Zweites Gentechnik-Gesetz:

Alles noch mal von vorn?

(18.03.) Gegen die Stimmen der Opposition hat der Bundestag heute das Zweite Änderungsgesetz zum Gentechnik-Gesetz verabschiedet. Zwei Tage vorher hatte der Verbraucherausschuss des Bundestages noch überraschend Änderungen am ursprünglichen Gesetzentwurf eingefügt. Demnach soll das Standortregister für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen nur noch eingeschränkt öffentlich zugänglich sein. Praktisch zeitgleich zur Bundestags- Abstimmung wies der Bundesrat darauf hin, dass er den ersten Teil der Gesetzesnovelle, der bereits im Februar in Kraft getreten war, nach wie vor ablehnt. Die Bundesländer werden ihre Zustimmung zum zweiten Teil des Gesetzes wahrscheinlich von grundlegenden Korrekturen am ersten Teil abhängig machen.

Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU): „Baden-Württemberg ist unverändert der Auffassung, dass das neue Gentechnik-Gesetz - vor allem aufgrund der Haftungsregelungen - im Ergebnis innovationsfeindlich und wachstumsschädlich ist und die von der EU geforderte Koexistenz nicht gewährleisten kann.“

Bundeskanzler Gerhard Schröder in der Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag am 17.03.2005:
„Wie geht es mit der Grünen Gentechnik weiter? Wir werden ein Gentechnik-II -Gesetz bekommen, das zusammen mit dem ersten Gesetz einen vernünftigen Rechtsrahmen für Investitionen in diesem Bereich darstellt.

Ich weiß, meine Damen und Herren, dass in diesem Gesetz bezogen auf die Haftungsfragen nicht alles so ist, wie sich das die Wirtschaft, die investieren soll und will, vorgestellt hat. (…)

Ich glaube, dass mit beiden Gesetzesvorhaben ein fairer Ausgleich und Planungsregelungen geschaffen worden sind, die Investitionen ermöglichen. Ich weiß, dass ein großes deutsches Unternehmen demnächst Ausbringungen machen wird. Ich bin im Übrigen bereit - wir haben das schon im Bundesrat angekündigt - den gesetzlichen Rahmen zu setzen und die Aktionen auf der Basis dieses gesetzlichen Rahmens auch wirklich zu gestalten und nach zwei Jahren zu überprüfen. (…)“

Seit Februar kann auf den Internetseiten des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) das Standortregister mit flurstücksgenauen Angaben zu allen GVO-Anbauflächen abgerufen werden. Der Bundestag hat nun beschlossen, diese Regelung zum Teil wieder zurückzunehmen. Im öffentlichen Teil des Registers sollen nur noch die Gemeinde und die Gemarkung angegeben werden, in denen die Anbauflächen liegen.

Nur Landwirte und Imker, die als unmittelbare Nachbarn ein „berechtigtes Interesse“ haben, können die Herausgabe weiterer Informationen bei den zuständigen Landesbehörden beantragen.

Mit dieser Änderung kommt die rot-grüne Koalition in Berlin vor allem einigen SPD-regierten Bundesländern entgegen, die ebenso wie Oppositionspolitiker und die CDU-regierten Länder das öffentliche Register kritisiert hatten. Sie befürchten, dass Gentechnik-Kritiker die Information nutzen könnten, um Anbauflächen zu zerstören oder GVO-Landwirte einzuschüchtern.

Bundesrat weiter auf Ablehnungskurs

Ob dieses Zugeständnis die Bundesländer dazu bewegen kann, dem zweiten Teil des Gentechnik-Gesetzes zuzustimmen, ohne weitere Änderungen am ersten Teil durchzusetzen, ist mehr als fraglich.

In einer ebenfalls am Freitag verabschiedeten Entschließung bekräftigt der Bundesrat noch mal ausdrücklich seine ablehnende Haltung zum ersten Teil des Gentechnikgesetzes, das „vor allem aufgrund der Haftungsregelungen innovationsfeindlich und wachstumsschädlich“ sei und „die von der EU geforderte Koexistenz nicht gewährleisten“ könne.

Weiterhin erinnern die Bundesländer die Bundesregierung an die „Sechs-Punkte- Erklärung“, die Verbraucherschutzministerin Renate Künast im Oktober letzten Jahres im Bundesrat zu Protokoll gegeben hatte. Darin hatte sie angekündigt, einzelne strittige Punkte nochmals zu überprüfen. Mit dieser Erklärung hatte sie die Zustimmung der SPD-regierten Länder Mecklenburg- Vorpommern und Rheinland-Pfalz gesichert.

Der Bundesrat möchte nun wissen, welche Maßnahmen die Bundesregierung daraufhin ergriffen hat und fordert sie auf, bis zum 1. Mai über die Ergebnisse zu berichten.

Der Trick mit den zwei Gentechnik-Gesetzen

Nachdem bereits das erste Änderungspaket zum Gentechnik-Gesetz Anfang Februar in Kraft getreten ist, muss die Bundesregierung nun das Gentechnikgesetz noch ein zweites Mal überarbeiten. Erst dann ist die seit Oktober 2002 fällige Umsetzung mehrerer EU-Richtlinien in nationales Recht abgeschlossen. Wegen dieser Terminüberschreitung hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Deutschland drohen nun drastische Geldstrafen. Sie sind um so höher, je länger es bis zur vollständigen Umsetzung der EU-Richtlinien dauert.

Doch dazu muss die Mehrheit im Bundesrat dem zweiten Gentechnik-Gesetz zustimmen. Diese Situation nutzt sie als Druckmittel, um das erste Gesetzes-Paket noch einmal aufzuschnüren.

Die rot-grüne Regierungskoalition hatte im Sommer 2004 das ursprüngliche Änderungsgesetz in zwei Teile aufgeteilt. Der erste Teil mit den besonders strittigen Regelungen zur Haftung und Koexistenz konnte ohne die Zustimmung des Bundesrates beschlossen werden und ist seit Februar in Kraft. Der zweite Teil enthält die übrig gebliebenen Vorschriften, welche in die Kompetenz der Bundesländer fallen und daher nur mit Zustimmung des Bundesrates angenommen werden können.

Gentechnische Produktionsanlagen: Anzeigen statt anmelden. Zum zweiten Teil gehören vor allem Verfahrensfragen für Arbeiten in gentechnischen Anlagen. Da die Änderungen weitgehend von der EU vorgegeben sind, gibt es bei ihrer Ausgestaltung nur wenig eigenen Gestaltungsspielraum.

Der Gesetzentwurf führt für gentechnische Arbeiten der niedrigsten Sicherheitsstufe das vereinfachte Anzeigeverfahren ein. Forschungs- und Produktionsanlagen mit gentechnisch veränderten Organismen, die bekanntermaßen sicher sind, könnten dann ohne Zeitverzögerungen begonnen werden, nachdem der Betreiber die Anlage bei den zuständigen Behörden „angezeigt“ hat. Bisher müssen solche Anlagen „angemeldet“ werden, was mit einem höheren Zeitaufwand verbunden ist. Bei den weiteren Bestimmungen unterscheidet sich das Anzeigeverfahren allerdings nicht vom Anmeldeverfahren. Beispielsweise müssen den Behörden in beiden Fällen die gleichen Unterlagen vorgelegt werden.

Zwar sehen die Oppositionsparteien auch beim zweiten Teil des Gesetzes an verschiedenen Stellen Änderungsbedarf. Doch ist der Gesetzentwurf weitaus weniger umstritten als der erste Teil, der nun möglicherweise neu verhandelt werden muss.

Neue Runde im Vermittlungsausschuss? Nach der Verabschiedung durch den Bundestag wird der Gesetzentwurf an den Bundesrat weitergereicht. Sollten die Länder ihn ablehnen, wird sich der Vermittlungsausschuss ein weiteres mal mit dem Gentechnik-Gesetz beschäftigen müssen.