Synthetische Biologie

Forschungsteam erzeugt Moos mit teilsynthetischem Chromosomenarm

12.03.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Das Kleine Blasenmützenmoos wächst an vielen trockengefallenen Flussufern der Nordhalbkugel. (Bildquelle: © HermannSchachner / Wikimedia; CC0)

Das Kleine Blasenmützenmoos wächst an vielen trockengefallenen Flussufern der Nordhalbkugel. (Bildquelle: © HermannSchachner / Wikimedia; CC0)

Bislang fokussiert sich die Synthetische Biologie auf einzellige Organismen, weil diese genetisch einfacher zu bearbeiten sind. Erfolgreiche Arbeiten an einem mehrzelligen Moos weisen nun den Weg in Richtung höherer Organismen mit künstlichem Genom.

„Ohne Moos nix los“ – das hat sich wohl auch eine Gruppe von Forscher:innen gedacht, die dem Kleinen Blasenmützenmoos Physcomitrium patens einen synthetischen Chromosomenabschnitt eingesetzt haben. Als mehrzelliger Organismus ist diese frühe Landpflanzenart eine besondere Herausforderung für die Synthetische Biologie. Zugleich ist sie ein wichtiger Zwischenschritt, um Erfahrungen aus der Genomik von Einzellern auf höhere mehrzellige Organismen zu übertragen und langfristig auch Pflanzen der Synthetischen Biologie zugänglich zu machen.

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Vier Ökotypen des Kleinen Blasenmützenmoss.

Vier Ökotypen des Kleinen Blasenmützenmoss.

Bildquelle: © Lab of Ralf Resk / Wikimedia; CC-BY-SA-3.0

Bereits 2010 stellte ein Team des kalifornischen Craig-Venter-Instituts ein künstlich hergestelltes Bakterium vor. 2016 präsentierte das Institut eine optimierte Version dieses Mikroorganismus’, bei der das Genom auf die Hälfte seiner ursprünglichen Größe verringert wurde. Im Synthetic Yeast Project versuchen Forscher:innen, eine Bäckerhefe – und damit einen eukaryotischen Einzeller – mit künstlichem Genom herzustellen. Das Projekt SynMoss geht nun einen Schritt weiter und forscht an einem synthetischen Moos-Genom – mit ersten Erfolgen.

Herausforderungen für die synthetische Biologie

Mehrzellige Organismen besitzen deutlich mehr Gene und damit auch größere Genome als Einzeller. Vor allem repetitive DNA, die aus Transposons hervorgegangen ist, ist für diese Ausweitung des Genoms verantwortlich. In der Forschung ist umstritten, ob sich diese DNA anreichert, weil sie nicht hinreichend schädlich ist, um durch natürliche Selektionsmechanismen wieder beseitigt zu werden, oder ob sie wichtige epigenetische Aufgaben erfüllt und die Aktivität benachbarter Gene mitreguliert. Um diese Frage zu beleuchten, versuchten die Forscher:innen aus einem 155 Kilobasen großen Abschnitt des Chromosoms 18 von P. patens die repetitive DNA zu entfernen und diese Region damit um 56 Prozent zu verkürzen.

Ob und wie es gelingen könnte, einen künstlichen Chromosomenabschnitt einzubauen, war zu Beginn der Studie jedoch unklar, denn das Genom mehrzelliger Eukaryoten ist schwierig zu bearbeiten: Die notwendigerweise großen DNA-Fragmente sollten aus Teilfragmenten vom Organismus selbst korrekt zusammengebaut und die transformierten Zellen erfolgreich regeneriert werden. Außerdem weisen Mehrzeller eine komplexe und diverse Epigenetik auf.

Modellorganismus Physcomitrium patens

Zumindest konnte das Team darauf aufbauen, dass P. patens als schnellwachsender Modellorganismus für samenlose Pflanzen vollständig sequenziert ist. 481 Megabasen verteilen sich im Moosgenom auf 26 Chromosomen, rund 60 Prozent des Genoms besteht aus Transposons. Weil P. patens über eine effiziente homologe Rekombination verfügt und sich die Protoplasten gut regenerieren lassen, bietet sich das Moos an, um hier Arbeiten am Genom zu erproben.

Start mit einer 9kb-Genomregion

Zunächst versuchte das Team, eine knapp neun Kilobasen große Genomregion zu ersetzen. Dazu verwendete es drei je drei Kilobasen große DNA-Stücke, die zueinander leicht überlappten und an den beiden äußeren Enden jeweils eine etwa 1000 Basen lange Homologie mit der endogenen Sequenz von P. patens aufwiesen. In drei von zehn anschließend analysierten Linien erwies sich der Ansatz als erfolgreich: Der ursprüngliche Abschnitt war dort durch die korrekt verbundenen drei synthetischen Einzelstücke ersetzt worden. Auch wies das so erzeugte Moos einen dem Wildtyp vergleichbaren Phänotyp auf.

Austausch gegen ein Mega-DNA-Fragment

Der Versuch, diesen Ansatz nun auf die 156 Kilobasen lange Zielregion auszuweiten, scheiterte jedoch. Auch hier hatten die Forschenden die synthetische Ersatzsequenz mit etwa 69 Kilobasen aus drei gleichgroßen Abschnitten in vivo zusammenfügen wollen. Allerdings fanden sich nur Linien, in denen die Originalsequenz durch zwei der drei künstlichen DNA-Fragmente ersetzt worden war. Keine einzige Linie hatte alle drei Fragmente integriert.

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Das Kleine Blasenmützenmoos wird auch in Bioreaktoren als Produktionsorganismus eingesetzt.

Das Kleine Blasenmützenmoos wird auch in Bioreaktoren als Produktionsorganismus eingesetzt.

Bildquelle: © Annette Hohe / Wikimedia; CC-BY-SA-4.0

Setzten die Forscher:innen jedoch die 69 Kilobasen lange Sequenz zunächst in Hefe zusammen und nutzten sie dann in einem Stück, gelang es ihnen in einem Fall, die Zielregion durch den synthetischen Chromosomenabschnitt zu ersetzen. Eine anschließende Sequenzierung bestätigte, dass lediglich zwei Basen, die außerhalb kodierender Regionen lagen, von der geplanten Sequenz abwichen.

Keine phänotypischen Unterschiede zum Wildtyp erkennbar

Sowohl unter normalen Wachstumsbedingungen als auch unter Salz- und osmotischem Stress zeigte die teilsynthetische Linie keine Unterschiede zum Wildtyp, bildete Sporen aus und vererbte die synthetische Sequenz über mehrere Generationen.

Auch auf epigenetischer Ebene zeigten sich nur geringfügige Unterschiede zum Wildtyp – was bemerkenswert ist, da die synthetischen Fragmente ursprünglich im Bakterium Escherichia coli vermehrt worden waren und damit keine epigenetischen Markierungen mitgebracht haben dürften. Dennoch ergab eine RNA-Seq-Analyse, dass mehrere Gene auf dem teilsynthetischen Chromosomenarm eine erhöhte Aktivität aufwiesen. Dass die Zelle die epigenetischen Markierungen eigenständig ergänzt, ist eine wichtige Voraussetzung für spätere Arbeiten an komplexeren Organismen.

Hinsichtlich der räumlichen Organisation des Chromatins fanden sich einige Veränderungen im Bereich der teilsynthetischen Sequenz und in deren Nachbarschaft. Auf die Aktivität hatten diese Umorganisationen jedoch keinen Einfluss.

Gesundes Wachstum auch ohne repetitive DNA-Elemente

Damit konnte die Studie gleich zwei Fragen beantworten: Zum einen ist es möglich, in einem mehrzelligen Organismus wie P. patens große Stücke des Genoms zu ersetzen – idealerweise durch ein einziges „Riesenfragment“. Bei Organismen ohne effiziente homologe Rekombination – also bei den meisten Tieren und Pflanzen – müsste dazu Genomeditierungsmethoden wie CRISPR/Cas eingesetzt werden. Zum anderen legen die Ergebnisse nahe, dass es durchaus möglich ist, repetitive DNA weitreichend aus dem Genom zu entfernen, ohne gravierende phänotypische Abweichungen vom Wildtyp zu verursachen.

Das Team hinter der Studie hat inzwischen bereits einen noch größeren Abschnitt des Chromosoms 18 ersetzt und arbeitet daran, einen ganzen Arm durch eine synthetisch optimierte Variante auszutauschen.


Quelle:
Chen, L.-G., et al. (2024): „A designer synthetic chromosome fragment functions in moss. In: Nature Plants, 10, pages 228–239 (26. Januar 2024). doi: 10.1038/s41477-023-01595-7

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Titelbild: Das Kleine Blasenmützenmoos wächst an vielen trockengefallenen Flussufern der Nordhalbkugel. (Bildquelle: © HermannSchachner / Wikimedia; CC0)