Molecular Farming

Pflanzen als Produktionsplattform: EFSA legt Richtlinien für die Sicherheitsbewertung vor

Seit Jahren arbeitet die Forschung weltweit intensiv daran, Nutzpflanzen gentechnisch so zu verändern, dass sie medizinische Wirkstoffe, Impfstoffe oder Feinchemikalien preiswert produzieren. Molecular Farming heißt dieser neue Anwendungsbereich. Noch wurde in der Europäischen Union kein Zulassungsantrag für solche Produktionspflanzen gestellt. Um vorbereitet zu sein, hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) jetzt erstmals die Anforderungen an die Sicherheitsbewertung von Molecular Farming-Pflanzen genauer beschrieben.

Transgene Pflanzen können zur Produktion von medizinischen Wirkstoffen genutzt werden, z.B. kann Insulin in der Färberdistel produziert werden.

Viele Forschergruppen versuchen Tabak als Produktionspflanze zu nutzen. Der Vorteil: Tabak wird nicht zur Lebens- oder Futtermittelproduktion genutzt.

Die Entwicklung von gentechnisch veränderten Pflanzen für Anwendungsbereiche außerhalb der Lebens- und Futtermittelproduktion hat sich in den letzten zehn Jahren deutlich beschleunigt. Bei etwa zwei Prozent aller Feldversuche weltweit wurden bereits gentechnisch veränderte Pflanzen zur Herstellung von Arzneimitteln, Impfstoffen oder anderen Substanzen für den industriellen Bedarf getestet. In den USA und Kanada sind bisher mehr als 300 solcher Freisetzungen registriert, in Europa 30. Als bevorzugte Produktionspflanzen dienen Mais, Kartoffeln, Raps, Sojabohnen und Reis. In letzter Zeit werden aber auch verstärkt Pflanzen eingesetzt, die normalerweise nicht zur Lebensmittelherstellung dienen. Hierzu gehören, Tabak, Färberdistel oder Ackerschmalwand.

Die Spannbreite der Produkte, die in diesen Pflanzen hergestellt werden sollen, ist breit. Sie reicht von Nahrungsergänzungsmitteln, z.B. Entzündungshemmern oder Immunstimulantien, über Chemikalien für Forschung und Diagnostik, z.B. Enzymen wie Lysozym und Trypsin, bis zu Arzneimitteln und Impfstoffen z.B. gegen Krebs, Tollwut, Diabetes und Durchfallerkrankungen. Mit Ausnahme eines Impfstoffes für Hühner sind bisher nur Produkte zugelassen, die ausschließlich als Chemikalien im Labor- und Diagnostikbereich eingesetzt werden. Rund 20 in Pflanzen produzierte Pharmawirkstoffe befinden sich zur Zeit weltweit in der klinischen Testphase.

Bisher orientieren sich Forscher und Unternehmen, die in der EU gentechnisch veränderte Pflanzen testen oder freisetzen wollen, an der EFSA-Leitlinie zur „Risikobewertung gentechnisch veränderter Pflanzen“. Dieses Dokument wurde jedoch ausschließlich mit Blick auf Pflanzen zur Verwendung als Lebens- oder Futtermittel erarbeitet. Daher sah sich das für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) zuständige Expertengremium der EFSA gefordert, auch für den Bereich der medizinischen und industriellen Anwendung der grünen Gentechnik einen ersten Leitfaden zur Sicherheitsbewertung aufzustellen.

Sicherheitsbewertung für Molecular Farming-Pflanzen: Jeder Fall ist anders

Das Ergebnis liegt nun vor: Nach Auffassung des GVO-Expertengremiums ist das grundlegende Prinzip, die Eigenschaften einer gentechnisch veränderten Pflanze im Vergleich zu ihrer unveränderten Ausgangslinie zu beurteilen, auch für die Sicherheitsbewertung beim Molecular Farming geeignet.

Die dabei gefundenen neuen Eigenschaften einer gv-Pflanze werden dann einer gesonderten Überprüfung unterzogen. Im Mittelpunkt wird in der Regel die Bewertung der Toxizität und Allergenität der neuen Inhaltsstoffe stehen. Insbesondere die Risiken durch zufällige Aufnahme dieser Stoffe durch Menschen und Tiere müssen detailliert bewertet werden. Die EFSA fordert daher im Fall von Pharmapflanzen, dass die Hersteller der Pflanzen der Behörde eine ausführliche Beschreibung des Wirkstoffes und seiner Eigenschaften zugänglich machen - so wie dies auch bei einer Arzneimittelzulassung der Fall ist. Ferner wird untersucht, wie wahrscheinlich und wie hoch eine Exposition der Umwelt mit den neuen Inhaltsstoffen sein kann, z.B. durch unbeabsichtigte Vermischung mit Lebensmittelprodukten oder Pollenflug.

Identifiziert die Behörde neue Risiken durch eine gv-Pflanze, werden besondere Auflagen wie Kontrollen, Vorsorgeprogramme und biologische oder physikalische Methoden zur Verhinderung ihrer Verbreitung empfohlen. Eine Ausbreitung kann z.B. durch Anbau in einem Gewächshaus oder Verwendung von männlich sterilen Pflanzen zur Vermeidung von Pollenflug verhindert oder zumindest minimiert werden. Solche Confinement-Methoden müssen auch daraufhin überprüft werden, ob sie auch unter verschiedenen Umweltbedingungen (z.B. Temperaturschwankungen) wirksam und damit zuverlässig sind. Die Antragsteller haben im Bedarfsfall auch anzugeben, mit welchen Maßnahmen sie Wildtiere von den Pflanzen fernhalten oder das Auswaschen von Substanzen über den Boden verhindern wollen. Die EFSA rät den Antragstellern außerdem, die gewünschte Anbaugenehmigung auf ein bestimmtes geographisches Gebiet zu begrenzen.

Mehr bei bioSicherheit