Biomedizin von Übermorgen

Photosynthetische Proteine könnten gegen Arthrose helfen

30.01.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Photosynthese versorgt Pflanzen mit Energie. Die beteiligten Proteine könnten aber auch bei Menschen einen gestörten Energiestoffwechsel ins Gleichgewicht bringen. (Bildquelle: © dmarr515 / Pixabay)

Die Photosynthese versorgt Pflanzen mit Energie. Die beteiligten Proteine könnten aber auch bei Menschen einen gestörten Energiestoffwechsel ins Gleichgewicht bringen. (Bildquelle: © dmarr515 / Pixabay)

Pflanzenwirkstoffe als Heilmittel – das ist nichts grundsätzlich Neues. Doch jetzt erforschen Mediziner, ob Proteine der Photosynthese Störungen im Energiehaushalt von menschlichen Zellen beheben und so beispielsweise gegen Arthrose helfen könnten.

Arthrose ist eine degenerative Gelenkerkrankung. Oftmals sind Fehlstellungen oder Überbelastungen die Ursache, aber auch bestimmte Medikamente. Am Ende hilft häufig nur noch, das geschädigte Gelenk durch eine Prothese zu ersetzen. Jetzt kommt ein möglicher neuer Behandlungsansatz von überraschender Seite: Einem Forschungsteam ist es gelungen, mithilfe von Proteinen aus der pflanzlichen Photosynthese die für Arthrose so typischen Knorpelschäden aufzuhalten.

ATP und NADPH sind nicht leicht zu regulieren

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Arthrose ist eine degenerative und entzündliche Gelenkerkrankung, bei der der Energiestoffwechsel der Zellen gestört ist.

Arthrose ist eine degenerative und entzündliche Gelenkerkrankung, bei der der Energiestoffwechsel der Zellen gestört ist.

Bildquelle: © Drahreg01 / Wikimedia

Bei Arthrose und manchen anderen Erkrankungen ist der Energiestoffwechsel der betroffenen Zellen verlangsamt, was dann zum Krankheitsbild beiträgt. Auf der einen Seite ist am Energiestoffwechsel das Molekül ATP (Adenosintriphosphat) als Energielieferant beteiligt. Auf der anderen Seite stellt das Molekül NADPH (Nicotinamidadenindinukleotidphosphat) das Redox-Gleichgewicht wieder her. Doch Eingriffe in die Produktion beider Moleküle sind riskant: ATP entsteht im Citratzyklus, der an vielen Stoffwechselprozessen beteiligt ist. Er lässt sich also nicht ohne weitreichende Folgen einfach hochfahren. Direkt den Zellen zugeführtes ATP beeinflusst den Energiestoffwechsel jedoch kaum. Ähnlich bei NADPH: Dessen Konzentration wird von mehreren Stoffwechselprozessen reguliert, sodass auch hier Eingriffe unabsehbar wären. Zu viel NADPH kann zudem zu oxidativem Stress führen. Hilfreich sind demnach nur Ansätze, die gut kontrolliert ermöglichen, dass sich die Zelle unabhängig von anderen Stoffwechselwegen mit ATP und NADPH selbst ausreichend versorgen kann.

Das pflanzliche Photosynthesesystem erbringt genau diese Leistung. Das interdisziplinäre Forschungsteam hat daher überlegt, wie es gelingen kann, diesen Mechanismus in tierische Zellen zu übertragen. Natürlicherweise stoßen Organismen artfremdes Material schnell ab oder zerstören es. Die Fachleute haben daher das natürliche Photosynthesesystem in eine tierische Zellmembran verpackt, gewissermaßen als „trojanisches Pferd“, mit dem die Proteine in die Zelle eindringen sollen. Die Zellen waren in diesem Fall Knorpelzellen von Mäusen.

Homologe Membranhülle schleust artfremde Proteine ein

Zunächst stellten die Forscherinnen und Forscher mittels Proteosomanalyse sicher, dass die genutzten Thylakoide – Teile der Chloroplastenmembran, die unter anderem das Photosystem I und II einschließen – tatsächlich alle für die Photosynthese erforderlichen Proteine enthalten. Die Gene-Ontology-Datenbank legte zudem nahe, dass die enthaltenen Proteine an der Regeneration von NADPH und der Erzeugung von ATP beteiligt sind. Belichtete das Forschungsteam die Nano-Thylakoid-Einheiten, bildeten sie beide Moleküle mehrfach schneller ist im Dunkeln. Allerdings ging die Fähigkeit ATP zu erzeugen, bei Licht nach etwa 16 Stunden stark zurück, im Dunkel hielt diese Fähigkeit etwa sieben Tage lang an. Das entsprach ziemlich exakt der Zeit, bis die Photosynthese-Proteine D1 und D2 bei Licht bzw. Dunkelheit vollständig abgebaut waren. Anschließend verpackte das Team die Thylakoid-Einheiten in eine aus Knorpelzellen gewonnene Membran, die von den Zellen effizient aufgenommen wurden.

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Das Blattgrün enthält Enzymkomplexe, aus denen ein Wirkstoff gegen Arthrose hervorgehen könnte.

Das Blattgrün enthält Enzymkomplexe, aus denen ein Wirkstoff gegen Arthrose hervorgehen könnte.

Bildquelle: © Marc Pascual / Pixabay

Weitere Analysen ergaben, dass die Knorpelmembranhülle mit der Außenseite der Zellmembran fusionierte. Weil der Thylakoid-Teil jedoch an deren Innenseite lokalisierte, vermuten die Fachleute einen Mechanismus, wie er von behüllten Viren bekannt ist: Diese fusionieren zunächst mit der Zellmembran und lassen dann ihr Capsid ins Cytosol eindringen.

Spezifischer Mechanismus

Die Homologie der Membranen sorgte auch dafür, dass der Mechanismus recht spezifisch arbeitete: Infizierten die Forschenden andere Zelltypen mit Thylakoid-Einheiten in einer Knorpelmembranhülle, wurden diese weit schlechter aufgenommen.

Zur Kontrolle testeten die Forscher:innen auch den Transfer der Thylakoid-Einheiten nach Einbettung in Fettnanopartikel. Die wenigen Einheiten, die in die Zellen geschafft hatten, wurden dort schnell von Lysozymen abgebaut - ein Prozess, der bei den Thylakoid-Einheiten mit Knorpelmembranhülle nur selten nachzuweisen war.

Energiestoffwechsel repariert, Krankheitssymptome gelindert

Das Austricksen der Artgrenze hat sich gelohnt. Kranke Knorpelzellen mit eingeschleusten Thylakoid-Einheiten enthielten nun unter Beleuchtung nahezu normale Konzentrationen an ATP und NADPH. Dieser Effekt erreichte seinen Höhepunkt nach ein bis zwei Stunden und endet nach 32 Stunden. Unbeleuchtet blieb der Effekt gänzlich aus. Auch der Anteil reaktiver Sauerstoffspezies stieg in den Zellen nicht an, sondern ging sogar zurück – vermutlich aufgrund des erhöhten NADPH-Gehaltes und der dadurch angeregten Bildung antioxidativer Enzyme. Vergleichbare Wirkungen fanden die Forscherinnen und Forscher auch bei anderen erkrankten Zelltypen, wenn sie die Thylakoid-Einheiten nach Einhüllung in homologe Membranstrukturen in die Zellen transferierten.

Abschließend testete das Team das neue Verfahren an Mäusen, denen Arthrose in den Knien chirurgisch induziert wurde. Acht bis zwölf Wochen nach dem Eingriff war der Gewebeschaden gegenüber unbehandelten Mäusen deutlich abgeschwächt. In den Gelenken der behandelten Mäuse fand sich zudem deutlich mehr Collagen und Aggrecan, typisch für gesundes Knorpelgewebe. Auch die Aktivität freier Radikale, die nach der Operation eingesetzt hatte, war deutlich zurückgegangen. Nicht zuletzt konnte das Team zeigen, dass die Tiere in den Gelenken an weniger Schmerzen litten.

Zusammengenommen belegt diese Studie das erstaunliche Potenzial, mit Photosyntheseproteinen krankhafte Veränderungen menschlicher Zellen zu lindern.


Quelle:
Chen, P., et al. (2022): „A plant-derived natural photosynthetic system for improving cell anabolism“. In: Nature, Vol. 612 (15. Dezember 2022). doi: 10.1038/s41586-022-05499-y.

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Titelbild: Die Photosynthese versorgt Pflanzen mit Energie. Die beteiligten Proteine könnten aber auch bei Menschen einen gestörten Energiestoffwechsel ins Gleichgewicht bringen. (Bildquelle: © dmarr515 / Pixabay)