Vor dem nationalen Umweltgipfel

Frankreich: Bald Einschränkungen beim Anbau von gv-Mais?

Für Aufregung sorgte Ende September der französische Umweltminister Jean-Louis Borloo, als er durchblicken ließ, dass er ein Moratorium für die Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzensorten in Frankreich in Erwägung ziehe. Es folgten Proteste von Saatgut- und Landwirtschaftsorganisationen. Landwirtschaftsminister Michel Barnier beschwichtigte, es sei noch nichts entschieden. Ende Oktober, nach Abschluss groß angelegter Konsultationen zur Umweltpolitik, werde Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy verkünden, wie es mit der Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen weitergeht.

Landwirte werden sich voraussichtlich auf strengere Regeln beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen einstellen müssen. Eine GVO-Arbeitsgruppe hat vorgeschlagen, dass Frankreich ein neues Gentechnikgesetz erhält, welches sich am Grundsatz der Wahlfreiheit und am Verursacherprinzip orientieren soll. Ein neues Beratungskomitee soll die Regierung bei der Bewertung von GVOs unterstützen.

blühender Mais

Zuwachs für Bt-Mais in Frankreich. 2007 wurde auf 22.000 Hektar Bt-Mais angebaut, vorwiegend im Südwesten. Allein im Departement Haute- Garonne beträgt die Bt-Maisfläche 6.600 Hektar.

Umweltminister Jean-Louis Borloo sorgt für Aufregung: Er hält die Ausbreitung von gv-Mais für „nicht kontrollierbar“.

Landwirtschaftsminister Michel Barnier beschwichtigt. Noch sei keine Entscheidung über ein Moratorium für gv-Mais gefallen.

„Revolution“ auf dem Umweltgipfel

Anlass für eine erneute Verschärfung der Debatte um den gv-Mais-Anbau in Frankreich ist der breit angelegte Umweltgipfel Grenelle Environnement, bei dem verschiedenste gesellschaftliche Gruppen über die zukünftige Umweltpolitik Frankreichs beraten werden. Nichts weniger als eine „Umweltrevolution“ will der zuständige Minister Jean-Louis Borloo damit auslösen.

In den kommenden Wochen sollen dazu Umweltschützer, Wirtschaftsvertreter und interessierte Bürger in 15 französischen Städten mit Vertretern von Regierung und Behörden über verschiedene Umweltfragen diskutieren. Auch auf einer Internetseite werden die Franzosen ihre Meinung äußern können. Ende Oktober wird die Regierung um Staatspräsident Sarkozy entscheiden, welche der dabei vorgebrachten Vorschläge künftig Gesetz werden sollen. Das Themenspektrum reicht von Klimawandel, Artenschutz und Kernenergie bis zu umweltverträglicher Landwirtschaft und eben auch der Erforschung und Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen. Acht Arbeitsgruppen hatten im Vorfeld einen Katalog von Vorschlägen erstellt, auf deren Basis die Bürger bei den regionalen Umweltgipfeln diskutieren sollen.

Landwirtschaftsvertreter drohten mit Ausstieg

Besonders schwierig gestaltete sich die Konsensfindung offenbar in der Arbeitsgruppe Gentechnisch veränderte Organismen, deren letzte Sitzung Ende September einen turbulenten Verlauf nahm. Kurz zuvor hatte Umweltminister Borloo gegenüber Pressevertretern seine Zweifel an einem umweltverträglichen Anbau von Bt-Mais angemeldet. Es sei bekannt, dass die Ausbreitung von gv-Mais nicht kontrolliert werden könne. Daher werde die Regierung ein Moratorium in Erwägung ziehen. Vertreter des Bauernverbands FNSEA, der Landwirtschaftskammern und der Saatguthersteller drohten daraufhin mit einem Boykott der weiteren Beratungen.

Französische Bauern haben 2007 auf etwa 22.000 Hektar gentechnisch veränderte Maissorten ausgesät. Dabei haben sie wie ihre Kollegen in Deutschland mit einer zunehmenden Zahl von Feldzerstörungen zu kämpfen. Auch französische Wissenschaftler bestätigten gegenüber der Presse die Sicherheit der zugelassenen gv-Sorten. Statt zusätzlichen Gegenwind durch den Umweltminister forderten die Landwirtschaftsvertreter mehr Rückendeckung durch die Regierung.

Neues Gentechnikgesetz bis Frühjahr 2008

Letztlich konnte man doch noch einen Minimalkonsens erzielen. Die daraus abgeleiteten Vorschläge stellte der Vorsitzende der Arbeitsgruppe, Senator Jean-Francois Le Grand, am 27. September vor:

  • Forschung: Die öffentliche Forschung zu ökologischen, gesundheitlichen, agronomischen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekten der Gentechnik soll verstärkt werden. Die nationale Forschungsagentur soll zu diesem Zweck für vorerst zehn Jahre Mittel bereitstellen.
  • Gentechnikgesetz: Bis Frühjahr 2008 soll ein neues Gentechnikgesetz verabschiedet werden. Darin soll die Wahlfreiheit für Landwirte und Verbraucher als Grundprinzip festgeschrieben werden. Bauern sollen die freie Wahl haben zwischen dem Anbau konventioneller, ökologisch produzierter oder gentechnisch veränderter Pflanzen. Verbraucher sollen zwischen Produkten der verschiedenen Anbauformen wählen können. Haftungsfragen beim Anbau von gv-Pflanzen sollen nach dem Verursacherprinzip geklärt werden. Über die genauere Ausgestaltung der Haftungsregelungen gab es jedoch keinen Konsens. Weitere Kernelemente des Gesetzes sollen unter anderem Transparenz und das Vorsorgeprinzip sein. Vermutlich werden auch Koexistenzvorschriften Eingang in das neue Gentechnikgesetz finden. Bisher existieren hierzu keine verbindlichen Regelungen. Die Landwirte richten sich beim Anbau von Bt-Mais nach Empfehlungen der Saatguthersteller. Ein bereits laufendes Gesetzgebungsvorhaben war angesichts der anstehenden Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2007 abgebrochen worden.
  • Neues Beratungsgremium: Eine unabhängige wissenschaftliche Kommission, zusammengesetzt aus Experten verschiedener Fachrichtungen, soll künftig die Regierung bei Entscheidungen zur Gentechnik beraten, vor allem im Rahmen der Zulassung und Überwachung neuer GVOs. Wichtigste Aufgabe wird die Bewertung möglicher Risiken einzelner GVOs für Umwelt und Gesundheit sowie nach sozialen Kriterien sein. Neben Wissenschaftlern sollen auch gesellschaftliche Gruppen wie Verbraucherverbände im neuen Gremium vertreten sein. Das bisher für Fragen der Gentechnik zuständige Expertengremium (génie biomoléculaire) verfüge nicht über eine ausreichend breite Fachkompetenz. Diese müsse unter anderem Ökologie, Toxikologie, Genetik, Molekularbiologie, Epidemiologie, Demographie und Agronomie umfassen.

Auch wenn von einem Anbauverbot für gv-Pflanzen in dem Arbeitsgruppenbericht keine Rede mehr ist, scheint sich eine restriktivere Gentechnikpolitik Frankreichs abzuzeichnen. So hat sich Frankreich bei der Abstimmung im europäischen Agrarministerrat am 26. September zur Importzulassung dreier gv-Maislinien der Stimme enthalten. In der Vergangenheit hatten die französischen Vertreter ähnlichen Zulassungsanträgen häufig zugestimmt.

Große Bedeutung könnte die Position Frankreichs auch bei den anstehenden Beratungen über eine Zulassungsverlängerung der einzigen in der EU angebauten gv-Maislinie MON810 erhalten. Ein Veto Frankreichs könnte die Erfolgschancen einer schnellen Wiedergenehmigung empfindlich dämpfen.