Neue Bundesregierung

Forschung ja, aber in Grenzen

Rot-Grün will die Förderung von Schlüsseltechnologien wie der Biotechnologie weiter vorantreiben. Das besagt der am 16. Oktober von SPD und Bündnis 90/Die Grünen unterzeichnete Koalitionsvertrag. In der Gentechnik sollen vor allem Sicherheitsfragen und die Folgewirkungen intensiv untersucht und "Grenzen gesetzt" werden. Die Zuständigkeit für das Gentechnik-Gesetz wird vom Bundesgesundheitsministerium an Verbraucherministerin Renate Künast gehen.

Forschung

Wissenschaft ist für die Fortschritte der Zivilisation ebenso mitverantwortlich wie für die Risiken und Bedrohungen, die aus wissenschaftlich begründeten Eingriffen in gesellschaftliche und ökologische Prozesse folgen. Mit diesem Satz eröffnet die Koalition in ihrem selbst auferlegten Pflichtenheft für die nächsten vier Jahre das Kapitel Forschung, Innovation, Nachhaltigkeit. Rot-Grün beweist damit ein differenziertes Verhältnis zur Forschung: Die Wissenschaft steht einerseits für Fortschritt, ihre Risiken werden aber mahnend hochgehalten.

Gleichwohl verpflichtet sich die Koalition, weitere Anstrengungen zu unternehmen, um weltweite Spitzenleistungen in der Forschung zu ermöglichen. Das messbare Ziel ist, den Anteil der öffentlichen und privaten Investitionen in Forschung und Entwicklung bis zum Jahr 2010 auf drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu steigern. Im Jahr 2000 lag dieser Anteil laut Angaben des Forschungsministeriums bei knapp 2,5 Prozent. Dabei sollte nicht übersehen werden, dass mehr als zwei Drittel der gesamten Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen in Deutschland von der Wirtschaft finanziert werden. Einen höheren Anteil der Forschungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt kann sich die Bundesregierung also nur teilweise selbst zuschreiben.

Grüne Gentechnik

In der Grünen Gentechnik hat der kleine Koalitionspartner seine Vorstellungen durchgesetzt: Ein gentechnikfreier konventioneller beziehungsweise ökologischer Landbau müssen auch in Zukunft abgesichert sein, heißt es in dem 90 Seiten starken Koalitionsvertrag. Von einem Anbauprogramm für gentechnisch veränderte Pflanzen, das vom Bundeswirtschaftsministerium angestrebt wurde, ist keine Rede. Ebenso wurde die Forderung des Wirtschaftsministeriums aufgegeben, die Europäische Kommission bei der Aufhebung des Zulassungsstopps zu unterstützen.

Auf EU-Ebene will sich die neue alte Bundesregierung für „möglichst geringe Schwellenwerte“ für die Kennzeichnung von Saatgut und aller Bestandteile eines Futter- oder Lebensmittels sowie eine Prozesskennzeichnung einsetzen. Eine Festlegung auf einen konkreten Grenzwert vermeidet die Koalition weiterhin. Das Haftungsrecht soll gemäß dem Verursacherprinzip verbessert werden. Schließlich will die Regierung das Gentechnik-Gesetz, für das jetzt Verbraucherministerin Künast federführend ist, unter Verbrauchergesichtspunkten novellieren. Mit der Novelle soll die ausstehende Umsetzung der neuen EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18 nachgeholt werden. Angestrebt wird ein effizientes Monitoring, für das die wissenschaftlichen Grundlagen erarbeitet und ein Anbaukataster angelegt werden sollen.

Veränderte Zuständigkeiten

Der genaue Zuschnitt der erweiterten Zuständigkeit von Verbraucherministerin Künast ist noch nicht absehbar. Klarheit wird ein Organisationserlass des Bundeskanzlers schaffen, der in den nächsten Tagen vorliegen soll.

Zurzeit ist die Zuständigkeit für die Grüne Gentechnik verteilt auf die Ministerien für Verbraucherschutz, Gesundheit, Umwelt, Wirtschaft und Justiz. Absehbar ist, dass das Bundesgesundheitsministerium ein Referat oder mehrere an das Verbraucherressort abgegeben werden muss. Da Künast künftig für das Gentechnik-Gesetz zuständig sein soll, erhält sie dadurch Einfluss auf das Robert-Koch-Institut (RKI) als zuständige Zulassungsbehörde.

Inwieweit die Fachaufsicht über das RKI formell neu geregelt wird, bleibt abzuwarten. Hier wird auch das Zusammenspiel mit dem neuen Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebenssicherheit (BVL) eine Rolle spielen. „Jetzt wird erst einmal kräftig verhandelt“, so eine Sprecherin des Verbraucherministeriums.