Frühwarnsysteme für Landwirte

Neue Methoden zur Überwachung der Pflanzengesundheit

25.01.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

In der Zukunft könnten Drohnen eine noch größere Rolle in der Landwirtschaft spielen. (Bildquelle: © iStock.com/robertmandel)

In der Zukunft könnten Drohnen eine noch größere Rolle in der Landwirtschaft spielen. (Bildquelle: © iStock.com/robertmandel)

Wie geht es einer Pflanze? Im Labor gibt es gute Analysenmethoden, das zu überprüfen. Doch in der realen Landwirtschaft erkennt der Landwirt oft erst zu spät, wenn seine Pflanzen durch Pathogene oder Hitze bedroht sind – es drohen Ernteausfälle. Jetzt rücken Methoden in greifbare Nähe, die bereits erste Anzeichen von Stress bei den Pflanzen auch auf dem Acker sichtbar machen. Auch die Grundlagenforschung kann von den neuen Analysetechniken profitieren.

Heute muss sich ein Landwirt noch überwiegend auf seine Erfahrungen und sein Gespür verlassen, wenn es um die Gesundheit seiner Pflanzen geht. Wie ist der Versorgungszustand seiner Pflanzen, muss er noch düngen oder bedrohen Krankheitserreger oder Schädlinge seine Bestände? Wenn er dann Schäden sieht, ist es oft zu spät und Ernteverluste die Folge.

Bisherige Methoden nicht empfindlich genug

Aus diesem Grund sind bereits digitale Überwachungsmethoden entwickelt worden und vereinzelt im Praxiseinsatz. Dazu gehören Fernerkundungstechnologien wie Flugdrohnen, die mit ihren Sensoren in Verbindung mit Smartphones Daten über den Zustand von Pflanzen großflächig erfassen. Sie registrieren Temperatur, Blattfläche, Wasserpotenzial und Chlorophyllkonzentration. Daraus lassen sich schon einige Informationen über den Gesundheitszustand der Pflanzen und verantwortliche Stressfaktoren ableiten.

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Heute muss sich ein Landwirt noch überwiegend auf seine Erfahrungen und optische Begutachtungen verlassen, wenn es um die Gesundheit seiner Pflanzen geht.

Heute muss sich ein Landwirt noch überwiegend auf seine Erfahrungen und optische Begutachtungen verlassen, wenn es um die Gesundheit seiner Pflanzen geht.

Bildquelle: © Ulrike Leone / Pixabay

Doch diese Sensoren sind noch nicht ausreichend empfindlich. Sie erkennen eine gestresste Pflanze oft erst, wenn schon stärkere Schäden aufgetreten sind. Für ein wirkungsvolles Stressmanagement – also Gegenmaßnahmen der Landwirte – ist es dann oft zu spät. Herausfordernd ist zudem das Management der Daten und die Kalibrierung der Geräte, um veränderten Wuchs, Kamerawinkel, Lichteffekte und weitere unkontrollierbare Umwelteinflüsse zu berücksichtigen.

Nanosensoren und Potenzialsensoren

Es gibt jedoch zwei neue Ansätze, um Stress frühzeitig zu erfassen: Nanosensoren, die innerhalb von Pflanzenorganen platziert werden und elektrische Sensoren, die das Oberflächenpotenzial messen. Mit geringer Verzögerung erfassen diese Methoden schon die allerersten Stressanzeichen bei Pflanzen anhand verräterischer Metabolite oder abgesonderter flüchtiger organischer Verbindungen – in der Regel spektroskopisch. Der Nachweis flüchtiger Substanzen profitiert davon, dass wichtige Signalmoleküle und Phytohormone in der Evolution meist artübergreifend konserviert sind und die Methode dadurch bei den meisten Kulturpflanzen funktioniert. Wird bereits die Stresswahrnehmung von Pflanzen erkannt, können Landwirte frühzeitig intervenieren und Ertrags- oder Qualitätsverluste vermeiden.

Wirklich wertvoll für die Diagnose wäre es jedoch, nicht nur eine Momentaufnahme zur Situation einer Pflanze zu haben, sondern das gesamte Raum-Zeit-Profil der Konzentration eines Stress-anzeigenden Signalmoleküls zu kennen. Potenziell geeignete Sensoren sind dafür einwandige Kohlenstoffnanoröhrchen. Werden diese in Mesophyllzellen eingeschleust, zeigt die Änderungen ihres Lichtspektrums beispielsweise an, wie stark Stress die Pflanzen beeinträchtigt. Das konnte unlängst eine Forschergruppe zeigen, die verschiedene Pflanzenarten mit Wasserstoffperoxid-Applikationen künstlich gestresst hat. Ebenso konnte auf diese Weise die Konzentration von Nitroaromaten in Spinat gemessen werden.

Quantenpunkte und Diamantsensoren

Ähnlich nützlich könnten sogenannte Quantenpunkte sein, die ebenfalls zu den Nanomaterialien zählen. Mit ihnen ließ sich bereits exogen eingeführte Glukose nachweisen. Eine höhere Biokompatibilität haben Kohlenstoffpunkte, mit deren Hilfe eine Forschungsgruppe eine Schwermetallverunreinigung in den Zellwänden von Zwiebeln aufspüren konnte.

Äußere Faktoren wie Atmosphärendruck, Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder Lichtintensität verändern auch das bioelektrische Potenzial einer Pflanze. Auf der Pflanzenoberfläche angebrachte Sensoren können dies genau erfassen. Besonders sensitiv sind dabei Bor-dotierte Diamantsensoren, die in der Praxis bereits monatelang das Wachstum von Bäumen überwacht haben und als Frühwarnsystem für sich ändernde Umweltbedingungen fungierten.

Mobile Raman-Spektroskope

Mehrere Chromatographie- und Spektroskopieverfahren sind in der Pflanzenforschung etabliert, jedoch in vivo nicht anwendbar. Anders ist das bei der Raman-Spektroskopie. Sie beruht auf der inelastischen Streuung von Licht an Molekülen und kann so von außen über die chemische Zusammensetzung eines Körpers Auskunft geben. Als optisches Verfahren ließe sie sich gut mit bestehenden optischen Methoden der Fernerkundung kombinieren und aus bis zu 100 Metern über dem Feld anwenden.

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Wenn man die Schäden bereits mit dem bloßen Auge sieht, ist es oft zu spät für Gegenmaßnahmen und Ernteverluste die Folge.

Wenn man die Schäden bereits mit dem bloßen Auge sieht, ist es oft zu spät für Gegenmaßnahmen und Ernteverluste die Folge.

Bildquelle: © iStock.com/phalder

Sowohl biotischer als auch abiotischer Stress konnte auf diese Weise bereits erkannt werden, beispielsweise wenn der Carotinoid-Gehalt als Reaktion auf eine Virusinfektion zunimmt. Ebenso konnte die Nitratkonzentration gemessen und die Düngung präzise auf die Erfordernisse der Pflanzen angepasst werden. Die Raman-Spektroskopie erfasste die Stressfaktoren dabei so früh, dass die erforderlichen Gegenmaßnahmen sehr zeitnah erfolgen konnten und Ernteverluste vermieden wurden.

Selbst Studien des Mikrobioms in der Rhizosphäre erlaubt diese Methode, optional in Verbindung mit Nanosensoren. Erst kürzlich hat ein internationales Team einen tragbaren Raman-Sensor vorgestellt, der an Blätter angeklemmt werden kann und unter Feldbedingungen Metabolite wie Carotinoide und Nitrate misst.

Eine Herausforderung war bislang auch die Messung volatiler organischer Verbindungen auf dem Feld. Mit einem Sensorarray aus sogenannten plasmonischen Nanoteilchen konnte ein Forschungsteam zumindest im Gewächshaus bereits Veränderungen im Emissionsmuster von Tomaten feststellen und so einen Virusbefall diagnostizieren, zwei Tage bevor sichtbare Symptome auftraten.

Echtzeitbeobachtung in vivo

Neben den praktischen Nutzen für die Landwirtschaft profitiert auch die Pflanzenforschung von den neuen Verfahren. Zellen oder Organe können kontinuierlich analysiert werden und selbst die Signalweiterleitung innerhalb der Pflanzen lässt sich beobachten. So lassen sich die biochemischen Reaktionen auf einen Stressfaktor in den verschiedenen Pflanzenteilen getrennt voneinander nachweisen. Insbesondere Nanopartikel mit einem Durchmesser von 20 bis 50 Nanometern können die Zellwand durchdringen und Messungen innerhalb von Kompartimenten lebender Zellen ermöglichen.

Für den Erfolg dieser Ansätze sind zusätzliche bioinformatische Anstrengungen erforderlich. Selbstlernende Algorithmen müssen helfen, charakteristische Muster in den gemessenen Signalen zu erkennen und die Flut von Daten zu handhaben. Doch so manche der hier vorgestellten Methoden ließe sich dann bereits mit einem Smartphone oder mobilen Minicomputer in der Praxis anwenden.


Quelle:
Lew, T. et al. (2020): Species-independent analytical tools for next-generation agriculture. In: Nature Plants, Vol. 6, 1408-1417, (30. November 2020), doi: 10.1038/s41477-020-00808-7.

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Titelbild: In der Zukunft könnten Drohnen eine noch größere Rolle in der Landwirtschaft spielen. (Bildquelle: © iStock.com/robertmandel)