Alternative Schädlingskontrolle

RNA-Spray statt „chemischer Keule“

31.12.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Grüne Pfirsichblattlaus ist Überträger von verschiedenen Vergilbungsviren, die zu hohen Einbußen in der Zuckerrübenernte führen. (Bildquelle: © Fraunhofer IME / Leonie Graser)

Die Grüne Pfirsichblattlaus ist Überträger von verschiedenen Vergilbungsviren, die zu hohen Einbußen in der Zuckerrübenernte führen. (Bildquelle: © Fraunhofer IME / Leonie Graser)

Für einen zielgerichteteren Schädlingsschutz testen Forschende im Projekt ViVe_Beet unter Leitung des Julius Kühn-Institutes ein neuartiges Verfahren auf Basis eines RNA-Sprays. Es soll Zuckerrüben vor Pfirsichblattläusen schützen, die schädliche Vergilbungsviren auf die Pflanzen übertragen.

Der Einsatz von chemisch-synthetischen Insektiziden wird in der Europäischen Union zunehmend kritisch gesehen. Solche Mittel wehren in einigen Fällen nicht nur die Schädlinge ab, sondern beeinträchtigen eine Reihe weiterer Tierarten. Für einen besseren Artenschutz sind deshalb z.B. Neonikotinoide seit 2019 nicht mehr in der EU als Wirkstoff in Pflanzenschutzmitteln erlaubt. Es besteht der Verdacht, dass diese Substanzgruppe unter anderem Bienen gefährdet.

Chemische Insektizide hinterlassen eine Lücke

Doch dadurch entstehen neue Probleme: Einige Schadinsekten wie die Grüne Pfirsichblattlaus lassen sich ohne diesen Wirkstoff kaum noch effektiv bekämpfen. Diese Blattlausart überträgt insbesondere eine Reihe von Vergilbungsviren auf Zuckerrüben und verursacht so Ertragsverluste von bis zu 50 Prozent.

Abwehrmechanismus gegen Viren als Vorbild

Für eine alternative Bekämpfung der Blattläuse testete das Forschungsteam einen biologischen Ansatz: die RNA-Interferenz oder kurz RNAi. RNAi ist eine natürlicher Abwehrmechanismus von Zellen gegen eindringende Viren. Die Abwehrschritte sehen dabei folgendermaßen aus:

#####1#####
Strukturmodell vom Dicer-Enzym

Strukturmodell vom Dicer-Enzym

Bildquelle: © Opabinia regalis / Wikipedia, CC BY-SA 3.0

Ein typisches Merkmal vieler Viren ist doppelsträngige RNA (dsRNA), die sich von der in den Zellen normalerweise vorkommenden einzelsträngigen RNA unterscheidet. Die doppelsträngige RNA wird vom sogenannten Dicer-Enzym der Zelle erkannt: Es schneidet die RNA in kleinere Fragmente, die sogenannten small interfering RNAs (siRNAs). Diese siRNAs werden dann im RNA-induced Silencing Complex (RISC) eingebunden. Der RISC nutzt nun die gebundene siRNA als Leit- bzw. Erkennungsstrang, um virale einzelsträngige mRNA in der Zelle zu erkennen und dann gezielt abzubauen. Dadurch wird verhindert, dass das Virus seine genetische Information abliest und vervielfältigen kann. Ein Schaubild dieses Mechanismus ist hier abrufbar.

Umprogrammierung der Virusabwehr gegen zelleigene Gene

Um das RNAi-System zur Schädlingsbekämpfung einzusetzen, nutzten die Forscher:innen doppelsträngige RNA, die Teilsequenzen von lebensnotwendigen Genen der Blattlaus enthalten. Werden die Tiere mit einem solchen RNA-Spray besprüht, gelangen die RNA-Moleküle über den Darm der Tiere schließlich in die Körperzellen und schalten dort über den oben beschriebenen Mechanismus ihre Zielgene aus. Es kommt dadurch zu einer hohen Sterblichkeit bei den Schädlingen.

Zuvor tüftelten das Forschungsteam noch an einer speziellen Formulierung des Sprays, damit die darin enthaltenen doppelsträngigen RNA-Moleküle möglichst stabil gegenüber Umweltfaktoren wie Temperatur, UV-Licht und RNA-abbauenden Enzymen sind.

Bei ersten Versuchen im Gewächshaus konnte das Spray zeigen, dass die Sterblichkeit bei den Blattläusen durch die RNA-Behandlung um 70 Prozent zunahm. Bei Feldversuchen im nächsten Jahr soll sich das neue Schädlingsbekämpfungskonzept in der Praxis beweisen.

Nahezu universell einsetzbar und nachhaltig

RNAi kann aber nicht nur gegen tierische Schädlinge eingesetzt werden. Der Wirkmechanismus macht es möglich, dass auch Krankheitserreger wie phytopathogene Pilze, Bakterien und Viren damit bekämpft werden können. Da diese Methode spezifische Gene eines Schadorganismus angreift, schont es Menschen oder Nützlinge wie die Biene. RNAi öffnet also die Tür zu einem besonders nachhaltigen Pflanzenschutz.


Quelle:
Forschung Kompakt Januar 2024 – Gezielte Schädlingskontrolle mit RNA-Spray (Fraunhofer) https://www.fraunhofer.de/content/dam/zv/de/presse-medien/2024/januar/ime-gezielte-schaedlingskontrolle-mit-rna-spray.pdf

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Die Grüne Pfirsichblattlaus ist Überträger von verschiedenen Vergilbungsviren, die zu hohen Einbußen in der Zuckerrübenernte führen. (Bildquelle: © Fraunhofer IME / Leonie Graser)