Outsourcing im Pflanzenreich

Teufelszwirn nutzt Wirtssignale zur Steuerung der eigenen Blüte

25.09.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Cuscuta australis auf einer Sojabohne: Der Parasit blüht und hat bereits Samenkapseln produziert. (Bildquelle: © Jingxiong Zhang, Kunming Institute of Botany, Chinese Academy of Sciences, China)

Cuscuta australis auf einer Sojabohne: Der Parasit blüht und hat bereits Samenkapseln produziert. (Bildquelle: © Jingxiong Zhang, Kunming Institute of Botany, Chinese Academy of Sciences, China)

Manche Parasiten entziehen ihren Wirten nicht nur Nährstoffe, sondern nutzen auch deren molekularen Regelmechanismen. Wie ein internationales Forscherteam nun herausgefunden hat, fängt der Pflanzenparasit Cuscuta australis (Teufelszwirn) die Blühsignale seiner Wirte ab. Dadurch synchronisiert er seine Blüten- und Samenproduktion optimal mit der Verfügbarkeit der Wirtsnährstoffe. Den WissenschafterInnen ist es gelungen, diesen Synchronisationsprozess von Parasit und Wirt sichtbar zu machen.

Parasitäre Pflanzen entwickelten sich unabhängig voneinander und machen heute etwa 1 Prozent der Bedecktsamer (∼ 4 500 Arten) aus. Sie nutzen ein spezielles Organ, das Haustorium, um in das Wirtsgewebe einzudringen und Gefäßverbindungen zu bilden. So sind sie in der Lage, ihren Wirten Wasser und Nährstoffe zu entziehen. Im Laufe der Evolution haben sie aufgrund ihrer parasitischen Lebensweise bestimmte Merkmale verloren und physiologische Prozesse schlichtweg „outgesourct“.

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Der pflanzliche Parasit Cuscuta reflexa, fotografiert in der Nähe des Herbariums des Kunming Institute of Botany.

Der pflanzliche Parasit Cuscuta reflexa, fotografiert in der Nähe des Herbariums des Kunming Institute of Botany.

Bildquelle: © Jingxiong Zhang, Kunming Institute of Botany der Chinesischen Akademie der Wissenschaften

Auch der parasitische Teufelszwirn umschlingt andere Pflanzen und zapft deren nährstoffreiche Leitungsbahnen an. Nun haben ForscherInnen der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena zeigen können, dass dieser Pflanzenparasit auch die Blühsignale seines Wirts erkennt und nutzt.

Blühsteuerung durch hochmobiles Proteinsignal

Um ihre Blütezeit zu steuern, nutzen Pflanzen Informationen aus ihrer Umwelt, einschließlich jahreszeitlicher Veränderungen der Tageslänge (Photoperiode). Ist die richtige Blühzeit gekommen, bilden sie in ihren Blättern ein Protein namens FLOWERING LOCUS T (FT). Ian Baldwin, Co-Autor der Studie und Professor am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena, erklärt: „Aus der wegweisenden Arbeit von Detlef Weigel, Phillip Wigge und Kollegen wissen wir bereits, dass FT ein hochmobiles Proteinsignal ist, das in Blättern unter bestimmten Lichtbedingungen gebildet wird und sich dann zu den Stellen bewegt, an denen es die Blütenbildung einleitet.“

Vollschmarotzer der Gattung Cuscuta, zu der der Teufelszwirn gehört, bilden allerdings keine eigenen Blätter und Wurzeln. Die ForscherInnen stellten daher die These auf, dass der Parasit auf die FT-Proteine seiner Wirte angewiesen ist. Um dies genauer unter die Lupe zu nehmen, griffen sie auf eigene Genomanalysen des Teufelszwirns zurück, untersuchten die Blühzeit des Teufelszwirns auf unterschiedlichen Wirtspflanzen und verfolgten die Signalwege des FT-Proteins. Dabei führten sie auch Experimente mit genetisch veränderten Wirtspflanzen durch.

Blühgene des Teufelszwirns wahrscheinlich funktionslos

Bereits 2018 hatte das Team von WissenschaftlerInnen eine interessante Entdeckung gemacht: Sieben Gene, die in anderen Pflanzen wie Arabidopsis (Ackerschmalwand) für die Blühzeit verantwortlich sind, schienen beim Teufelszwirn im Lauf der Evolution verloren gegangen zu sein. Das gleiche Ergebnis zeigte sich damals auch beim verwandten Parasiten Cuscuta campestris, der Nordamerikanischen Seide. Gleichzeitig hatten die ForscherInnen das Gen für das FT-Protein der beiden parasitischen Pflanzen identifiziert und Anomalien in der Sequenz festgestellt. In darauf folgenden Experimenten konnten sie zeigen, was bereits vermutet wurde: die Expression der Cuscuta-FT-Proteine ist in Sachen Blühinduktion wirkungslos.

Signalwege zwischen Wirt und Parasit werden sichtbar

Die Blüh-Synchronisation zwischen Teufelszwirn und seinen unterschiedlichen Wirten untersuchten die Forscher unter verschiedenen Induktionsbedingungen bei Wildtomate, Tabak, Gurke und Soja. Dabei zeigte sich, dass die Blüte des Parasits bei allen Wirtspflanzen stets 4-5 Tage nach Beginn der Wirtsblüte einsetzte.

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Ein Teufelszwirn parasitiert einen Strauch der Art Coleogyne ramosissima im Lytle Ranch Preserve im Südwesten von Utah. Hier betreibt das Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena eine Feldstation.

Ein Teufelszwirn parasitiert einen Strauch der Art Coleogyne ramosissima im Lytle Ranch Preserve im Südwesten von Utah. Hier betreibt das Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena eine Feldstation.

Bildquelle: © Ian Baldwin, MPI chem. Ökol.

Um zu beweisen, dass das FT-Signal der Wirtspflanzen für die Blühinduktion beim Parasit verantwortlich ist, überexpremierte das Forscherteam das mit einem Grün fluoreszierenden Protein (GFP) gekoppelte Blühgen in Soja- und Tabakpflanzen und konnten so den Weg des FT-Proteins von Wirt zu Parasit sichtbar machen.

Baldwin lobt seinen Kollegen vom Kunming-Institut für Botanik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften: „Es war Professor Jianqiang Wus brillante Idee, das FT-Protein an etwas zu koppeln, das leicht sichtbar gemacht werden kann und so den Weg des Wirts-FT-Proteins in die parasitierenden Cuscuta-Pflanzen zu verfolgen.“

Genverluste – und doch mehr Fitness

Die Synchronisation mit seinem Wirt aufgrund des Fehlens eigener funktionaler Blühgene erhöhe die Fitness des Parasiten, so Baldwin. „Während es viele Prozesse gibt, die die Genomgröße von autotrophen Pflanzen erhöhen – etwa Auto- und Allopolyploidisierung sowie Genduplikationen – tendiert Parasitismus dazu, das Gegenteil zu tun, also die Genomgröße zu verringern. Das betrifft die Gene, die für nicht mehr funktionelle Merkmale kodieren. Unsere Arbeit zeigt, dass es für einen Pflanzenparasiten vorteilhaft sein kann, die Kontrolle über die Blühprozesse zu verlieren, da er die mobilen Blühsignale seines Wirts für den eigenen Gebrauch umlenken und sinnvoll nutzen kann.“

Denn blüht der Parasit viel später als seine Wirtspflanze, könnte er in eine Versorgungskrise kommen. Nach der Blüte des Wirts reduzieren sich üblicherweise die Nährstoffe in seinem Gewebe oder er stirbt sogar ab. Blüht der Teufelszwirn hingegen zu früh, geht ihm kostbare Wachstumszeit verloren und kann dann weniger Samen bilden als seine konkurrierenden Artgenossen. Wie immer im Leben ist das richtige Timing also entscheidend.


Quelle:
Shen, G. et al. (2020): Cuscuta australis (dodder) parasite eavesdrops on the host plants‘ FT signals to flower. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 117 (37) 23125-23130, (31. August 2020), doi: 10.1073/pnas.2009445117.

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Titelbild: Cuscuta australis auf einer Sojabohne: Der Parasit blüht und hat bereits Samenkapseln produziert. (Bildquelle: © Jingxiong Zhang, Kunming Institute of Botany, Chinese Academy of Sciences, China)