Vom Wert der Natur

Internationaler Agrarhandel hängt von zahlreichen „Naturleistungen“ ab

07.03.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Reifende Kaffeebohnen: Auch Kaffeepflanzen sind z.B. auf Bestäubung angewiesen. Von diesem NCP (Nature's Contribution to People) sind nicht nur die Kaffeebauern abhängig, sondern auch die Kaffeeindustrie und die Verbraucher. (Bildquelle: © hoclop12 / Pixabay)

Reifende Kaffeebohnen: Auch Kaffeepflanzen sind z.B. auf Bestäubung angewiesen. Von diesem NCP (Nature's Contribution to People) sind nicht nur die Kaffeebauern abhängig, sondern auch die Kaffeeindustrie und die Verbraucher. (Bildquelle: © hoclop12 / Pixabay)

Funktionierende Ökosysteme sind die Grundlage für die landwirtschaftliche Produktion. Ohne sie würde auch der internationale Agrarhandel zum Erliegen kommen. Diese Tatsache wird noch immer nicht genug beachtet und sollte dringend bei wirtschaftlichen Entscheidungen mit eingerechnet werden, fordern Forscher:innen. Dafür braucht man aber belastbare Zahlen.

Unser Überleben hängt von der Natur ab. Allerdings vergisst man diese Abhängigkeit leicht, wenn man sich beispielsweise morgens seinen Kaffee einschenkt. Denn die Produktion und auch der Handel mit Kaffee ist von einer intakten Natur im Herstellungsland abhängig. Trotzdem gibt es bisher keine belastbaren Zahlen über den genauen Beitrag der Natur an einem landwirtschaftlichen Produkt. Um diese Lücke zu schließen, hat ein internationales Forschungsteam in einer neuen Studie unter der Leitung des Synthesezentrums sDiv am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) in Leipzig eine Methode entwickelt, wie der Beitrag der Natur zu international gehandelten Agrarprodukten in Zahlen gefasst werden kann. Eine zentrale Rolle dabei spielen die NCPs.

Was sind NCPs?

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Beiträge der Natur für den Menschen: Kartierung der 18 NKP-Berichtskategorien, die in IPBES-Bewertungen verwendet werden (in Englisch).

Beiträge der Natur für den Menschen: Kartierung der 18 NKP-Berichtskategorien, die in IPBES-Bewertungen verwendet werden (in Englisch).

Bildquelle: © Sfdiversity / Wikipedia, CC BY-SA 4.0

NCPs sind die "Nature's Contributions to People" (NCP). Dieser Begriff stammt aus dem Bereich der Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung und wurde insbesondere durch die Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) bekannt. NCP bezieht sich auf die vielfältigen Beiträge, die die Natur zum menschlichen Wohlbefinden und zur menschlichen Existenz liefert. Diese Beiträge können sowohl materieller als auch immaterieller Natur sein und umfassen beispielsweise die Bereitstellung von Nahrung, Wasser und Luft, die Regulation von Klima und Krankheiten bis hin zu spiritueller Erfüllung und ästhetischer Inspiration.

Der NCP-Ansatz erweitert das Konzept der Ökosystemdienstleistungen, indem er einen stärkeren Fokus auf die kulturellen, spirituellen und relationalen Aspekte der Mensch-Natur-Beziehungen legt. Dieser Ansatz betont auch die Bedeutung von lokalem und indigenem Wissen und versteht die Beiträge der Natur als Ergebnis der Wechselwirkungen zwischen biologischer Vielfalt und Ökosystemfunktionen.

Durch die Verwendung des NCP-Konzepts zielt IPBES darauf ab, eine breitere und integrativere Perspektive auf die Bedeutung der Natur für die menschliche Gesellschaft zu fördern und so zu einem besseren Verständnis und zu wirksameren Strategien für den Erhalt der Biodiversität und die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen beizutragen.

NCPs sind vor allem wichtig für die Landwirtschaft, denn sie machen die landwirtschaftliche Produktion erst möglich. Letztlich sind aber alle Wirtschaftsbereiche zumindest indirekt von NCPs abhängig, betonen die Forscher:innen.

Schutz der natürlichen Ressourcen

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Schokoladenliebhaber denken oftmals nicht an den Beitrag der Natur beim Kakaoanbau. Nachhaltige Anbaumethoden und Schutz der natürlichen Umgebung werden meist außer Acht gelassen.

Schokoladenliebhaber denken oftmals nicht an den Beitrag der Natur beim Kakaoanbau. Nachhaltige Anbaumethoden und Schutz der natürlichen Umgebung werden meist außer Acht gelassen.

Bildquelle: © PernillaKlockars / Pixabay

Auch der internationale Agrarhandel ist daher von der Bereitstellung dieser NCPs abhängig. Nur wird diese Tatsache noch viel zu wenig beachtet, obwohl NCPs essentieller Bestandteil der Wertschöpfungskette sind. Das birgt Gefahren, denn wenn NCPs bei der Durchsetzung anderer wirtschaftlicher Interessen außer Acht gelassen werden, kann das die landwirtschaftliche Produktivität absenken, zum Zusammenbruch von Ökosystemen führen und die Lebensmittelsicherheit gefährden. Dass diese Abhängigkeiten kaum wahrgenommen werden, hängt laut Forscher:innen mit der oftmals großen räumlichen Distanz zwischen dem Produktionsort und dem Ort des Verbrauchs im Zeitalter des globalen Handels zusammen. Den Wert von NCPs ins wirtschaftliche und politische Bewusstsein zu holen und ihnen die nötige Beachtung und Wertschätzung zu schenken, ist daher wichtig für eine nachhaltige Gestaltung unserer Zukunft.

Drei Schritte zur Erfassung

Um den Wert eines NCPs zu erfassen, werteten die Forscher:innen verschiedene Studien zum Thema aus und entwickelten drei grundlegende Schritte zur Quantifizierung von NCPs:

  1. Die räumliche Erfassung, wo sie verfügbar sind und welche gesellschaftlichen Bedarfe zugrunde liegen. Die Kartierung des NCP-Angebotes erfordert detaillierte Informationen z.B. über die Landnutzung und die Bodenbedeckung. Die Kartierung der gesellschaftlichen Nachfrage nach NCPs erfordert dabei Kenntnisse darüber, wie viel Nutzung oder Wunsch nach Nutzung einem bestimmten NCPs für die Produktion von landwirtschaftlichen Erzeugnissen erforderlich oder erwünscht ist. Dies kann z.B. durch den Verbrauch von Produkten, die von einem NCP abhängen oder durch die von einem NCP abhängige Anbaufläche angenähert werden
  2. Der zweite methodische Schritt besteht in der Verknüpfung der räumlichen biophysikalischen Bewertung mit dem landwirtschaftlichen Produkt. Dies erfordert zunächst die Verknüpfung des Standorts der NCP-Bereitstellung mit dem Ort, an dem das landwirtschaftliche Produkt erzeugt wird - unter Berücksichtigung der Landschaftsstruktur, der Entfernung und die Richtungsabhängigkeit zwischen der NCP-Bereitstellung und der Pflanzenproduktion.
  3. Der dritte methodische Schritt schließlich betrifft die Verfolgung der internationalen Agrarhandelsströme und die Quantifizierung ihrer Abhängigkeit von den NCPs. Multiregionale Input-Output-Modelle liefern dazu monetäre Daten zu den internationalen Handelsbeziehungen zwischen den Ländern und den mit den internationalen Agrarhandel verbundenen Umweltauswirkungen.

Besseres Verständnis

Mit dieser neuen quantitativen Methodik soll es möglich werden, die Zusammenhänge zwischen Natur und internationalem Handel besser zu verstehen und so zum Schutz der Biodiversität beizutragen, wie es zum Beispiel vom Globalen Biodiversitätsrahmen von Kunming-Motreal gefordert wird. Das größte Hindernis sind bisher allerdings fehlende Daten, vor allem zu den Anbaugebieten und internationalen Handelsströmen. Hier sehen die Forscher:innen die Politik in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass diese Daten erhoben und für Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zugänglich werden. Nur so könne langfristig die Lebensmittelsicherheit gewährleistet, der internationale Handel gesichert und die natürlichen Ressourcen geschont werden, so die Forscher:innen.


Quelle:
Marques, A. et al (2024): The role of nature's contributions to people in sustaining international trade of agricultural products. In: People and Nature 2024, dx.doi.org/10.1002/pan3.10607

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Titelbild: Reifende Kaffeebohnen: Auch Kaffeepflanzen sind z.B. auf Bestäubung angewiesen. Von diesem NCP (Nature's Contribution to People) sind nicht nur die Kaffeebauern abhängig, sondern auch die Kaffeeindustrie und die Verbraucher. (Bildquelle: © hoclop12 / Pixabay)