Mikroplastik

Kombi-Tomografie ermöglicht genauen Blick auf Kunststoffbelastungen im Boden

08.01.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Mulchfolien sind eine der Quellen für Mikroplastik im Ackerboden. (Bildquelle: © F. Kesselring, FKuR Willich / Wikimedia; CC-BY-SA-3.0-DE)

Mulchfolien sind eine der Quellen für Mikroplastik im Ackerboden. (Bildquelle: © F. Kesselring, FKuR Willich / Wikimedia; CC-BY-SA-3.0-DE)

Plastikmüll in der Umwelt ist ein zunehmendes Problem. Die größte Aufmerksamkeit erhalten bisher Abfälle, die sich im Meer anreichern. Doch auch Mikroplastik im Boden kann ökologisch, gesundheitlich und landwirtschaftlich Schäden verursachen. Eine neue Methode macht es sichtbar.

Allein der Reifenabrieb von Fahrzeugen ist Schätzungen zufolge für jährlich 100.000 Tonnen Mikroplastik verantwortlich, die in die Umwelt gelangen. Zahlreiche weitere Quellen vergrößern die Belastung, darunter Kunstrasen, Kosmetika, Kleidung, Verpackungen und Mulchfolien. Inzwischen konnte Mikroplastik praktisch überall auf der Erde nachgewiesen werden. Auf landwirtschaftliche Böden gelangt es als weggeworfener Abfall, über Wind, Bewässerung und Überflutung, Mulch, Kompost oder Klärschlamm. Biogene Durchmischung des Bodens, einsickerndes Wasser und landwirtschaftliche Bodenbearbeitung bringen die winzigen Rückstände unter die Erdoberfläche. Dort können sie Jahrzehnte verweilen und sich immer stärker anreichern.

Unstrittig ist, dass dies nicht ohne ökologische Folgen bleibt. Mikroplastik verändert die Bodendichte ebenso wie die Kapazität, Wasser zu speichern. Auch hat es einen Einfluss auf die Verdunstungsrate, die Zusammensetzung des Mikrobioms und das Wachstum der Pflanzen - wobei unterschiedliche Studien sowohl positive als auch negative Effekte nachgewiesen haben. Dabei können auch biologisch abbaubare Kunststoffe durchaus schädliche Folgen haben.

Bisherige Analysemethoden ohne räumliche Betrachtung

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Die Neutronentomographie (in Grautönen) zeigt deutlich, wo sich die PET-Fragmente befinden. Die Röntgentomographie der Probe (Ocker) enthüllt die Bodenstruktur: Überlagert mit der Neutronentomographie werden die darin enthaltenen PET-Teilchen (in blau) sichtbar.

Die Neutronentomographie (in Grautönen) zeigt deutlich, wo sich die PET-Fragmente befinden. Die Röntgentomographie der Probe (Ocker) enthüllt die Bodenstruktur: Überlagert mit der Neutronentomographie werden die darin enthaltenen PET-Teilchen (in blau) sichtbar.

Bildquelle: © Christian Tötzke

Bislang beruhen derartige Studien auf Experimenten bei hoher Mikroplastikbelastung, um leichter an statistisch relevante Ergebnisse zu gelangen. Außerdem nutzen bisherige Analysemethoden destruktive Verfahren, die lediglich die Gesamtheit der Kunststoffpartikel einer Probe auswerten. Verfahren, um die Verteilung und die Struktur von Mikroplastik im Boden direkt zu beobachten, fehlten bislang. Das erschwert es, die Ursachen und Prozesse hinter den beobachteten Einflüssen der Partikel zu verstehen.

Eine Kooperation zwischen der Universität Potsdam und dem Helmholtz-Zentrum Berlin hat das nun geändert. Das Team hat ein Messverfahren entwickelt, um Bodenproben gleichzeitig mit Neutronen und Röntgenstrahlung zu untersuchen und daraus dreidimensionale Tomografien zu erstellen. Möglich macht das eine entsprechende Apparatur am Institut Laue-Langevin in Grenoble und entsprechend trainierte Algorithmen.

Doppel-Tomografie löst mit 100 Mikrometern auf

Um das Verfahren zu testen, erzeugte das Forschungsteam unterschiedliche Proben aus sandigen Böden mit definierten Kunststoffpartikeln aus Polypropylen, Polystyrol oder PET sowie organischen Komponenten wie Torf, Holzkohle oder Wurzelsysteme von Lupinen. Die Röntgentomografie bildete dabei die mineralischen Partikel und Strukturen des Bodens ab, während die Neutronentomografie Mikroplastik und organische Partikel erfasste. Die Auflösung betrug 100 Mikrometer, könnte aber bei hochauflösender Neutronenbildgebung sogar Teilchengrößen von lediglich 20 Mikrometern Durchmesser detektieren.

Herausfordernd war zunächst, Kunststoff und Organisches zu unterscheiden. Dabei erwies es sich als hilfreich, den Algorithmus Objekte nach Struktur und Größe der Kunststoffpartikel filtern zu lassen. Probleme machten anfangs auch Kunststoffteilchen, die sich an Wurzeln schmiegten und so von der Software nicht als zwei getrennte, sondern ein größeres Objekt betrachtet wurden. Letztlich gelang es den Forscher:innen jedoch, alle Mikroplastikteilchen in den Proben in der Bildgebung zu identifizieren. In besonders schwierigen Fällen behandelte das Team die Probe mit Wasserstoffperoxid, um organische Komponenten zu zersetzen und Kunststoffteilchen besser unterscheiden zu können. Weil das die Mikrostruktur der Probe verändern kann, bezeichnen die Forscher diesen Schritt als „letztes Mittel“.

Kombinierte Bildgebung entscheidend

Besonders deutlich wurde die Stärke des kombinierten Tomografieverfahrens am Beispiel eines Spalts im Boden: Das Röntgenbild hatte in der Bodenstruktur einen horizontalen Riss erfasst, der in diesem Bild leer wirkte. Die Neutronenaufnahme hingegen zeigte in einem Teil des Risses die Mikroplastikfaser einer Kunststofffolie – die sich als ursächlich dafür erwies, dass der weit längere Riss überhaupt entstanden ist.

Was wie eine Kleinigkeit klingt, kann sich jedoch auf die mechanische Stabilität und vor allem auf den Wasserfluss des Bodens auswirken – nicht zuletzt, wenn viele solcher Fasern im Boden vorhanden sind. Bislang können Forscherinnen und Forscher kaum vorhersagen, wie sich Mikroplastik auf die hydraulischen Eigenschaften des Bodens auswirken. Dabei wären gerade in Zeiten der Klimakrise mit Dürren und Starkregen verlässliche Prognosen wichtig, etwa wie viel Wasser ein Boden speichern kann.

Die neue Methode soll dabei künftig helfen. Allerdings ist sie aus technischen Gründen vor allem auf Laboruntersuchungen begrenzt und bislang nur bei sandigen Böden anwendbar.


Quelle:
Tötzke, C., et al. (2023): Non-invasive 3D analysis of microplastic particles in sandy soil — Exploring feasible options and capabilities. In: Science of the Total Environment, 907 (2024). doi: 10.1016/j.scitotenv.2023.167927

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Titelbild: Mulchfolien sind eine der Quellen für Mikroplastik im Ackerboden. (Bildquelle: © F. Kesselring, FKuR Willich / Wikimedia; CC-BY-SA-3.0-DE)