Reduktion tut not

Herstellung von Kunstdünger ist zu stark von fossilen Brennstoffen abhängig

31.01.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Kunstdünger wird in der Landwirtschaft eingesetzt, da er schnell von den Pflanzen aufgenommen wird und das Pflanzenwachstum stark beschleunigt. (Bildquelle: © Elsemargriet / Pixabay)

Kunstdünger wird in der Landwirtschaft eingesetzt, da er schnell von den Pflanzen aufgenommen wird und das Pflanzenwachstum stark beschleunigt. (Bildquelle: © Elsemargriet / Pixabay)

Die Produktion von Kunstdünger verbraucht sehr viel Energie, setzt viel CO2 frei und ist abhängig von der Verfügbarkeit von Erdgas. Das muss sich ändern, fordern Forscher:innen: Durch eine Dekarbonisierung des Herstellungsprozesses und durch Sparsamkeit. Nur so lässt sich langfristig globale Lebensmittelsicherheit erreichen.

Um die Weltbevölkerung auch in Zukunft zu ernähren, muss die Produktivität der Landwirtschaft bis 2050 auf etwa das Doppelte der bisherigen Erträge gesteigert werden. Ein wichtiger Baustein dabei ist Kunstdünger. Er wird über das Haber-Bosch-Verfahren hergestellt und hat gegenüber organischem Dünger den Vorteil, dass er oftmals preiswerter ist und schneller von den Pflanzen aufgenommen wird. Das Problem dabei: Auf die Herstellung entfallen etwa zwei Prozent des jährlichen globalen Energieverbrauchs. Dazu werden fast ausschließlich fossile Brennstoffe eingesetzt. In einer neuen Studie befasst sich ein internationales Forschungsteam mit den Möglichkeiten, Kunstdünger klimaneutral herzustellen.

Das Haber-Bosch-Verfahren

Um künstlichen Stickstoffdünger herzustellen, wird Ammoniak (NH3) benötigt. Der Stickstoff für den Herstellungsprozess stammt aus der Luft, der Wasserstoff aus Erdgas (Methan, CH4) sowie aus Wasserdampf. Für die Umsetzung wird eine Temperatur von mindestens 450 Grad benötigt sowie ein Druck von mindestens 250 bar. Etwa 70 Prozent der globalen Ammoniakproduktion (187 Mt pro Jahr) wird zur Produktion von Kunstdünger verwendet, dabei werden 310 Mt CO2 freigesetzt.

Die Herstellung von Kunstdünger ist aber nicht nur ein Klimaproblem. Er ist auch ein Garant für die globale Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln. Die Forscher:innen haben berechnet, dass etwa die Hälfte des jährlichen globalen Proteinbedarfs nur durch den Einsatz von Kunstdünger zur Verfügung steht und etwa 3,8 Milliarden Menschen ernährt. Sobald aus irgendeinem Grund eine Verknappung von Energie bzw. Erdgas eintritt, können auch eklatante Engpässe bei der Nahrungsmittelversorgung eintreten.

Massive Abhängigkeiten

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Gründüngung mit Lupinen (Lupinus polyphyllus) oder anderen Leguminosen kann den Boden auf natürliche Weise mit Stickstoff anreichern.

Gründüngung mit Lupinen (Lupinus polyphyllus) oder anderen Leguminosen kann den Boden auf natürliche Weise mit Stickstoff anreichern.

Bildquelle: © Steff_13 / Pixabay

Die Forscher:innen berechneten, dass global 1,07 Milliarden Menschen von importiertem Kunstdünger abhängig sind und nochmal 710 Millionen von importiertem Gas, das für die Düngerproduktion benötigt wird, insgesamt also 1,78 Milliarden Menschen. Einige wenige Länder exportieren Kunstdünger in großem Stil. An erster Stelle steht Russland (9,2 Mt Stickstoff pro Jahr), gefolgt von China (5,6 Mt), Ägypten und Katar (je 3 Mt) sowie Saudi Arabien (2,6 Mt). Auch Deutschland gehört zu den Exporteuren von Kunstdünger, allerdings nur solange man die dafür nötigen Gasimporte außer Acht lässt. Rechnet man die Abhängigkeit von importiertem Gas mit ein, wandelt sich das Bild: Ohne importiertes Gas wären viele Staaten, die eigentlich genug Kunstdünger für die eigene Versorgung herstellen und Überschüsse exportieren könnten - wie Deutschland, die Niederlande, Belgien, Finnland und sogar China - auf einmal nicht mehr dazu in der Lage.

Schlechte CO2-Bilanz

Erstes Ziel wäre daher, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aufzulösen. Die Forscher:innen schlagen dazu mehrere Möglichkeiten vor: Zum einen, den Wasserstoff über Elektrolyse des Wassers herzustellen und dabei auf eine emissionsarme Energieerzeugung zurückzugreifen oder sowohl Energie als auch Wasserstoff aus Biomasse zu gewinnen. Eine dritte Möglichkeit wäre, den Wasserstoff und die Energie weiter aus fossilen Brennstoffen zu beziehen, aber dabei die Technik zur CO2-Abscheidung und Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) anzuwenden, so dass sich wenigstens die Klimabilanz verbessern würde - auch wenn die Abhängigkeit von Erdgas natürlich bliebe. Alle drei alternativen Wege sind technisch möglich, haben aber einen größeren Bedarf an Energie, Fläche und Wasser als der bisherige Herstellungsprozess. Der Herstellungsweg über Biomasse verbraucht 26 Mha Fläche gegenüber 0,03 Mha bei der konventionellen Herstellung und 255 Kubikkilometer Wasser im Vergleich zu 0,40 Kubikkilometer (ein Kubikkilometer entspricht einer Billion Liter). Der Herstellungsprozess über Elektrolyse verbraucht 1219 Terawattstunden (TWh) im Vergleich zu 48 TWh im bisherigen Herstellungsprozess. Der Weg über das CCS-Verfahren verbraucht immerhin noch 76 TWh.

Weniger Dünger verbrauchen

Da alle drei Möglichkeiten auch ihre Nachteile für die Umwelt mit sich bringen, ist eine weitere und dringend notwendige Maßnahme laut Forscher:innen die Senkung der verwendeten Düngemengen. Berechnungen zeigen, dass vom ausgebrachten Dünger nur 46 Prozent wirklich bei den Pflanzen ankommen, der Rest geht in der Umwelt „verloren“. Und das ist problematisch: Denn ein großer Teil des Ammoniaks wird im Boden von Mikroorganismen zu Lachgas (N2O) umgewandelt, einem Treibhausgas, das 300mal stärker wirkt als CO2. Geschätzt wird, dass etwa 2,3 Mt Lachgas pro Jahr durch überschüssigen Dünger freigesetzt werden. Das entspricht hinsichtlich der Treibhauswirkung 670 Mt CO2. Aber auch der aufgenommene Stickstoff bleibt größtenteils auf der Strecke: Bis zu 44 Prozent stecken in ungenutzten Pflanzenresten oder werden als Lebensmittel weggeworfen. Dazu kommt mit durchschnittlich 84 Gramm pro Tag eine zu hohe Aufnahme an Protein durch den Menschen, vor allem durch den Konsum von Fleisch und Milchprodukten (empfohlen werden etwa 50 Gramm Protein oder neun Gramm Stickstoff). Gleichzeitig erhalten immer noch etwa eine Milliarde Menschen zu wenig Protein.

Unter dem Strich werden also nur etwa 20 Prozent des Stickstoffs aus Kunstdünger für die menschliche Ernährung genutzt, der Rest geht durch ineffiziente Produktion und Verwertung verloren. Veränderte Ernährungsgewohnheiten (weniger Fleisch, weniger Lebensmittelverschwendung) und eine Umverteilung der Ressourcen könnten in Kombination mit verbesserten landwirtschaftlichen Praktiken (neue Züchtungsverfahren, Precision Farming, Verwendung von organischem Dung, Stickstoff-fixierende Zwischenfrüchte, mehrjährige Feldfrüchte) große Mengen an Kunstdünger einsparen. Zusammen mit verbesserten Herstellungsverfahren, zum Beispiel der Nutzung von Pflanzenabfällen zur Wasserstoff- und Energiegewinnung, könnte so die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringert und die CO2-Bilanz deutlich verbessert werden. Noch „viel Luft nach oben“, um Lebensmittelsicherheit und Klimaschutz voranzubringen.


Quelle:
Gabrielli, P. et all (2022): Energy and food security implications of transitioning synthetic nitrogen fertilizers to net-zero emissions. In: Environmental Research Letters 18 (2023). dx.doi.org/10.1088/1748-9326/aca815

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Titelbild: Kunstdünger wird in der Landwirtschaft eingesetzt, da er schnell von den Pflanzen aufgenommen wird und das Pflanzenwachstum stark beschleunigt. (Bildquelle: © Elsemargriet / Pixabay)