Umstrittene Gutachten, zerstrittene Mitgliedstaaten

Französische Regierung hält am Anbauverbot für gentechnisch veränderten Mais MON810 fest

Vertreter der EU-Mitgliedstaaten konnten sich am Montag nicht über die Zukunft der Anbauverbote Frankreichs und Griechenlands für den gentechnisch veränderten Mais MON810 verständigen. Die französische Regierung hält unterdessen an ihrem Anbauverbot fest, trotz eines Berichts ihrer nationalen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Afssa), die MON810 als unbedenklich für Mensch und Tier bewertet.

Maiskolben

Bt-Mais MON810: Das Anbauverbot in Frankreich ist wissenschaftlich nicht begründet, sagt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).

Die Mitglieder des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit mussten am Montag über eine Entscheidungsvorlage der EU-Kommission abstimmen. Die Kommission hatte darin vorgeschlagen, die Anbauverbote Frankreichs und Griechenland für den gentechnisch veränderten (gv-)Mais MON810, die einzige in Europa kommerziell genutzte gv-Kulturpflanze, aufzuheben. In dem Ausschuss sind alle EU-Mitgliedstaaten vertreten. Bei der Abstimmung sprachen sich die Vertreter von neun Ländern für eine Aufhebung der Anbauverbote aus, die Vertreter von 16 Ländern stimmten dagegen oder enthielten sich der Stimme. Deutschland und Malta nahmen gar nicht teil. Damit ergab sich keine qualifizierte Mehrheit für oder gegen den Antrag der Kommission, der nunmehr an den Ministerrat zur Abstimmung weitergeleitet wird.

Neue Stellungnahme – unter Verschluss gehalten oder gezielt lanciert?

Wenige Tage vor der Sitzung des Expertenausschusses in Brüssel hatte die Zeitung Le Figaro über ein noch unveröffentlichtes Gutachten der französischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Afssa) berichtet. Die Afssa kommt in diesem Gutachten zu dem Schluss, dass MON810-Mais keine gesundheitlichen Risiken birgt. Die Figaro-Redaktion hatte spekuliert, das schon seit Oktober fertig gestellte Gutachten der Lebensmittelbehörde hätte bis zur Sitzung des EU-Ausschusses unter Verschluss bleiben sollen, um die französische Position nicht zu untergraben.

Der Zeitungsartikel löste in Frankreich zahlreiche Reaktionen bei Befürwortern und Gegnern des Anbauverbots aus. Die Regierung wies in einer Pressemitteilung darauf hin, dass bei den Gründen für das Verbot nicht gesundheitliche, sondern Umweltrisiken ausschlaggebend gewesen seien. Das Gutachten hätte demnach für das laufende Verfahren wenig Relevanz. Premierminister Francois Fillon, Umweltminister Jean-Louis Borloo und Umweltstaatssekretärin Chantal Jouanno äußerten sich ähnlich gegenüber der Presse. Umweltorganisationen halten das Durchsickern des Afssa-Gutachtens kurz vor der Abstimmung in Brüssel für eine grobe Manipulation von Pro-Gentechnik-Lobbyisten. Verbände der Saatguthersteller, Ölsaatenverarbeiter, Maisproduzenten und der Pflanzenschutzindustrie wiederum zeigten sich enttäuscht darüber, dass die Regierung am Anbauverbot festhält und plädierten für eine „Rückkehr zur Vernunft“. Ihr Sprecher Philippe Gracien erklärte, es gebe keinen wissenschaftlich fundierten Grund, die in der EU zugelassenen gv-Pflanzen zu verbieten.

Gesundheits- und Umweltrisiken unter der Lupe

Während die französische Regierung darauf hinweist, dass für das Anbauverbot ökologischen Argumente entscheidend gewesen seien, waren gesundheitliche Argumente durchaus ein Bestandteil der bei der EU eingereichten Begründung für das Moratorium. Sie hatten auch die Gesundheitsdirektion der französischen Regierung dazu veranlasst, die Lebensmittelbehörde Afssa mit dem fraglichen Gutachten zu beauftragen. Die Experten der Afssa sollten nämlich neue Gesundheitsbedenken bewerten, die Professor Yvon Le Maho in einem Gutachten zu MON810 aufgeworfen hatte. Frankreich hatte die Ausführungen Le Mahos im Juni 2008 an EFSA und EU-Kommission übermittelt, als Teil der wissenschaftlichen Begründung des MON810-Verbots. In seinem Papier hatte Le Maho unter anderem angemahnt, dass nicht ausreichend untersucht sei, inwieweit das Bt-Protein vor allem langfristig toxisch wirken könnte und ob es eventuell Krebs oder Prionen-Erkrankungen wie BSE auslösen könnte. Diese Spekulationen haben die Afssa-Experten in ihrem Gutachten wie bereits in einer früheren Stellungnahme zurückgewiesen. Ebenso hatte die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA bereits im Oktober 2008 die gesundheitlichen Bedenken wie auch den Vorwurf möglicher Umweltrisiken von MON810-Mais für nicht stichhaltig befunden. Das GVO-Gremium der EFSA hatte erklärt, Frankreich habe keine neuen wissenschaftlichen Daten vorgelegt, die das Anbauverbot rechtfertigen könnten.

Wettstreit der Gutachten

Der Afssa-Bericht ist somit nur der letzte einer Kette von Stellungnahmen, Gutachten und Gegengutachten für und wider das Anbauverbot, die im Laufe der letzten Monate in Frankreich verfasst wurden. So war das Le-Maho-Papier, auf dessen Ausführungen sich die Afssa bezieht, seinerseits die Antwort auf die Stellungnahme des Saatgutherstellers Monsanto zum Bericht des Vorläufigen „Hohen Rates für GVO“, auf dessen Basis die französische Regierung das Anbauverbot gegen den Mais des Unternehmens verhängt hatte. Das Gutachten von Professor Le-Maho war in französischen Pressemeldungen kritisiert worden. Neben Zweifeln an der wissenschaftlichen Qualität spielte dabei auch die Tatsache eine Rolle, dass außer dem Autor keine weiteren Experten in die Erstellung des Gutachtens eingebunden waren.

Der französische Maisproduzentenverband AGPM hatte zudem, zusammen mit Monsanto und weiteren Saatgutherstellern gerichtlich versucht, das Anbauverbot für ungültig erklären zu lassen. Sie waren damit jedoch bereits im März 2008 vor dem obersten französischen Verwaltungsgericht gescheitert.

Ein Ende des Schlagabtausches über den Anbau von gv-Pflanzen innerhalb Frankreichs wie auch in der EU ist damit noch lange nicht abzusehen. Auf europäischer Ebene wird als nächstes der Ministerrat über die Anbauverbote Frankreichs und Griechenlands abstimmen. Sollten auch die Minister zu keiner Einigung kommen, wird letztlich die EU-Kommission entscheiden können. Zudem werden sich die europäischen Gremien in den kommenden Wochen mit weiteren Moratorien von Österreich und Ungarn beschäftigen müssen.