Bundesregierung will Strafzahlungen umgehen

Kabinett: Erste Änderungen am Gentechnikgesetz

Am 18. Januar 2006 hat sich die Bundesregierung auf einen Entwurf zur Änderung des Gentechnikgesetzes geeinigt. Dabei will sie allerdings zunächst nur solche Änderungen vornehmen, die notwendig sind, um Vorgaben der Europäischen Union umzusetzen. Eine umfassendere Gesetzesnovelle, welche die neue Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt hatte, wird damit zunächst aufgeschoben. Die von der früheren rot-grünen Bundesregierung durchgesetzten Auflagen und Haftungsregeln beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen bleiben damit noch mindestens in dieser Anbausaison gültig.

Ursprünglich hatte die neue schwarz-rote Regierungskoalition in Aussicht gestellt, nicht nur die zur vollständigen Umsetzung der europäischen Freisetzungsrichtlinie (2001/18) erforderlichen Änderungen am Gentechnikgesetz umzusetzen. Sie wolle die gesetzlichen Regelungen zur Grünen Gentechnik insgesamt so novellieren, „dass sie Forschung und Anwendung in Deutschland befördern“. Zudem war beabsichtigt, einige der restriktiven Regelungen, welche die Vorgängerregierung unter Federführung der damaligen Verbraucherschutzministerin Renate Künast erst Ende 2004 durchgesetzt hatte, zurückzuschrauben. Besonders bei der angekündigten Änderung des Haftungsrechts konnten die Koalitionspartner sich jedoch offenbar nicht kurzfristig einigen.

Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: „Bei der Änderung des Gentechnik-Gesetzes hat der Schutz von Mensch und Umwelt oberste Priorität.“

Unter Federführung von Landwirtschaftsminister Seehofer hat die Bundesregierung daher zunächst eine Reihe von Verfahrensvorschriften geändert und angepasst, so dass sie der seit Oktober 2002 geltenden EU-Freisetzungsrichtlinie entsprechen. Damit will die Bundesregierung in letzter Minute die von der EU-Kommission angedrohten Strafzahlungen vermeiden.

Bereits im Juli 2004 hatte der Europäische Gerichtshof eine Vertragsverletzung Deutschlands wegen der überfälligen Umsetzung der Freisetzungsrichtlinie festgestellt. Die EU-Kommission hatte im Dezember 2005 eine letzte Frist bis zum 19. Februar gesetzt. Ab dann könnten tägliche Strafzahlungen von bis zu 800.000 Euro fällig werden.

Erste Änderungsrunde: EU-Vorgaben umsetzen, Strafe vermeiden

Auf Basis der EU-Freisetzungsrichtlinie sollen vor allem neue Regelungen zu Form- und Verfahrensvorschriften eingeführt werden.

  • Schwellenwert für nicht EU-genehmigte gentechnisch veränderte Pflanzen: Die Bundesregierung kann per Rechtsverordnung für zufällige oder technisch unvermeidbare Bestandteile noch nicht in der EU genehmigter GVOs einen niedrigeren Schwellenwert festlegen als die ansonsten EU-weit geltende Toleranzschwelle von 0,5 Prozent. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass die EU-Behörden diese GVOs bereits als sicher bewertet haben. Die Bundesregierung kann weiterhin festlegen, welche Maßnahmen Unternehmen nachweisen müssen, um solche Beimischungen möglichst zu vermeiden.
  • Informationen für die Öffentlichkeit: Das neue Gesetz soll festlegen, wann die Öffentlichkeit über untersagte Freilandversuche oder Vermarktungsverbote sowie den Verdacht schädlicher Auswirkungen gentechnisch veränderter Pflanzen und Produkte informiert werden muss.
  • Beobachtungsplan: bei Anträgen für Freilandversuche mit gv-Pflanzen müssen die Antragsteller Pläne für die Beobachtung eventueller schädlicher Auswirkungen vorlegen.

Weitere Änderungen betreffen unter anderem Regelungen zur Vertraulichkeit sowie ein vereinfachtes Verfahren für die Genehmigung bestimmter Freilandversuche.

Darüber hinaus kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates eine Reihe von Rechtsverordnungen mit Details zur Umsetzung einzelner Passagen des Gentechnikgesetzes festlegen.

Die Bundesregierung hat ihren Änderungsentwurf in Form so genannter „Formulierungshilfen“ an die Koalitionsfraktionen weitergereicht. Die Fraktionen haben daraus einen Gesetzesentwurf erarbeitet und diesen am 26. Januar in den Bundestag eingebracht.

Zweite Änderungsrunde: Haftung und Anbau von gv-Pflanzen

In einer weiteren Novellierungsrunde will Landwirtschaftsminister Seehofer vor allem die Passagen zur Haftung und Koexistenz so umformulieren, dass der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen für Landwirte mit weniger Auflagen und Haftungsrisiken verbunden ist. Derzeit müssen Landwirte, die solche Pflanzen nutzen, Ertragseinbußen ihrer konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Nachbarn ausgleichen, wenn diese ihre Ernte aufgrund von GVO-Anteilen zu einem geringeren Preis verkaufen müssen. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie die Anbauregeln für gv-Pflanzen eingehalten haben. Kommen mehrere Landwirte in Frage, von deren Feldern die GVO-Einträge stammen könnten, haften sie gemeinsam.

Seehofer will die Haftungsverpflichtung von gv-Pflanzen anbauenden Landwirten davon abhängig machen, ob ihnen ein Verschulden nachgewiesen werden kann. Außerdem soll die Wirtschaft dazu ermuntert werden für Fälle, in denen es trotz Einhaltung der Anbauregeln zu GVO-Einträgen gekommen ist oder wenn der Verursacher nicht ermittelt werden kann, einen Ausgleichsfond einzurichten.