Urban Gardening

Sechsmal höherer CO2-Fußabdruck als konventionelle Landwirtschaft

08.04.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Garten in Chicago City: Urban Gardening liegt im Trend. (Bildquelle: © Theresa McGee / Pixabay)

Garten in Chicago City: Urban Gardening liegt im Trend. (Bildquelle: © Theresa McGee / Pixabay)

Der Gemüse- und Obstanbau in der Stadt gilt für viele als Modell der Zukunft. Allerdings ist die CO2-Bilanz überraschend schlecht, so eine internationale Studie mit deutscher Beteiligung. Aber es gibt Wege, um das zu ändern.

Urbane Landwirtschaft wird für Städte als nachhaltige Möglichkeit der Nahrungsmittelproduktion und als Alternative zur industriell geprägten Landwirtschaft gepriesen. Sie macht die Städte grüner, verbessert das Mikroklima, sorgt für eine bessere Nährstoffversorgung der Bevölkerung und gleichzeitig für mehr soziale Kontakte. Aber ist sie wirklich nachhaltig oder doch schädlich für das Klima? Bisherige Studien haben sich eher mit energieintensiven Anbaumethoden wie Vertical Farming beschäftigt. Doch wie steht es um das Gärtnern hinter dem Haus oder auf Dächern? Um diese Lücke zu schließen, hat jetzt ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des Institutes für Landes- und Stadtentwicklungsforschung in Dortmund eine neue Studie erstellt.

Urbane Gärten in fünf Ländern

Die Forscher:innen berechneten den CO2-Fußabdruck städtischer Anbauflächen, von professionell gemanagten Initiativen über Gemeinschaftsgärten bis hin zu kleinen Einzelgärten, und verglichen ihn mit den Werten aus der konventionellen Landwirtschaft. Die Daten stammen aus Erhebungen bei insgesamt 73 Gärten in Landsberg an der Warthe (Polen), London (Großbritannien), Nantes und Paris (Frankreich), New York City (USA) sowie im Ruhrgebiet. Die Gärtner:innen führten dazu jeweils ein Jahr lang Tagebuch über Erntemengen und den Einsatz verschiedener Ressourcen wie Wasser, Materialeinsatz und Düngemittel.

Konventionell hat die Nase vorn

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Tomaten im Gewächshaus: Im Urban Gardening angebaute Tomaten haben einen geringeren CO2-Fußabdruck als Gewächshaustomaten.

Tomaten im Gewächshaus: Im Urban Gardening angebaute Tomaten haben einen geringeren CO2-Fußabdruck als Gewächshaustomaten.

Bildquelle: © fatosum / Pixabay

Die Forscher:innen fanden heraus, dass der CO2-Fußabdruck der urbanen Landwirtschaft für eine Essensportion im Durchschnitt 0,42 kg CO2-Äquivalente (CO2e) betrug und damit sechs Mal größer war als bei der konventionellen Landwirtschaft (0,07 kgCO2e). Der Grund hierfür liegt in der deutlich effizienteren Nutzung der Ressourcen in der konventionellen Landwirtschaft. Für die Bewirtschaftung kleiner urbaner Flächen musste hingegen vieles neu angeschafft oder errichtet werden, beispielsweise Werkzeug, Hochbeete, Gießkannen oder Materialien für den Wegebau.

Allerdings gibt es einige Ausnahmen, etwa beim Tomatenanbau: Hier liegt der CO2-Fußabdruck der urbanen Landwirtschaft bei 0,17 CO2e pro Portion, beim konventionellen Anbau bei 0,27 CO2e. Das liegt laut Forscher:innen größtenteils daran, dass konventionell angebaute Tomaten meist in Gewächshäusern gezogen werden und oftmals noch sehr weite Transportwege – oft per Flugzeug - haben.

Drei Maßnahmen führen zu einer besseren Bilanz

Auch wenn die urbane Landwirtschaft im Durchschnitt einen höheren CO2-Fußabdruck hatte, traf das nicht auf alle Gärten zu: 17 der 73 untersuchten Gärten waren klimafreundlicher. Das betraf vor allem größere städtische Anbauprojekte sowie einige Einzelgärten. Daraus leiteten die Forscher:innen drei Maßnahmen ab, mit denen die urbane Landwirtschaft grundsätzlich klimafreundlicher gemacht werden kann:

Die Infrastruktur muss länger in Verwendung bleiben. Der Bau von Hochbeeten, die nur fünf Jahre genutzt werden, hat einen viermal stärkeren negativen Klima-Effekt als Hochbeete mit einer Nutzungsdauer von 20 Jahren. Problematisch ist laut Forscher:innen, dass viele Urban-Gardening-Projekte nur für eine kurze Zeitspanne ausgelegt sind. Hier sehen die Forscher:innen die kommunale Politik in der Pflicht, auf bestimmten Flächen langfristige Anbauprojekte zu ermöglichen. 

Städtische Abfälle müssen besser genutzt werden. Das betrifft vor allem das Recycling von Baustoffen, aber auch die fachgerechte Kompostierung von organischem Abfall. Die urbane Landwirtschaft nutzt im Schnitt 12 kg Kompost pro Quadratmeter und Jahr. Damit spart sie 95 Prozent an Mineraldünger im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft (0,06 g Stickstoff im Vergleich zu 0,88 g Stickstoff pro Portion). Die Nutzung von Kompost ersetzt zudem Torf, der in kommerzieller Blumenerde verwendet wird und schützt so Moore als bedeutende Kohlenstoffsenke. Allerdings ist die Herstellung von Kompost noch stark verbesserungswürdig, so die Forscher:innen. Denn eine falsche Kompostiertechnik fördert den Ausstoß von Methan (CH4), einem 28mal wirksameren Treibhausgas als CO2. In der Untersuchung hatte der Methanausstoß bei 22 der 73 untersuchten Gärten den größten Anteil am CO2-Fußabdruck. Eine zentrale Kompostaufbereitung für Kleingärten oder eine Schulung für Kleingärtner könnte den Treibhausgasausstoß um rund 40 Prozent senken, so die Forscher:innen.

Mehr Regenwasser muss zur Bewässerung eingesetzt werden. In mehr als 50 Gärten spielte Regenwasser zwar eine Rolle, aber hauptsächlich kam Trink- oder Brunnenwasser zum Einsatz. Beide haben einen hohen CO2-Fußabdruck durch den Energiebedarf von Pumpen und bei der Wasseraufbereitung. Er beträgt teilweise mehr als 80 Prozent des gesamten CO2-Fußabdrucks. Nur in vier Gärten nutzten die Hobbygärtner ausschließlich Regenwasser.

Urbane Landwirtschaft fördern

Das Fazit der Studie: Die urbane Landwirtschaft sollte trotz ihrer aktuell durchwachsenen Klimabilanz keineswegs abgelehnt werden. Die Forscher:innen empfehlen, ihre vorgeschlagenen Maßnahmen konsequent umzusetzen und mehr Obst und Gemüse anzubauen, das bei konventioneller Produktion grundsätzlich schlechter abschneidet - zum Beispiel die schön erwähnten Tomaten. Auch eine gezielte Fortbildungen der Hobbygärtner:innen hilft, die Klimabilanz dieser Anbauform deutlich zu verbessern.

Aber auch die sozialen und gesundheitlichen Vorteile sollten unabhängig von der Klimabilanz nicht unberücksichtigt bleiben, betonen die Studienautoren. Interviews mit den Teilnehmern zeigten nahezu einheitlich die positiven Auswirkungen des Gärtnerns auf die mentale und physische Gesundheit. Ebenso hilft es beim Aufbau sozialer Kontakte, die vor allem in den größeren Gemeinschaftsprojekten mit im Fokus stehen.