Mikrobiom der Pflanzen

Domestikation führt zu ähnlichen Bakteriengemeinschaften an Samen

12.03.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Limabohnen wurden mehrmals unabhängig voneinander domestiziert. Dabei hat sich auch die Mikrobengemeinschaft auf den Bohnensamen drastisch verändert. (Bildquelle: © Stephen Smith / Pixabay)

Limabohnen wurden mehrmals unabhängig voneinander domestiziert. Dabei hat sich auch die Mikrobengemeinschaft auf den Bohnensamen drastisch verändert. (Bildquelle: © Stephen Smith / Pixabay)

Bei der Züchtung von Kultursorten aus Wildpflanzen haben sich viele Eigenschaften der Pflanzen verändert. Eine neue Studie deckt jetzt auf, dass das auch für das Mikrobiom auf den Pflanzensamen gilt. Von den Erkenntnissen könnte auch die Landwirtschaft profitieren.

Pflanzen sind mit Bakterien besiedelt und das zahlt sich für sie oft aus. Egal ob es um die Toleranz gegenüber abiotischen Stressfaktoren wie Trockenheit oder Staunässe geht, oder um die Resistenz gegen Krankheitserreger: Das Mikrobiom kann den Wirtspflanzen zahlreiche positive Eigenschaften verleihen.

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Professor Gail Preston von der Oxford University hat jetzt untersucht, wie sich das Mikrobiom auf den Pflanzensamen im Lauf des Domestikationsprozesses verändert hat. Als Untersuchungsobjekt dienten die Gartenbohne (Phaseolus vulgaris) und die Limabohne (Phaseolus lunatus).

Weil bei Bohnen die Samen der Teil der Pflanze sind, der den Menschen als Nahrung dient, haben sich die Samen im Laufe des Domestikationsprozesses stark verändert. Sie sind größer geworden, schmackhafter und weisen eine bessere Qualität und Kocheigenschaften auf. Gingen diese Veränderungen Hand in Hand mit einer neuen Zusammensetzung des Mikrobioms auf den Samen? Dieser Fragestellung wollten die Forschenden auf den Grund gehen.

Bohnensamen haben sich während der Domestikation stark verändert

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Auch die Gartenbohne verfügt aufgrund ihrer Domestikationsgeschichte über zwei unterschiedliche Genpools: einen aus Mesoamerika und einen aus den Anden. Die Mikroben auf den Kultursorten ähneln sich mehr als die auf den Wildpflanzen. 

Auch die Gartenbohne verfügt aufgrund ihrer Domestikationsgeschichte über zwei unterschiedliche Genpools: einen aus Mesoamerika und einen aus den Anden. Die Mikroben auf den Kultursorten ähneln sich mehr als die auf den Wildpflanzen. 

Bildquelle: © Ilo / Pixabay

Die Auswahl der Versuchsobjekte erfolgte natürlich nicht zufällig. Beide Bohnen-Arten sind mindestens zwei Mal unabhängig voneinander auf dem amerikanischen Kontinent aus wilden Vorläufern domestiziert worden. Daher gibt es für sie auch zwei sehr unterschiedliche Genpools: einmal den aus Mesoamerika und einmal den aus den Anden.

Für ihre Experimente wählten die Forschenden vier Subpopulationen aus:

  • Domestizierte Subpopulation aus den Anden
  • Wilde Subpopulation aus den Anden
  • Domestizierte Subpopulation aus Mesoamerika
  • Wilde Subpopulation aus Mesoamerika

Aus jeder Subpopulation wurden vier Akzessionen ausgewählt, die jeweils sieben Mal ausgesät und unter kontrollierten Bedingungen im Gewächshaus herangezogen wurden. Von den Pflanzen wurden unterschiedliche phänotypische Parameter vermessen, wie Blütezeit, Aussehen oder Mineralstoffgehalt der Samen.

Mikrobiom der Wildpflanzen und Kultursorten unterscheidet sich deutlich

Um Aufschluss über das Mikrobiom der Samen zu erhalten, nutzten die Forschenden das sogenannte Amplicon-Sequencing. Dabei werden zunächst Teile des bakteriellen Erbguts mit Hilfe der Polymerase-Kettenreaktion vervielfältigt und anschließend sequenziert. Sie konzentrierten sich dabei auf die hypervariable Region V4 der 16S rRNA, anhand derer die Bakterienarten bestimmt werden können.

Das Ergebnis: Die mikrobiellen Gemeinschaften auf den Samen der domestizierten Pflanzen unterschieden sich deutlich von denen ihrer wilden Verwandten.

„Diese Erkenntnis ist wichtig, denn wenn wir wissen, dass eine domestizierte Spezies immer mit bestimmten Mikroben assoziiert ist, dann können wir eines Tages vielleicht dieses Mikrobiom künstlich herstellen, damit es positive Effekte auf die Wirtspflanze hat“, erklärt Dr. Riccardo Soldan von der Universität Oxford, der die Experimente durchgeführt hat.  

Zwei unterschiedliche Domestikationsprozesse liefern ähnliche Ergebnisse

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Ein möglicher Grund für eine veränderte und weniger vielfältige Mikrobengemeinschaft bei kultivierten Bohnen: Ein geringerer Calciumgehalt der Samenschale.

Ein möglicher Grund für eine veränderte und weniger vielfältige Mikrobengemeinschaft bei kultivierten Bohnen: Ein geringerer Calciumgehalt der Samenschale.

Bildquelle: © RGY23 / Pixabay

Außerdem zeigten die Analysen, dass Wildpflanzen generell eine höhere mikrobielle Diversität aufweisen, was vermutlich in ihren unterschiedlichen Phänotypen begründet liegt. Die Phänotypen der domestizierten Pflanzen hingegen waren weniger vielfältig und auch auf den Samen der domestizierten Bohnen fanden die Forschenden häufig die gleichen Mikroorganismen.

Eine Hypothese für die Ausbildung unterschiedlicher Mikrobengesellschaften bei Wild- und domestizierten Pflanzen lieferten die Forscher:innen auch noch: Ihnen war aufgefallen, dass bei der kultivierten Gartenbohne der Calciumgehalt der Samenschale gegenüber dem Wildtyp reduziert ist. Ein hoher Calciumgehalt könnte mit dem Phänotyp „schwer zu kochen“ korreliert sein und entsprechend fand bei der Domestikation eine Selektion zu niedrigeren Calciumgehalten statt. Der unterschiedliche Calciumgehalt der Samenschalen kann dann durchaus die Zusammensetzung der Mikrobengemeinschaften verändern. So sind z.B.  Sporenbildung, Zellwandintegrität und antimikrobielle Resistenz auch von der Calciumkonzentration abhängig.

„Unsere Ergebnisse bieten Beweise dafür, dass die Ähnlichkeiten im Mikrobiom der unabhängig voneinander domestizierten Pflanzen zumindest teilweise dadurch erklärt werden können, dass domestizierte Pflanzen sehr ähnliche Eigenschaften aufweisen“, sagt Prof. Gail Preston. „In diesem Fall haben unabhängige Domestikationsprozesse in zwei unterschiedlichen Regionen des amerikanischen Kontinents, die beide größere und bessere Samen hervorgebracht haben, das Mikrobiom der Samen ähnlich beeinflusst.“

Mikroben gezielt für die Landwirtschaft nutzen

Ein besseres Verständnis der Faktoren, die die mikrobielle Gemeinschaft in wilden und domestizierten Pflanzen formen, könnte dabei helfen, Mikroben gezielt für die Landwirtschaft zu nutzen. Es wäre zum Beispiel denkbar, das Mikrobiom von Nutzpflanzen gezielt zu verändern, damit sich ihre Stressresistenz erhöht und sie trotz des Klimawandels weiterhin stabile oder sogar steigende Erträge liefern.

Die Forschenden wollen jetzt untersuchen, ob Wildpflanzen bestimmte Eigenschaften aufweisen, die dazu beitragen, dass sich auf ihnen ein diverseres und gesundheitsförderndes Mikrobiom ausbilden kann. Sollte dem so sein, ließen sich einzelne Eigenschaften vielleicht auch auf Nutzpflanzen übertragen. Damit zukünftig auch unsere Nahrungspflanzen stärker vom positiven Einfluss der Mikroben profitieren können.


Quelle:
Soldan et al., Consistent effects of independent domestication events on the plant microbiota, Current Biology (2024), https://doi.org/10.1016/j.cub.2023.12.056 

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Titelbild: Limabohnen wurden mehrmals unabhängig voneinander domestiziert. Dabei hat sich auch die Mikrobengemeinschaft auf den Bohnensamen drastisch verändert. (Bildquelle: © Stephen Smith / Pixabay)