…da blüh ich auf!

Zwei Gene regulieren das Zeitgefühl von Pflanzen

21.07.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die meisten Pflanzen benötigen ein bestimmtes Verhältnis von Sonnen- und Nachtstunden um zu erblühen. (Bildquelle: © Thanasis Papazacharias/Pixabay/CC0)

Die meisten Pflanzen benötigen ein bestimmtes Verhältnis von Sonnen- und Nachtstunden um zu erblühen. (Bildquelle: © Thanasis Papazacharias/Pixabay/CC0)

Pflanzen folgen einem inneren 24-Stunden-Rhythmus, an den viele ihrer physiologischen Prozesse angepasst sind. Diese „zirkadiane Uhr“ ermöglicht es ihnen, bestimmte Regelmäßigkeiten, wie den Wechsel von Tag und Nacht vorherzusehen und sich entsprechend auf ihre Umgebung einzustellen. Ein Forschungsteam der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) hat den inneren Rhythmus von Pflanzen nun genauer untersucht und das Zusammenspiel von zwei Genen – ELF3 und GI erforscht, die unter anderem die Blütezeiten regulieren. Die Erkenntnisse könnten dazu beitragen, Kulturpflanzen zu entwickeln, die besser an ihre klimatische Umgebung angepasst sind.

Carl von Linné, ein schwedischer Pflanzenforscher des 18. Jahrhunderts, konnte angeblich mit einem Blick auf die Blumen in seinem Garten die aktuelle Uhrzeit bestimmen. Bei seinen Beobachtungen hatte er bemerkt, dass seine Pflanzen ihre Blüten artspezifisch immer zum selben Zeitpunkt öffneten. Aus seinen Erkenntnissen entwickelte er die bekannte ‚Blumenuhr‘. Doch woher wissen Pflanzen eigentlich, wann es Zeit ist ihre Blüten zu öffnen?

Pflanzen verfügen über eine innere Uhr

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Tag oder Nacht: Pflanzen haben wie Menschen eine innere Uhr, die ihnen eine präzise zeitliche Organisation von Stoffwechsel und Entwicklung erlaubt.

Tag oder Nacht: Pflanzen haben wie Menschen eine innere Uhr, die ihnen eine präzise zeitliche Organisation von Stoffwechsel und Entwicklung erlaubt.

Bildquelle: © MarkR / Pixabay / CC0

Da Pflanzen auf Lichtreize reagieren, scheint es zunächst so, als ob das Öffnen der Blüten allein auf die unterschiedlichen Lichtverhältnisse bei Tag und Nacht zurückzuführen sind. Bestrahlt man Pflanzen jedoch künstlich die Nacht hindurch, so kann man beobachten, dass ihre Blüten dennoch ihrem gewohnten Rhythmus nachgehen und sich am Morgen wieder pünktlich öffnen.

„Ähnlich wie Menschen verfügen Pflanzen über eine sogenannte zirkadiane Uhr“, erklärt Dr. Usman Anwer vom Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der MLU. „Dabei handelt es sich um ein komplexes Netzwerk aus Genen und Proteinen, mit dem Pflanzen verschiedene Prozesse zeitlich so steuern können, dass ihr Biorhythmus perfekt an den Tag-Nacht-Zyklus angepasst ist.“

Zirkadiane Rhythmen steuern viele Prozesse

So dient das Öffnen der Blüten am Tag vornehmlich dem Anlocken von überwiegend tagaktiven Bestäubern wie Bienen, Florfliegen oder Käfern. Nachts werden sie geschlossen, um Nektar zu sparen und die empfindlichen Fortpflanzungsorgane zu schützen. „Auf diese Weise sorgt die zirkadiane Uhr für eine optimale Nutzung von Ressourcen. Neben dem Öffnen und Schließen der Blüten werden auch viele andere Aspekte der Pflanzenphysiologie – wie die Photosynthese, Öffnung der Stomata, der Kohlenhydratstoffwechsel und das Wachstum, täglich und saisonal – durch den inneren Rhythmus reguliert“, erläutert er weiter.

Zeitgeber synchronisieren die innere Uhr

Die zirkadiane Uhr ist also keine direkte Reaktion auf die Signale von der Außenwelt und kann ihren Rhythmus auch dann aufrechterhalten, wenn sich die Bedingungen ihrer Umgebung kurzfristig ändern. Für die Erzeugung des inneren Rhythmus verantwortlich ist im dazugehörigen wissenschaftlichen Modell der ‚zentrale Oszillator‘. Er kann sich einem genauen 24-Stunden-Zyklus anpassen, indem er seinen Rhythmus mit Hilfe von äußeren Reizen, den sogenannten ‚Zeitgebern‘, über lange Perioden korrigiert und damit immer wieder synchronisiert.

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Dr. Usman Anwer vom Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) geht im Labor der Frage nach, woher Pflanzen wissen , wann es Zeit für die Blüte ist.

Dr. Usman Anwer vom Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) geht im Labor der Frage nach, woher Pflanzen wissen , wann es Zeit für die Blüte ist.

Bildquelle: © Usman Anwer

Externe Reize, die als Zeitgeber dienen können, unterscheiden sich von Art zu Art, Licht und Temperatur sind jedoch die bedeutendsten. Auch den Ablauf von Jahreszeiten können Pflanzen so erkennen. „Einige Pflanzen blühen nur, wenn die Tage besonders lang sind. Andere dagegen nur, wenn die Nächte eine gewisse Dauer überschreiten“, so der Erstautor der Studie.

Gene regulieren den Blütezeitpunkt

Gesteuert werden zirkadiane Rhythmen durch spezifische Gene – dies war in der Forschung schon länger bekannt. ELF3 und GI nennen sich zwei Gene, die bei der beliebten Modellpflanze Arabidopsis thaliana an der Steuerung der innen Uhr beteiligt sind.

Anwer und sein Team untersuchten diese Gene in ihrer Studie genauer: „Bisher wurden die beiden Gene immer nur einzeln betrachtet. Unser Ziel war zu verstehen, wie die beiden Gene zusammenarbeiten und wie sie gemeinsam auf die zirkadiane Uhr einwirken und so beispielsweise regulieren, wann eine Pflanze blüht.“

Zusammenspiel von ELF3 und GI

Für die Versuche erzeugten sie Arabidopsis-Mutanten, bei denen entweder eines oder sogar beide Gene ausgeschaltet waren. Die Ergebnisse der anschließenden Untersuchungen zeigen, dass bei Mutanten mit nur einem funktionstüchtigen Gen die inneren Uhr bereits stark beeinträchtigt war. Pflanzen, mit doppeltem Gendefekt zeigten keine wiederkehrenden Rhythmen mehr. Anwer beschreibt: „Die Pflanzen konnten das Licht zwar noch wahrnehmen – allerdings konnten sie nicht mehr die Länge der Lichtdauer erkennen. Deshalb bildeten die Mutanten mit dem doppelten Gendefekt zum Beispiel keine Blüten mehr.“ Dies deutet darauf hin, dass ELF3 und GI zusammen daran beteiligt sind, die Photoperiode zu erfassen.

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Mithilfe von Genom-Editierung (engl. Genome Editing) ist es heutzutage möglich, zielgenau einzelne Gene in der Pflanze an- und abzuschalten. Das bekannteste Werkzeug dafür ist CRISPR/Cas. Lesen Sie hier mehr darüber, was sich dahinter verbirgt: "Was ist Genom-Editierung?"

Mithilfe von Genom-Editierung (engl. Genome Editing) ist es heutzutage möglich, zielgenau einzelne Gene in der Pflanze an- und abzuschalten. Das bekannteste Werkzeug dafür ist CRISPR/Cas. Lesen Sie hier mehr darüber, was sich dahinter verbirgt: "Was ist Genom-Editierung?"

Bildquelle: © Pflanzenforschung.de

Was bedeuten die Erkenntnisse für die Züchtung?

Fest steht, dass sowohl ELF3 als auch GI mit geringfügigen genetischen Abweichungen auch in Kulturpflanzen wie Gerste, Reis und Weizen vorliegen. „Wenn ähnliche genetische und funktionelle Beziehungen zwischen ELF3 und GI in wichtigen Kulturpflanzen bestehen, könnten Züchter Photoperioden-unempfindliche Sorten entwickeln, bei denen die beiden Gene abgeschaltet sind. Diese Sorten wären dann unabhängig von der Photoperiodizität in unseren Breiten.“ Ob solche Sorten durch klassische Kreuzung gezüchtet werden können, sei davon abhängig, ob die gewünschten Defekte auch als natürliche Varianten existierten. Alternativ könnten neuere Techniken wie Genome Editing zum Einsatz kommen, um die Gene auszuschalten.

Die innere Uhr der Pflanzen steuert jedoch weit mehr als den Blütezeitpunkt. Insgesamt, betont der Wissenschaftler, sei daher ein besseres Verständnis der zirkadianen Uhr von Pflanzen wichtig, um Kulturpflanzensorten über diesen Hebel gezielter an spezifische Umweltbedingungen anzupassen.


Quelle:
Anwer, U.M. et al. (2020): Photoperiod sensing of the circadian clock is controlled by EARLY FLOWERING 3 and GIGANTEA. In: The Plant Journal (online 06. November 2019), doi: 10.1111/tpj.14604.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Die meisten Pflanzen benötigen ein bestimmtes Verhältnis von Sonnen- und Nachtstunden um zu erblühen. (Bildquelle: © Thanasis Papazacharias/Pixabay/CC0)