer noch viermal so hoch wie auf dem natürlichen Weg. Besonders interessant könnte der Ansatz dem Forschungsteam zufolge überall dort sein, wo hohe Energieeffizienz benötigt wird und wenig Platz vorhanden ist. Außerdem könne so der steigende Nahrungsbedarf der Menschheit ohne zusätzlichen Bedarf an Ackerland gedeckt werden.


Quelle:
Hann, E.C. et al. (2022): A hybrid inorganic–biological artificial photosynthesis system for energy-efficient food production. In: Nature Food, Vol. 3, 461-471, (23. Juni 2022), doi: 10.1038/s43016-022-00530-x.

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Titelbild: Normalerweise gewinnen Pflanzen Kohlenstoff und Energie mittels Photosynthese aus Sonnenlicht und CO2. Ein Forschungsteam hat nun ein System mit künstlicher Photosynthese vorgeschlagen, das die solare Energie besser konvertieren kann. (Bildquelle: © FotoXCapture / Pixabay)