Umweltministerrat in Brüssel

Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen in der EU: Vorerst keine wesentlichen Änderungen

Der Rat der EU-Umweltminister hat die lang erwartete Entschließung zur Grünen Gentechnik verabschiedet. Der Text, an dem bis zuletzt verhandelt wurde, legt Grundsätze und Verfahren fest, nach denen Zulassung, Sicherheitsbewertung und Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in der EU geregelt werden. Noch im Frühsommer hatte Frankreich, das bis Ende des Jahres den Vorsitz des EU-Rates einnimmt, eine umfassende Revision angekündigt. Doch zumindest kurzfristig wird sich nichts Grundsätzliches ändern. Die Minister unterstreichen in ihrer Entschließung, dass die Zulassungen gentechnisch veränderter Pflanzen ohne unangemessene Verzögerungen fortgeführt werden.

Pressekonferenz nach der Tagung des Umweltministerrats in Brüssel: EU-Umweltkommissar Stavros Dimas (links) und Jean-Louis Borloo, französischer Umweltminister und derzeit Vorsitzender des Rates.

Umweltminister Sigmar Gabriel ließ sich diesmal in Brüssel durch seinen Staatssekretär Matthias Machnig vertreten.

Fotos: The Council of the European Union

Der Druck war groß: Frankreich wollte die EU-Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Pflanzen neu ordnen und auch der damalige Landwirtschaftsminister Seehofer hatte sich im Frühjahr dafür ausgesprochen, gv-Pflanzen etwa wie Arzneimittel allein auf wissenschaftlicher Grundlage durch eine Fachbehörde zu genehmigen - ohne anschließende politische Abstimmung unter den Mitgliedstaaten.

Seit Jahren gelingt es den Mitgliedstaaten nicht, beim Vollzug der von ihnen beschlossenen Gentechnik-Gesetze eine gemeinsame Linie zu finden. Entscheidungen scheitern regelmäßig an der nach den EU-Verträgen erforderlichen qualifizierten Mehrheit, da sich die in Fragen der Gentechnik tief zerstrittenen Mitgliedstaaten gegenseitig blockieren.

Doch trotz aller politischen Absichtserklärungen wird sich an dieser Situation kaum etwas ändern. Da jedes Land einen Ratsbeschluss mit seinem Veto verhindern kann, spiegelt die am Ende angenommene Entschließung der Umweltminister den kleinsten gemeinsamen Nenner von 27 Mitgliedstaaten, die in Sachen Gentechnik höchst unterschiedlich agieren.

Ohnehin war der rechtliche Spielraum für substanzielle Änderungen der derzeitigen Zulassungsverfahren gering. Ihre Revision wäre nur mit einem langwierigen Gesetzesänderungsverfahren möglich, dessen Ausgang ungewiss ist. So zielt die Entschließung der Umweltminister vor allem auf die Arbeitsweise der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die Leitlinien, nach denen sie die wissenschaftliche Sicherheitsbewertung durchführt. Ein generelles Verbot von gv-Pflanzen oder ein neues Zulassungsmoratorium war selbst für die gentechnik-kritischen Länder wie Österreich oder Griechenland keine politische Option. Denn damit würde die EU gegen die WTO-Verträge verstoßen und ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren riskieren.

Leitlinien zur Sicherheitsbewertung: Generalrevision bis 2010

Den bestehenden Rechtsrahmen, der für ein „hohes Schutzniveau gegenüber möglichen Risiken von gv-Pflanzen sorgt“, wollen die Umweltminister denn auch nicht antasten. In ihrer Entschließung begrüßen sie den Auftrag der EU-Kommission an die EFSA, die Leitlinien zur Bewertung der Umweltsicherheit von gv-Pflanzen zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Dieser Prozess, an dem sich die Mitgliedstaaten aktiv beteiligen sollen, soll beschleunigt und möglichst noch vor 2010 abgeschlossen werden.

Die Leitlinien sollen zukünftig konkrete Vorgaben enthalten, wie mögliche Langzeiteffekte von gv-Pflanzen auf die Umwelt besser abgeschätzt werden können, etwa die Auswirkungen von Bt-Pflanzen auf Nicht-Zielorganismen. Stärker zu berücksichtigen sind auch die jeweiligen regionalen Umweltbedingungen in den Anbauregionen einer neuen gv-Pflanze.

Bei bestimmten Fällen, so die Entschließung des Rates, sollte sich die Sicherheitsbewertung nicht nur auf die unmittelbaren Eigenschaften einer gv-Pflanze konzentrieren, sondern auch Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Praxis und deren Umweltfolgen mit einbeziehen, bei herbizidresistenten gv-Pflanzen etwa mögliche Veränderungen im Gebrauch von Herbiziden und bei der Unkrautkontrolle. Gv-Pflanzen, die Bt-Protein bilden und sich damit gegen Schädlinge schützen, sollen auf dem Niveau vergleichbarer Pflanzenschutzmittel zugelassen werden.

Die Umweltminister unterstützen die EU-Kommission in ihrem Vorhaben, die erweiterten Leitlinien dadurch aufzuwerten, dass die Mitgliedstaaten formell darüber abstimmen sollen.

Anders als von Frankreich gefordert, werden vorerst keine sozio-ökonomischen Kriterien bei der Zulassung von gv-Pflanzen herangezogen. Die Umweltminister fordern die Mitgliedstaaten auf, bis Januar 2010 relevante Informationen über positive wie negative sozio-ökonomische Veränderungen zu sammeln, die durch die Markteinführung von gv-Pflanzen hervorgerufen werden. Bisher ist es strittig, was unter solchen Kriterien zu verstehen ist und vor allem wie sie objektiv und auf wissenschaftlicher Basis zu messen sind.

Schwellenwerte im Saatgut: So niedrig wie möglich

Immer wieder haben Kommission und Mitgliedstaaten die Entscheidung darüber hinausgezögert, wie hoch der Anteil zufälliger, technisch unvermeidbarer GVO-Beimischungen im Saatgut sein soll. 2003 hatte die Kommission 0,3 Prozent für Raps und 0,5 Prozent für Mais vorgeschlagen, war damit aber an der Uneinigkeit der Mitgliedstaaten gescheitert.

Auch die Entschließung der Umweltminister nennt keine Zahlen. Sie unterstreicht erneut, dass Schwellenwerte für Saatgut notwendig seien. Diese sollten auf dem niedrigsten Niveau festgesetzt werden, das für alle „Beteiligten der Warenkette praktikabel“ ist und die Wahlfreiheit dauerhaft sichert.

Regionale Anbauverbote: Nur auf wissenschaftlicher Grundlage

Allgemeine regionale Verbote zum Anbau zugelassener gv-Pflanzen sind in der Entschließung der Umweltminister nicht vorgesehen. Wie bisher sind Gentechnik-freie Zonen nur auf Basis freiwilliger Vereinbarung möglich.

Schon jetzt ist es für die Mitgliedstaaten grundsätzlich möglich, spezifische Maßnahmen zu ergreifen, um Naturschutzgebiete oder empfindliche Ökosysteme vor möglichen Beeinträchtigungen zu schützen, die von bestimmten gv-Pflanzen ausgehen könnten. In Übereinstimmung mit EU-Recht und im Hinblick auf das Vorsorgeprinzip können fallspezifische Anbauauflagen bis hin zu Anbaueinschränkungen ausgesprochen werden. Die Umweltminister unterstreichen jedoch noch einmal, dass solche Maßnahmen sich aus wissenschaftlich fundierten Umweltverträglichkeitsprüfungen ableiten müssen.